Das hält Sachsens Regierungschef Kretschmer von drastischen Programmstreichungen bei ARD und ZDF
Es geht in dieser Woche in Leipzig um die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender, um Reformen und um viel Geld. Auch Sachsens Regierungschef wird dort bei der Ministerpräsidentenkonferenz Farbe bekennen.
Leipzig.Etwa zehn Milliarden Euro erhalten ARD, ZDF und Deutschlandradio pro Jahr, den Großteil davon zahlen die Bürger über die Rundfunkgebühren. Nun sollen die Gebühren um weitere 58 Cent auf 18,94 Euro pro Haushalt und Monat ab dem kommenden Jahr steigen. Das empfiehlt die Fachkommission KEF, die für die Ermittlung des Rundfunkbeitrags zuständig ist. Die Bundesländer dringen allerdings darauf, dass die Öffentlich-Rechtlichen zunächst erst einmal sparen.
Knapp die Hälfte der Fernseh-Spartensender soll wegfallen
Deshalb beraten die 16 Ministerpräsidenten der Länder seit diesem Mittwoch bis Freitag bei ihrem Treffen in Leipzig auch über entsprechende Reform- und Kürzungsvorschläge. So sollen nach den Plänen der Rundfunkkommission der Bundesländer mindestens 16 ARD-Hörfunkkanäle und knapp die Hälfte der zehn Fernseh-Spartensender von ARD und ZDF wegfallen. Das geht aus dem Entwurf für einen Reformstaatsvertrag hervor.
Einschnitte auch im Kinderprogramm geplant
Demnach sollen die ARD-Anstalten generell nur noch vier Hörfunkprogramme anbieten dürfen. Für besonders große Sendegebiete oder Anstalten, die mehrere Länder abdecken, sind Ausnahmen vorgesehen. Geplant ist zudem, die vier Kanäle Phoenix, tagesschau24, ARD-alpha und ZDF-Info zu einem gemeinsamen Informations- und Bildungsangebot zusammenzufassen. Auch die Sender Arte und 3Sat sollen verschmolzen werden. Darüber hinaus stehen Einschnitte bei den Sendern für jüngere Zuschauer im Raum, etwa beim Kinderkanal Kika, bei ZDF neo und bei One. Die ARD soll außerdem keine presseähnlichen Texte mehr über aktuelle Ereignisse im Internet veröffentlichen dürfen, mit denen die Öffentlich-Rechtlichen auf Kosten der Rundfunkgebührenzahler privaten Anbietern Konkurrenz machen.
Sachsens Regierungssprecher: „Unterstützen die große Linie“ bei Vorschlägen
Sachsen unterstützt diese Kürzungsvorschläge. „Soweit es die große Linie betrifft“, so Regierungssprecher Ralph Schreiber am Mittwoch auf Anfrage der „Freien Presse“. „In Detailfragen müssen wir uns dann noch gemeinsam mit den Länderkollegen einigen.“ Sachsens Medienminister Conrad Clemens (CDU), der die Medienpolitik für die unionsgeführten Länder koordiniert, hatte dazu auf Twitter schon Ende September gepostet: „Die Länder haben Reformvorschläge für den ÖRR zur Anhörung freigegeben. Ein echtes Sparprogramm mit Konzentration auf den wesentlichen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“ Der „Sächsischen Zeitung“ offenbarte Clemens zudem: „Wir wollen Beitragsstabilität.“
Kretschmer: Einsparungen sollen Akzeptanz stärken
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gilt als Fürsprecher der Öffentlich-Rechtlichen. Im Vorfeld des Treffens in Leipzig hatte er sie als „Insel der Verlässlichkeit“ gelobt. Er sagte: „Ziel der Reform ist es, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken.“ Es sei aber wichtig, auf Kosten und Effizienz zu achten und Doppelstrukturen innerhalb der ARD zu vermeiden. Das fördere die Akzeptanz dieser Anstalten in der Bevölkerung. „Nur ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der geschätzt wird, wird auch genutzt und kann seiner wichtigen Funktion gerecht werden.“
Künftige Höhe des Rundfunkbeitrags noch offen
Wie hoch der Rundfunkbeitrag letztlich ab 2025 sein wird, ist aber noch offen. Zwar dringt auch Bayern auf die Beibehaltung der jetzigen 18,36 Euro. Im Gespräch ist aber auch ein Indexmodell, das sich an den steigenden Lebenshaltungskosten orientiert, oder eben die von der KEF empfohlene Erhöhung. Die Landesparlamente müssen ein Plus einstimmig beschließen.
Möglich ist, dass die Sendeanstalten deshalb erneut das Bundesverfassungsgericht anrufen. Das hatte schon 2021 einmal eine Erhöhung durchgesetzt. Damals hatte Sachsen-Anhalt sich geweigert, darüber abzustimmen. Daraufhin hatten die Anstalten geklagt.
Deutsche Musikgrößen, Schauspieler und Kulturschaffende protestieren gegen Kürzungen
Medien- und Kulturschaffende wollen unterdessen am Donnerstag gemeinsam mit Zuhörern und Zuschauern gegen die geplanten Streichungen nahe der Kongresshalle, in der die Ministerpräsidenten tagen, vor dem Leipziger Zoo demonstrieren. So sollen mehr als 140.000 Unterschriften einer Petition, die die Fernsehjournalistin Katja Riha seit Anfang Oktober für den Erhalt des Senders 3Sat in seiner bisherigen Form gestartet hat, an die Ministerpräsidenten übergeben werden. Zu den Erstunterzeichnern gehören Größen wie die Regisseure Wim Wenders und Volker Schlöndorff, Musiker wie Jan Dealy und die Band „Die Toten Hosen“, Comedian Bülent Ceylan oder Schauspielerin Iris Berben. Den Protest unterstützen werden nach Gewerkschaftsangaben unter anderem Leipziger Musiker des Gewandhausorchesters, des MDR-Sinfonieorchesters, der Musikalischen Komödie, des Thomanerchors sowie des Rundfunk- und Opernchors. Sie alle wollten beim Eintreffen der Ministerpräsidenten gemeinsam den Bach-Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ singen und spielen, heißt es. (juerg)