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Berlin, am Dienstag: Ex-Kanzlerin Angela Merkel (r.) im Gespräch mit TV-Moderatorin Anne Will.
Berlin, am Dienstag: Ex-Kanzlerin Angela Merkel (r.) im Gespräch mit TV-Moderatorin Anne Will. Bild: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa
Panorama

„Hofberichterstattung“, „beinharte Fragen“: So reagiert das Netz auf Angela Merkels Gespräch mit Anne Will

Kaum sind ihre Memoiren erschienen, ist Angela Merkel auf Promo-Tour. Die führte sie nach Berlin und zu ARD-Moderatorin Anne Will. Klar ist: Das Netz ist in Sachen Ex-Kanzlerin so gespalten wie zu ihrer aktiven Zeit.

Berlin.

Jahrelang war es vergleichsweise still um Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geworden. Das ändert sich nun. Grund: Ihre jüngst erschienenen Memoiren „Freiheit: Erinnerungen 1954 – 2021“.

Rund 700 Seiten dick ist das Buch, das Ganze zum Preis von 42 Euro. Zeitgleich erschien „Freiheit“ in 30 Ländern, die frühere Regierungschefin und ihre Co-Autorin sollen dafür laut „Frankfurter Sonntags Zeitung“ einen zweistelligen Millionenbetrag als Honorar-Vorschuss kassiert haben.

Derzeit ist Merkel auf Werbetour für das Buch. Vor Tagen sorgte bereits ein diesbezügliches Interview der 70-Jährigen im Spiegel für Aufsehen. Insbesondere die Passage, in der es ihr zum Ampel-Aus und dem vorhergehenden Zoff zwischen Christian Lindner (FDP) und Olaf Scholz (SPD) entfuhr: „Männer!“ Was der Alt-Kanzlerin typisch männlich vorkam? „Zum Beispiel, Dinge persönlich zu nehmen. Das sollte man in der Politik tunlichst vermeiden.“

Merkel gegen Zurückweisung von Migranten

Am gestrigen Dienstag dann der nächste Stopp der „Freiheit“-Pressetour: Berlin, Deutsches Theater. Gespräch mit ARD-Talkerin Anne Will, übertragen auf dem Fernsehsender Phoenix und dem YouTube-Kanal von Zeit Online. Politikerin und Journalistin sitzen sich auf schlichten, grauen Sesseln gegenüber. Überlebensgroß im Hintergrund: das Buchcover.

Die Zuschauer erfahren in den rund zwei Stunden mit Will etwa, dass es für Merkel auf dem Weg ins Kanzleramt ein größeres Hindernis war, Frau zu sein, als ostdeutsch.

 

Dass sie die Gaspipeline Nordstream 2 für keinen Fehler hält und Zurückweisungen von illegalen Migranten an den deutschen Grenzen – im Gegensatz zu Friedrich Merz (CDU) - ablehnt: „Für mich war es wichtig, dass wir das nicht tun. Ich halte das auch für den falschen Weg. Aber es ist nun mal so, dass er diese Meinung hat, ja.“

Wirft sie sich den Aufstieg der AfD vor?

Apropos Flüchtlinge: Im Zuge der Migrationskrise erstarkte die AfD, schaffte es in alle Landesparlamente und 2017 in den Bundestag. Will möchte wissen: „Werfen Sie sich ihren Aufstieg vor?“ Kurze Pause. Merkel werfe es sich nicht in dem Sinne vor, dass sie sage: Die Entscheidung, im September 2015 Menschen aufzunehmen, sei falsch gewesen.

Die CDU-Politikerin habe sich die Flüchtlingspolitik nicht ausgedacht: „Das sind ja Ereignisse, die durch die Globalisierung, durch den schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien einfach auf uns zukommen. Insofern ist die AfD stärker geworden durch die Tatsache, dass so viele Menschen zu uns gekommen sind, ja.“

Aber: „Die Alternative wäre gewesen, diese Menschen an der deutschen Grenze – da gab es ja Pläne, die ich später erfahren habe, mit Wasserwerfern oder was auch immer – nicht nach Deutschland zu lassen und die hätte ich für noch schlechter gehalten.“ Merkel freue sich nicht über das Erstarken der AfD „und ich weiß auch, dass wir die illegale Migration reduzieren müssen“.

Anne Will: „Tue ich Ihnen Unrecht?“

Bedauert oder bereut die 70-Jährige etwas? Anne Wills Eindruck nach dem Lesen: „Sie geben – wenn überhaupt – dann kleinere Fehler zu im Buch.“ Etwa in Schlabberpullis und langen Röcken durch die Bonner Politik laufen. Was ist mit den großen, falsch eingeschätzten Entscheidungen? „Mein Eindruck ist: Die benennen Sie nur“, so Will und fragt: „Tue ich Ihnen Unrecht?“

Merkel direkt: „Ich finde schon.“ So sei es ihr etwa nicht gelungen, die richtigen Antworten auf den Klimawandel zu geben. Auch die Bundeswehr habe nicht die nötigen finanziellen Mittel erhalten. Die Digitalisierung kam nicht wie gewünscht voran.

User kritisieren fehlende Selbstkritik Merkels

Das Gespräch zwischen der Journalistin und der früheren Kanzlerin spaltete die Netzgemeinde. Freilich war das auch schon zu Merkels aktiver Zeit so: Die einen verdammen sie in Bausch und Bogen, die anderen lassen sie hochleben. Diesbezüglich hat sich in den vergangenen Jahren also nichts geändert.

Das fängt schon bei der Tatsache an, dass es Will war, die Merkel auf den Zahn fühlte. Was für einen Teil der User auf X „beinharte“ oder „hartnäckige Fragen“ der langjährigen TV-Journalistin sind, befindet ein anderer als „Anhimmelung“. Einer unterstellt Will gar Hofberichterstattung.

Angela Merkel (vorne) kommt vor Anne Will (hinten l.) sowie Kerstin Gleba, Verlegerin vom Kiepenheuer und Witsch Verlag, im Deutschen Theater zur Vorstellung ihres Buchs „Freiheit. Erinnerungen 1954 - 2021“.
Angela Merkel (vorne) kommt vor Anne Will (hinten l.) sowie Kerstin Gleba, Verlegerin vom Kiepenheuer und Witsch Verlag, im Deutschen Theater zur Vorstellung ihres Buchs „Freiheit. Erinnerungen 1954 - 2021“. Bild: Michael Kappeler/dpa

Neben dem Dauerbrenner Migration war immer wieder die (fehlende?) Selbstkritik der CDU-Politikerin Thema. So notierte etwa ein Nutzer erbost: „16 Jahre verpennte Digitalisierung. 16 Jahre Lobbyismus statt Wirtschaftspolitik. Da stünde Frau Merkel durchaus etwas mehr Selbstkritik gut zu Gesicht.“ Eine Userin rechnete ab: „Sie hat nicht nur durch etliche Fehler unsere heutigen Probleme verursacht. Die CDU hat sie ebenso verunstaltet.“

Übrigens: Schon am Donnerstag ist die Ex-Kanzlerin im Rahmen ihrer Promo-Tour wieder zusehen. Dann ist sie bei ZDF-Talkerin Maybrit Illner zu Gast. Titel der Sendung: „Wie gut haben Sie regiert, Frau Merkel?“ Los geht es 21 Uhr im Livestream beziehungsweise 22.15 Uhr im ZDF. (phy)

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