Endlich mehr Klarheit
Mit besorgniserregender Kontinuität wachsen Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland. Und das, was Innenminister Horst Seehofer zu Recht als "Alarmzustand" bezeichnet, droht zu einer schlimmen Normalität zu werden.
Die Verfassungsschützer sehen eine enorme Gewaltbereitschaft, die im rechtsextremen Spektrum vergleichsweise höher ist als irgendwo sonst. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Radikalisierung und Brutalität am linksextremen Rand wächst. Inzwischen befürchten Sicherheitsbehörden eine Art von Kriegszustand zwischen den extremistischen Lagern.
Das vergangene Jahr war geprägt von Gewalt: Die rassistische Mordserie von Hanau gehört zur Geschichte des rechten Terrors. Angriffe auf Polizisten und Journalisten bei Protestdemos während der Pandemie, der versuchte Sturm auf den Treppen des Reichstagsgebäudes und das Bedrohen von Abgeordneten zeigen, wie direkt die Demokratie inzwischen angegriffen wird. Es ist gut, dass der Verfassungsschutz im Licht der Ereignisse seinen Analyseansatz geschärft hat: Endlich reagiert der Geheimdienst auf die Frage, wie es zur Verschärfung der Situation am rechten Rand kommt, und nimmt die Wegbereiter ins Visier. Die sogenannte Neue Rechte liefere den Nährboden, um immer neue Anhänger zu radikalisieren, heißt es.
Diese Klarheit hätte man sich früher gewünscht.