Zwischen Euphorie und Detailkritik: Medien kommentieren die Eröffnung der Kulturhauptstadt
Rund 250 Journalisten haben das Eröffnungswochenende miterlebt. Auf den ersten Blick am Sonntag mischen sich in die überwiegend positiven Darstellungen auch kritische Einwände.
Chemnitz.Die „Leipziger Volkszeitung“ aus der sächsischen Metropole schreibt: „Zur Eröffnung zeigt sich die Stadt von ihrer besten Seite. Besuchermassen schieben sich bei mildem Wetter von Bühne zu Bühne im Zentrum, von Comedy zu Kinder-Metal, von Pop zu Folk, schlemmen sich durch die kulinarische Vielfalt der „Küche der Nationen“ und besichtigen das ‹Schaufenster› in der Stadthalle“, und vermutet: „Wer heute Programmchef Stefan Schmidtke begegnet, hat beste Chancen, ihn befreit lächeln zu sehen.“ Doch wenige Zeilen weiter liest man auch: „Der Veranstaltungskalender bietet so gut wie nichts, das sich mit dem - sogar angewachsenen - rechtsextremen Denken und Handeln in der Region auseinandersetzt. Auch das Wort ‹Rechtsextremismus› selbst sucht man im Programm vergebens.“
Darauf geht auch „Deutschlandfunk Kultur“ im Länderspiegel ein: „Auch unter Galeristen und Clubbetreibern gibt es Kritik. Das offizielle Programm mit seinen weit über 1000 Veranstaltungen sei weitgehend unpolitisch. Wohlfühlkunst statt Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Herausforderungen der Stadt.“


Warum Marx?
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ reibt sich am Veranstaltungsort der Eröffnungsshow, dem Marx-Monument: „Dass Chemnitz gerade hier feiert, ist paradox, denn die Stadt charakterisiert die treibenden Kräfte der Programmgestaltung als ‹makers of democracy› – heutzutage muss es ja Englisch sein.“ Zum Nachmittag heißt es: „Der Neumarkt platzte aus allen Nähten, und das strahlende Winterwetter tat ein Übriges für diesen grandiosen Auftakt. Zweihundert Meter weiter, bei der Jakobikirche, brachte gleichzeitig der in Chemnitz lebende Tansanier Arba Manillah, Friedenspreisträger der Stadt, seine eigens komponierte Hymne aufs Kulturhauptstadtjahr mit dem voluminösen Orchestra New Chemnitz zur Aufführung: Trommler, Rapper, Geiger und ein großer Chor. Dazu als Refrain: ‹Chemnitz-Karl-Marx-Stadt – everybody knows the history.› Was das Kulturstadtprogramm vergessen hat, brachten die Musiker in Erinnerung.“
„Eines hat Chemnitz schon zu Beginn des Kulturhauptstadtjahres erreicht: Die Aufmerksamkeit ist weit über die Region hinaus groß“, schreibt die Nachrichtenagentur dpa und wird zunächst von der „Süddeutsche Zeitung“ beispielsweise so übernommen.


Live-Berichte im MDR
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte Chemnitz in dieser Woche in einem subjektiven Kommentar als das neue New York bezeichnet. In einem betont sachlichen Faktenbericht über die Eröffnung wird die Stadt unter Berufung auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Stadt der Umbrüche charakterisiert.
Der „Spiegel“ nimmt den Aufmarsch mit dem Kommentar „Demonstriert wird vor allem die eigene Jämmerlichkeit.“ zur Kenntnis, findet den Festakt in der Oper langweilig, zeichnet sonst ein positives Bild von der Stadt: „Die Stimmung ist gelassen, freundlich, umsichtig. Alle Älteren haben ihren Spaß, alle Kinder haben ‹Hunger!›, und alle Jugendlichen scheinen bei der Antifa zu sein.
Der „Mitteldeutsche Rundfunk“ als offizieller Medienpartner der Kulturhauptstadt hat das Ereignis zum Teil live übertragen und mit vielen Reportagen begleitet. Der Ticker zum aktuellen Geschehen schließt am späten Abend: „Im Weltecho, Atomino und anderen Chemnitzer Clubs geht die Party jetzt erst richtig los. Im Weltecho eröffnete die Popband Munterfel den Abend. Schon jetzt passen kaum noch Menschen in den Raum und vor dem Club bildet sich eine lange Schlange. Wir halten fest: Chemnitz kann nicht nur tagsüber Kulturhauptstadt.“
Auf „Arte“ ist das Bandoneon als sächsische Erfindung der Aufmacher. Zu den vielen Veranstaltungen des Jahres heißt es schließlich: „Sie erzählen nicht nur von einer einfallsreichen Machermentalität, sondern auch von einem leidenschaftlichen Miteinander.“
Der Kultursender „3sat“ widmete der Eröffnung eine „Kulturzeit extra“ mit Katarina Witt als Gast. Der Eiskunstlaufstar betont: „Die Stadt verdient mehr als das, was sie bisher an Anerkennung bekommen hat.“ (kas)