Trauer um einen legendären Untergrund-Musiker: Der Leipziger machte sich als Dancehall-Musiker einen Namen und produzierte unter anderem Trettmann, Gentleman und Seeed. Nun ist er mit 56 gestorben.
Messer Banzani? Bis vorgestern werden wenige wissend den Kopf genickt haben, wenn sie den Namen hörten. Er stand schon lange nicht mehr in der Zeitung. Wer sollte auch heute noch eine längst aufgelöste Ska-Band aus dem Leipziger Süden kennen? Und wissen, dass ihr Kopf Leander Topp heißt. Hieß muss man leider schreiben: Topp ist am Dienstag überraschend verstorben. Er wurde nur 56 Jahre alt.
DT64 ist verantwortlich, dass ich Messer Banzani erstmals wahrnahm. Mehrere Songs der Band landeten auf Mixtapes, die ich von Sendungen der Radiostation mitschnitt. Und dann lernte ich meine erste Freundin auf einem Messer Banzani-Konzert in Erfurt kennen. Die Beziehung hielt immerhin eineinhalb Jahre.
Als wir uns trennten, gingen auch Messer Banzini alsbald andere Wege. Das war 1998 – und frühe Fankreise hatten bereits das Interesse an der Band verloren. Denn Messer Banzani hatte die Dancehall für sich aufgeschlossen.
Vom Punk bis Jamaika
Neun Jahre zuvor, kurz vor den Herbstereignissen 1989 gründete Leander – wahlweise auch „Lanni“, „Lanity“ und „Pionear“ genannt – Topp die Band. Und zwar zusammen mit seinem Cousin Tom Topp. Beide hatten bereits in Suhl zusammen für ihr Musikprojekt Die Bastards Stücke aufgenommen.
Der Name war vielleicht bewusst gewählt: Beide Musiker hatten schwarze Väter, den auch in der DDR vorhandenen Alltagsrassismus dürften sie zu spüren bekommen haben. Nun ging die musikalische Reise in Leipzig weiter. Hier hatte Leander Topp bereits die Punkband Zorn mitgegründet. Im Eiskeller-Umfeld – später wurde daraus das Conne Island – formierten die Cousins schließlich Messer Banzani.
Den 6. Mai 1989 halten mehrere Quellen als Gründungstag fest. Ein erstes Konzert im Juni gilt als „legendär“. Nach dem Tape „We try to get you to move your ass“ (1990) veröffentlichten Messer Banzani 1991 ihre erste Langspielplatte.
Der Erstling wurde, wie damals üblich, noch brav nach dem Bandnamen benannt, der sich, so sie Selbstbeschreibung, von einem italienischen Glasbläsermeister des Mittelalters inspiriert ist. Da hatte die Gruppe gerade außer Konkurrenz den Titel „Band des Jahres“ auf dem 1. Leipziger Rockwettbewerb erhalten.
Die für ostdeutsche Verhältnisse ungewöhnliche Musik schlug auch überregional ein. Messer Banzani tourten durch mehrere Länder, landete mit „Peace is Wonder“ 1992 einen Radiohit. Und traten auf Jamaika mit der Ex-Band von Bob Marley auf.
Kernschmelze in Connewitz
Leander Topp sang und spielte Gitarre sowie Bass. Schon in frühen Songs wie „Perfect Stomping“, „Cry it loud“ und „1 Love“ schwangen Heiter- und Gelassenheit in Überportion mit. Messer Banzanis Ska war immer mehr Reggae als Punk, nur nicht so klischeebeladen, wie man ihn von anderen kennt.
Obwohl der Sound sauber ist und die Melodien abgestimmt, haftet den Songs eine Spur Asphalt an. Sie sind noch körnig, nicht ganz glattgeschliffen. Musiker und Band waren in der Leipziger Südszene, die unter dem Namen Connewitz unzutreffend zusammengefasst wird, verwoben. Mike Stolle etwa wirkte bei Messer Banzani als festes Mitglied, machte sich aber vor allem als Produzent mit seinem Tonstudio im Hausprojekt Zoro einen Namen. Er betreute Kapellen wie Die Art und Think About Mutation.
Musiker der letzteren Band spielten als Gäste bei Messer Banzani oder kreierten das Artwork für Leander Topps Produktionen mit. Denn der hatte 1999 mit Germaican Records sein eigenes Label gegründet. Das Etikett sollte die Verbindung von deutschen und jamaikanischen Elementen anzeigen.
Erste Hits für Trettmann und Seeed
Messer Banzani waren da schon Geschichte - der Nachfolger Far East Band vollends auf Dancehall umgestellt. Sie standen unter anderem für Gentleman auf der Bühne und nahmen mit ihm auf.
Denn Topp hatte den Beat für sich entdeckt – und entdeckte als Produzent andere. Allen voran Trettmann, für dessen Song „Der Sommer ist für alle da!“ er die Musik erdachte. Das war der erste Hit des Chemnitzer Musikers Stefan Richter, der noch als Ronny Trettmann firmierte.
Genregrößen wie Seeed, Elephant Man und Tanya Stephens produzierte Topp bei Germaican Records. Die Diskografie des Studios bildet eine lange Liste. Etwas hatte sich Leander Topp aus der Musik zurückgezogen, sang aber beispielsweise fürs aktuelle Album der Freunde der Italienischen Oper eine Stimme ein. Zudem begleitete er als Guide Gäste auf er schwimmenden Vineta-Insel im Störmthaler See.
Am Dienstag starb Leander Topp überraschend in Leipzig. Er hinterlässt zwei erwachsene Söhne.