Beschlagnahmter Bitcoin-Schatz: Sachsen darf Raubkopie-Milliarden nicht für sich arbeiten lassen
Sachsen sitzt auf Milliarden Euro aus einem konfiszierten Bitcoin-Schatz. Dieses Vermögen rechnete das Land 2024 der eigenen Liquidität zu, um sich die Aufnahme neuer Kredite zu ersparen. Die Zinserlöse gab der Freistaat zudem aus. Doch beides ist strittig - und hat nun Folgen.
Dresden.Im Januar 2024 hatten sächsische Ermittler 50.000 Bitcoins sichergestellt. Das Vermögen stammte aus dem illegalen Filmgeschäft mit Raubkopien auf der Plattform „movie2k.to“. Der ehemalige Portal-Betreiber übertrug es nach seiner Festnahme an die Behörden. Der damalige Wert der Bitcoins: etwa zwei Milliarden Euro. Im Februar ordnete die Generalstaatsanwaltschaft Dresden dann eine sogenannte „Notveräußerung“ dieses digitalen Geldes an, um einen möglichen Wertverlust zu verhindern. Das schreibt der Gesetzgeber so vor. Die Bitcoins brachten im Sommer dann rund 2,6 Milliarden Euro ein.
Zinsen in Millionenhöhe ausgegeben
Dieses Geld ging auf ein Bundesbankkonto der Landesjustizkasse. Der Freistaat schrieb diese Milliarden daraufhin der eigenen Liquidität zu. Eigentlich schon geplante Kredite musste das Land dadurch doch nicht mehr aufnehmen. Zudem reklamierte der sächsische Finanzminister die Zinsgewinne, die das angelegte Geld erbrachte, für sich und die Landeskasse. Das waren nach Informationen der „Freien Presse“ im vergangenen Jahr rund 43 Millionen Euro. Doch dieser Umgang mit den Milliarden-Erlösen ist fragwürdig. Die „Sächsische Zeitung“ hatte darüber zuerst berichtet.
Justizministerium: Sachsen nur Treuhänder
So schätzte das sächsische Justizministerium nach Informationen der „Freien Presse“ schon im Oktober ein: Der Freistaat ist lediglich Treuhänder des Milliardenvermögens. Wer über das Geld am Ende frei verfügen darf, ist noch völlig unklar. Darüber müssen Gerichte entscheiden. Das könnte noch Jahre dauern. Bis dahin ist der Freistaat aber zu einer werterhaltenden Verwaltung dieses Vermögens verpflichtet - und zwar so, dass sowohl die Interessen des ehemaligen Portal-Betreibers als auch der Allgemeinheit gewahrt werden. Die Verwaltung dürfe nicht im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Freistaates erfolgen, heißt es in der Einschätzung des Justizministeriums.
Das Justizministerium riet daher zur Vorsicht, bis endgültig entschieden ist, wer das Geld bekommt. Denn möglicherweise müsste der Freistaat sonst am Ende nicht nur die Erlöse aus den Bitcoin-Verkäufen wieder herausgeben, sondern auch die Zinsgewinne und die anderweitig eingesparten Zinsaufwendungen, die aus diesem Milliardenvermögen resultieren.
Freistaat muss jetzt wohl zusätzlichen Milliarden-Kredit aufnehmen
Auf die Finanzen des Freistaats hat das weitreichende Auswirkungen. Das Milliardenvermögen steht jetzt nicht mehr dem Liquiditätsmanagement des Landes zur Verfügung. Deshalb wird Sachsen nach Informationen der „Freien Presse“ jetzt wohl voraussichtlich im ersten Halbjahr diesen Jahres zusätzliche Kredite aufnehmen müssen, allein um diese Liquiditätslücke zu schließen. Von zusätzlichen Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro und dafür fällige Zinsen von rund 30 Millionen Euro Jahr ist die Rede. Zugleich wird sich auch das schon bestehende Milliarden-Haushaltsdefizit noch weiter vergrößern. Denn mit den rund 80 Millionen Euro Zinseinnahmen pro Jahr aus dem Bitcoin-Schatz kann das Finanzministerium für den neuen Doppelhaushalt 2025/26 nun auch nicht mehr rechnen. Finanz- und Justizministerium sind sich nach Informationen der „Freien Presse“ darüber einig. Auch das Kabinett hat sich am Dienstag darauf verständigt.
Opposition kritisiert Umgang mit Bitcoin-Schatz
Kritik kommt von der Opposition. Sie mutmaßt Verstöße im Umgang mit den Bitcoin-Milliarden. „Wieso war es möglich, dass Finanzminister Vorjohann die Veräußerungssumme als Liquiditätsreserve nutzen konnte, obwohl er nur als Treuhänder hätte auftreten dürfen?“, wollte etwa der Linke-Landtagsabgeordnete Rico Gebhardt in einer Kleinen Anfrage wissen. „Warum erfolgte eine Einplanung von Zinsgewinnen aus diesen Mitteln zur Ausgleichung des Haushaltes 2024, obwohl diese Mittel nur treuhänderisch verwaltet werden durften?“
Neuer sächsischer Finanzminister ist seit Mitte Dezember 2024 der frühere Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Der verteidigte jetzt auf Anfrage der „Freien Presse“ die bisherige Praxis aber als legitim. Dennoch sei sie auf Empfehlung des Justizministeriums Ende des Jahres beendet worden, so ein Ministeriumssprecher. (juerg)