Vom Auftritt 2021 zur Wahlheimat Chemnitz 2024: Darum hat es die Band „ELL“ in die Kulturhauptstadt gezogen
„ELL“ – das sind Lisa–Anna und Lennart aus Südhessen. Vor einem halben Jahr hat es das Krachpop-Duo nach Chemnitz verschlagen. Wer sie sind und was die Stadt attraktiv für junge Musikschaffende macht.
Chemnitz.Manchmal scheint es, als eile Chemnitz noch immer ein negativer Ruf voraus: Die Ausschreitungen 2018 haben das Stadtimage maßgeblich geprägt. Doch die künftige Kulturhauptstadt hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Chemnitz anders kann: Man erinnere sich nur an das vergangene Kosmos-Festival. Kaum verwunderlich also, dass Chemnitz bei einer vom „Handelsblatt“ beauftragten Studie kürzlich Platz zehn der 71 lebenswertesten Großstädte Deutschlands belegte.
Vergangenes Jahr haben sich Lisa-Anna und Lennart der Band „ELL“ auf die Suche nach einem neuen Zuhause begeben, dafür haben sie viele Städte besucht. Auf persönlichen Wunsch werden sie nur beim Vornamen genannt. Sie erinnern sich an ein Gespräch in Leipzig, dabei erwähnten sie, dass auch Chemnitz in der engeren Auswahl steht. „Chemnitz, das ist doch eine alte Stadt“, bekamen sie da zu hören. Oder auch, dass Chemnitz politisch eher schwierig sei.
Chemnitzer Parksommer 2021 – bis heute eine positive Erinnerung für „ELL“
Doch das Duo hatte ein ganz anderes, viel positiveres Bild von Chemnitz: „Als der Entschluss feststand, unser Dorf in Hessen zu verlassen, mussten wir direkt auch an Chemnitz denken“, erzählt Lisa-Anna. Die beiden Musikschaffenden erlebten die Stadt das erste Mal im Jahr 2021 zum Parksommer. „Das war ein sehr positives Erlebnis, die Menschen waren alle super offen und interessiert. Obwohl uns vor unserem Auftritt hier noch niemand kannte“, erinnert sich Lennart. Die positive Energie zum jährlichen Musikevent in der Innenstadt sei ihnen lange in Erinnerung geblieben.
Auf der Suche nach Subkultur, Musik und Heimat haben sie sich so letztlich für Chemnitz entschieden. Vor einem halben Jahr kam der Umzug. Als frische Wahlchemnitzer nehmen sie die Kulturhauptstadt immer noch als offen, interessiert und engagiert wahr. Obwohl sie musikalisch viel unterwegs sind, seien sie hier schon gut angekommen und haben schnell viele Kontakte knüpfen können. „In Chemnitz dürfen wir viel spielen, Chemnitz supportet und gibt uns eine Bühne“, erzählen sie dankbar.
Seither hatten sie bereits zwei Auftritte mit ihrer Band: Im Februar als Vorband für die Band Lumpenpack im AJZ und beim Kosmos-Festival. Zuletzt spielten sie zur Musikmeile am Uferpark Anfang August. Städtische Kulturfeste jenseits vom „Bierzelt, Schlager und sich besoffen daneben benehmen, kannten wir bis dato nicht“, erzählt Lennart. Lisa-Anna ergänzt: „Das hat uns sehr beeindruckt.“
Gesellschaftskritik, persönlicher Kitsch und Geschichten aus dem Leben
Der Bandname „ELL“ ist übrigens ein Kunstbegriff, abgeleitet von den französischen und spanischen Pronomen. Manchmal macht er Probleme, auf Google oder Spotify erscheinen oft andere Ergebnisse. Es wichtig bei der Suche „Krachpop Duo“ anzuhängen. So bezeichnen sie ihre punkartige Musik, bei der Lennarts verzerrte E-Bass Klänge auf Lisa-Annas weiche Stimme treffen.
In ihren eigens geschriebenen, deutschen Texten geht es um Gesellschaftskritik, persönlichen Kitsch und Geschichten aus dem Leben. Seit der offiziellen Gründung Ende 2019 hat die, wie sie selbst scherzen „unterbesetzte Band“, schon beinahe hundert Konzerte deutschlandweit performt. Musik produzieren sie seit 2020, ein Jahr darauf haben sie erstmalig „ELL“ auf die Bühne gebracht. Aktuell arbeiten sie an ihrem Debüt-Album, zur Musikmeile performten sie ihren neuen Song „Salzstreuerin“.
Musikalisch veranlagt waren die beiden 34-Jährigen, die sich bereits aus Schulzeiten kennen, schon immer. Nach dem musischen Gymnasium, zog es sie zum Studium nach Frankfurt. Lisa-Anna studierte Schulmusik auf Gymnasiallehramt und Lennart Musikproduktion. Nach dem Studium ging es für die beiden zurück ins Dorf. „In der Frankfurter Musikszene konnten wir uns selbst nicht wiederfinden“, erzählen sie. Außerdem habe sie die enormen Gegensätze in Frankfurt gestört, genauer: die armen neben den superreichen Lebensrealitäten.
In Chemnitz hoffen sie anzukommen: „Wir wünschen uns, dass die Stadt zu unserem Zuhause wird, wir eine zweite Familie finden und natürlich, dass es mit unserer Musik weitergeht.“ (lila)