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Neues Dialogformat "Chemnitz spricht" - Eine Einladung zum Streiten

Werden die Menschen auf dem Land gegenüber den Städtern benachteiligt? Sollte Chemnitz grüner werden? Kann die Region den Erwartungen an die Kulturhauptstadt gerecht werden? Viele Fragen, für die es jetzt ein neues Debattenformat gibt. Da kann jeder mitreden.

Chemnitz.

Miteinander reden. Klingt erstmal einfach. Kann aber mitunter knifflig werden. Vor allem wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Und es kommt natürlich auf die Themen an. Davon wiederum gibt es in diesen Zeiten ausreichend, über die es sich zu streiten lohnt. Streiten im besten Sinne - dazu sind die Chemnitzer jetzt eingeladen. Die "Freie Presse" startet im September gemeinsam mit der Dialogplattform "My Country Talks" vom Nachrichtenportal Zeit online das neue Debattenformat "Chemnitz spricht", unterstützt von der Stadt. Einwohner der Stadt und Interessenten aus der gesamten Region Südwestsachsen sind eingeladen, miteinander ins Gespräch zu kommen über Themen, die direkt vor ihrer Haustür liegen - von der Attraktivität der Stadt für junge Leute bis zur Frage, ob Chemnitz grüner werden sollte. Gefördert wird die Aktion von der Robert-Bosch-Stiftung.

Und natürlich geht es um Kultur im weitesten Sinne: Chemnitz wird 2025 als Europäische Kulturhauptstadt in den Fokus mancher Besucher aus Deutschland und Europa rücken, die die südwestsächsische Stadt bisher gar nicht kannten oder sie zumindest links liegen gelassen haben. Der Titel wird von vielen Freizeit- und Kulturschaffenden, Unternehmern, Politikern als Riesenchance für die gesamte Region gewertet. Wird diese die Erwartungen erfüllen können? Da gibt es auch Skeptiker. Sie haben Ideen, wie das Geld - das Gesamtbudget für die Kulturhauptstadt liegt bei 91 Millionen Euro - anders eingesetzt werden könnte. Deshalb wird eine Frage bei "Chemnitz spricht" lauten: Ist es richtig, dass Chemnitz Kulturhauptstadt wird?

Eine Frage, die keine ausweichende Vielleicht-Antwort zulässt. Und das ist eine Grundidee des Dialogformates. Zu Beginn der Veranstaltung werden den Teilnehmern sechs Ja-/ Nein-Fragen zu durchaus strittigen Themen gestellt. So wollen die Organisatoren unter anderem wissen, ob Menschen auf dem Land gegenüber Städtern benachteiligt werden, ob die Stadt sicher ist und ob sie ein Rassismusproblem hat. Im Anschluss kommen Teilnehmer miteinander ins Gespräch, die konträr auf die Fragen geantwortet haben, bestenfalls gibt es auf keine Frage dieselbe Antwort. So debattieren Chemnitzer, die sich sonst gerade wegen ihrer unterschiedlichen Perspektiven vermutlich nie an einen Tisch gesetzt hätten, über ihre Stadt. Bestenfalls gehen die "Chemnitz spricht"-Teilnehmer am Schluss mit neuen Ideen auseinander, haben einander zugehört, womöglich in manchem Punkt den Tischnachbarn mit Argumenten überzeugt oder zumindest neue Impulse gegeben. Ganz sicher wird auch die große Politik nicht außen vor bleiben, hat sie mit dem Ukrainekrieg, Preissteigerungen und Gaskrise doch direkte Auswirkungen auf jeden Einzelnen. Der Auftakt zu "Chemnitz spricht" findet am 17. September im Carlowitz-Congresscenter statt. Ab sofort können sich Interessenten dafür anmelden.

Chefredakteur Torsten Kleditzsch sagt zum Engagement der "Freien Presse": "In unserer Region die Menschen miteinander im Gespräch zu halten, ist eines unser Anliegen als Medienhaus. Gesellschaften, die die Fähigkeit verlieren, vernünftig miteinander zu streiten, drohen zu erodieren." Leider lasse sich das derzeit vielerorts beobachten. "Wir möchten aber, dass sich die Menschen einbringen, gern hier leben und allen Grund dazu haben."

Die "Freie Presse" knüpft damit an das Dialogformat "Chemnitz diskutiert" an, das 2018 erstmals aufgelegt wurde - in Reaktion auf die Ereignisse am Rand des Stadtfestes im August 2018. Ein Asylbewerber hatte den 35-jährigen Chemnitzer Daniel H. erstochen. Demonstrationen folgten, Ausschreitungen. Rechte und Gewaltbereite mobilisierten ihre Unterstützer, tagelang bestimmte der braune Mob das überregionale Medienbild von Chemnitz. Die Stadt stand unter Schock, die gesellschaftliche Mitte schwieg zunächst, dabei war der Gesprächsbedarf groß. An dieser Stelle verließ die "Freie Presse" ein Stück weit ihre natürliche Beobachterrolle und initiierte "Chemnitz diskutiert": Bürger der Stadt mit unterschiedlichen politischen Ansichten fanden an Workshop-Tischen zueinander, kamen ins Gespräch über Asylpolitik, Demonstrationen und die Sicherheit in der Innenstadt. Am Ende standen ganz praktische Vorschläge - zum Beispiel das Einrichten beleuchteter Frauen-Parkplätze im Zentrum, die danach von der Stadt geschaffen wurden.

Der ersten Auflage von "Chemnitz diskutiert" schloss sich kurz darauf eine öffentliche Diskussion über die deutsche Asylpolitik sowie die Chemnitzer Ereignisse mit der Bundeskanzlerin an. Die "Freie Presse" hatte dafür Angela Merkel nach Chemnitz eingeladen. Als Anerkennung dafür, die Stadt-Gesellschaft wieder miteinander ins konstruktive Gespräch gebracht zu haben, ist die Zeitung mit dem Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung geehrt worden.

Seit 2021 beteiligt sich die "Freie Presse" an "Deutschland spricht" - einem Debattenformat, das 2017 von Zeit online initiiert wurde und mittlerweile unter dem Dach der Debattenplattform My Country Talks organisiert wird. Das Prinzip folgt ähnlich der jetzt neuen Dialogveranstaltung "Chemnitz spricht" - nur deutschlandweit. Teilnehmer aus Ost und West oder Nord und Süd mit völlig unterschiedlichen Ansichten zu gesellschaftspolitischen Fragen reden miteinander. Seit der ersten Auflage hat "Deutschland spricht" mehr als 90.000 Menschen in kontroverse Zwiegespräche vermittelt. Inzwischen bringt My Country Talks nicht nur bundesweit Menschen miteinander ins Gespräch, sondern initiiert auch in Städten dieses Debattenformat - gemeinsam mit Regionalzeitungen, wie ab September mit der "Freien Presse".

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