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So lebt es sich als Rollstuhlfahrer in Chemnitz

Cathleen Goß und Alexander Lösche sind seit ihrer Kindheit auf einen Rollstuhl angewiesen. Beide leben im Wohnzentrum des ASB in Chemnitz. Mit "Freie Presse" sprachen sie über ihren Alltag, Barrieren und Inklusion.

Chemnitz. Cathleen Goß lächelt immer, wenn man sie trifft. Sie hat eine eigene kleine Wohnung, arbeitet in Leipzig bei einem Taxiunternehmen, wohnt aber in Chemnitz. Jeden Arbeitstag holt sie ihr Chef vom ASB-Wohnzentrum ab und nimmt sie mit zur Arbeit nach Leipzig. Danach fährt er sie wieder nach Hause.

Die Chemnitzerin kam elf Wochen zu früh auf die Welt, litt unter Sauerstoffmangel und einer Hirnblutung. Von Kindesbeinen an sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Das sei aber nicht der Grund, warum sie sich für eine Wohnung im ASB-Wohnzentrum entschieden hat. Sie habe auch schon in Freiberg und Dresden in klassischen Mehrfamilienhäusern gelebt.

Umzug nach Chemnitz brachte Freundinnen näher zusammen

Doch das sei ihr zu einsam gewesen. Daher entschied sie sich vor drei Jahren, zurück nach Chemnitz zu gehen. Hier besuchte sie schon die Körperbehindertenschule. Ihre beste Freundin lebt auch im Wohnzentrum. "Mit Theresa habe ich mir schon im Internat ein Zimmer geteilt", sagt Cathleen Goß. Nun leben die Freundinnen wieder unter einem Dach.

Auch Alexander Lösche wohnt nun beinahe schon drei Jahre hier. Der 44-Jährige hat ebenfalls eine angeborene Behinderung, besuchte als Junge die Körperbehindertenschule. Er kam mit offenem Rückenmark zur Welt, erzählt er. Lösche hat ein Zimmer im Wohnbereich des ASB-Wohnzentrums. Sein Ziel ist es aber, eine eigene Wohnung zu haben. Auch arbeiten würde der gelernte Bürokaufmann gern. Das sei aber nicht ganz einfach, erzählt Alexander Lösche.

Cathleen Goß und Alexander Lösche gehören zum Team des ASB-Wohnzentrums, das über die neuen PC-Arbeitsplätze und mit viel Engagement, Chemnitz schon ein bisschen barrierearmer gemacht hat. Über das Förderprogramm "Lieblingsplätze für alle" haben sie in Arztpraxen und etwa in der Oper Chemnitz automatische Türen bauen lassen - zuvor Barrieren, an denen sie im Alltag scheiterten. Die Menschen des Wohnzentrums animieren Hauseigentümer, sich des Problems anzunehmen. Den Papierkram erledigen sie. Am Ende profitieren beide Seiten. Für die Ausstattung des Computerraumes und weitere Schulungen wird aktuell über das Projekt "Leser helfen" der "Freien Presse" Geld gesammelt.

Cathleen Goß ist lieber unabhängig als auf andere angewiesen zu sein

Und dass es viel zu viele Barrieren gibt, wissen die Beiden nur zu gut. Als Beispiel nennt Cathleen Goß das Fahren mit Bus und Bahn. "Wenn ich kann, fahre ich lieber selbst mit dem Rollstuhl", erzählt sie. Bis zu 40 Kilometer kommt sie mit dem Elektrorolli. Durchschnittlich 6 Kilometer pro Stunde seien zu schaffen. "Damit bin ich schneller als ein Fußgänger", sagt sie und lächelt. Dass sie es lieber selbst in der Hand hat, dafür sorgten zu viele Vorfälle, bei denen sie das Nachsehen hatte. Mal war kein Platz mehr im Bus für ihren Rolli, mal fehlten Rampen und auch Unfreundlichkeit und fehlende Rücksichtnahme spielen eine Rolle.

Das kennt auch Alexander Lösche. Er ergänzt, dass auch viele Ampelphasen für Rollifahrer viel zu kurz sind, Bordsteinkanten in vielen Fällen nicht abgesenkt und wenn Schnee liegt, ist das vorankommen sowieso nur schwer möglich. Auch Geldautomaten sind oft ein Problem und für Menschen im Rollstuhl nur schwer zu bedienen. Von Inklusion kann aus ihrer Sicht oft nicht die Rede sein. "Wir werden oft nur als Kostenfaktor gesehen", sagt der 40-Jährige. Als Mensch mit Behinderung brauche man ein dickes Fell. Manchmal, so sagen sie, ist es aber noch nicht dick genug.

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