Grüne Jugend will linke Partei aufbauen: Renate Künast und Boris Palmer finden klare Worte
Nach der Parteispitze wirft auch der Bundesvorstand der Grünen Jugend hin. Im Netz gibt es dafür Lob, aber auch jede Menge Kritik. Und wenig schmeichelhafte Worte von Renate Künast und dem Ex-Grünen Boris Palmer.
Berlin.Gleich zwei Beben haben am Mittwoch die Grünen erschüttert: Erst kündigte am Vormittag die Parteispitze an, die Ämter niederzulegen, am Abend sorgte die Grüne Jugend für Wirbel. Der politische Nachwuchs gab bekannt, aus der Partei auszutreten - und eine eigene, linke Bewegung zu gründen. Im Netz wird seither munter kommentiert.
In einer Erklärung an den Parteivorstand und die Bundestagsfraktion begründete die Bundesspitze der Jugendorganisation ihren Schritt. Bereits in den vergangenen Wochen - noch vor der Rücktrittserklärung der Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour am Mittwoch - habe man den Entschluss gefasst. Man habe zwar Respekt vor dem Schritt des Führungs-Duos, gehe aber "nicht davon aus, dass eine personelle Neuaufstellung zu einer inhaltlichen und strategischen Neuausrichtung der Partei in unserem Sinne führen wird". Es sei besser, wenn sich die Wege jetzt trennten.
Die Amtsgeschäfte wolle man noch bis zum Bundeskongress der Grünen Jugend in Leipzig (18. bis 20. Oktober) weiterführen.
Kritik an den Grünen und neue linke Partei
In einer öffentlichen Erklärung, am heutigen Donnerstag veröffentlicht auf der Website "Zeit für was Neues 2024", betonen die Jungpolitiker, dass es "dringend eine politische Kraft braucht, die Schluss damit macht, wie aktuell Politik gemacht wird". Und zwar eine Kraft, die "dafür kämpft, die Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen zu stellen". Die Grünen seien nicht dazu bereit gewesen, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen. "Wer sich weigert, die Reichen zur Kasse zu bitten, lässt im Ergebnis die breite Bevölkerung bezahlen." Das sehe man besonders beim Klimaschutz.
Nun wolle man eine neue, linke Jugendorganisation gründen: "Wir wollen dazu beitragen, dass es bald eine starke linke Partei in Deutschland geben kann. Eine Partei, die nicht so ist wie alle anderen."
Naturgemäß dauerte es nicht lange, bis sich die Nachricht im sozialen Netz verbreitete - und fleißig kommentiert wurde. "Ein guter Entschluss", befand ein User unter einem Post von (Noch-) Grüne-Jugend-Bundessprecherin Svenja Appuhn. "Nun hoffen wir, dass die Grüne Jugend endlich wieder realistische Politik macht und man nicht glauben muss, man hat es mit den Linken oder der marxistischen Jugend zu tun."
Linken-Politikerin Schwerdtner lädt zur Zusammenarbeit ein
Eine andere Nutzerin mahnte: "Liebe Grüne Jugend, bitte denkt noch mal drüber nach, ob es wirklich Euren Anliegen hilft, wenn es eine weitere linke Splitterpartei gibt." Ein weiterer wünschte gutes Gelingen und befand: "Überfällig, gut für die moralische Integrität (und Glaubwürdigkeit)".
Linken-Politikerin Ines Schwerdtner bezeichnete den Schritt als "sehr konsequent". Die gebürtige Werdauerin weiter: "Auch wir sind der Überzeugung, dass es in diesem Land eine linke und sozialistische Kraft braucht, die sich für die Interessen der Menschen einsetzt und arbeiten gern mit allen zusammen, die dieses Ziel teilen."
CDA-Chef Radtke: Grüne Jugend "beim Realitätscheck durchgefallen"
Weniger herzliche Worte für die Entscheidung der Jungpolitiker gab es von Dennis Radtke, dem jüngst gewählten Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA.
Auf X schrieb der 45-Jährige: "Während Ricarda Lang und Omid Nouripour zurecht überwiegend Respekt und Anerkennung für ihre mutige Entscheidung erhalten, ist die Grüne Jugend beim Realitätscheck offenkundig durchgefallen."
Ein anderer Nutzer kommentierte: "Sogar die ‚Grüne Jugend‘ hasst die Grünen. Das ist sehr unterhaltsam." Wiederum ein anderer notierte knapp: "Kommunismus gab's schon, war scheiße."
Künast: Vorstand war "nicht realitätstauglich"
Gegenüber dem RBB-Inforadio zeigte sich die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast gelassen: "Da wundere ich mich nicht und da weine ich auch nicht." Und den scheidenden Jungen gab sie noch eins mit: Der Vorstand sei "nicht realitätstauglich" gewesen und habe "einen Klassensystem-Sozialismus aufbauen" wollen.
Palmer spricht von "feindlicher Übernahme" der Grünen
Last but not least meldete sich auch ein bekannter Ex-Grüner zu Wort: Tübingens OB Boris Palmer. Auf Facebook bezeichnete er das Vorgehen als "historisch richtigen Schritt, der mir für Grün große Hoffnung macht". Seine ehemalige Partei habe "im letzten Jahrzehnt geradezu eine feindliche Übernahme von innen erlebt".
Viele Urgrüne seien an den Rand gedrängt oder (wie Palmer) mit Ausschlusskampagnen überzogen worden. Er behauptete, eine "woke Bewegung" habe die Grünen zu "einer weiteren linken Partei umformen" wollen. Sein Fazit: "Wer Politik gegen die Wirtschaft und mit Marx‘ Theorien machen will, ist bei einer grünen Partei einfach völlig falsch aufgehoben."
Wie berichtet, hatte die Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour am Mittwoch bekannt gegeben, dass der Bundesvorstand der Partei auf dem kommenden Parteitag in Wiesbaden (15. bis 17. November) seine Ämter niederlege. So lange führe man die Geschäfte noch weiter.
Dafür hatten die beiden Spitzenpolitiker im Netz immer wieder Respekt geerntet. Etwa von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der auch den persönlichen Austausch mit beiden lobte. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zog den Hut und zeigte sich auf X "gespannt, ob unter neuer Führung ein neuer Kurs entsteht". (phy)