Landtagswahl in Sachsen: Sechs Fakten, die für den Erfolg der AfD entscheidend waren
CDU und AfD haben sich in Sachsen ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Dabei wird die AfD im Freistaat inzwischen meist nicht mehr aus Protest, sondern aus Überzeugung gewählt. Sechs Dinge, die auffallen.
Dresden.Umfragen und Experteneinschätzungen hatten schon vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen offenbart: Die Mehrheit ist sehr unzufrieden mit der Ampelkoalition im Bund. Auf Landesebene wird das der AfD in die Karten spielen, so die Prognosen - obwohl diese Partei in Teilen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Und Tatsächlich hatten die drei Jahre Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis in Sachsen, wie eine Analyse der „Freien Presse“ zeigt.
1. AfD wird von vielen Sachsen inzwischen aus Überzeugung gewählt
Die Nachwahlbefragungen zeigen laut Infratest dimap, dass die hohen Zustimmungswerte für die AfD kein Ergebnis einer Protestwahl sind, sondern Ausdruck einer Überzeugung. Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie die Partei deswegen gewählt haben und nicht aus Enttäuschung über andere Parteien. Der Hauptgrund, AfD zu wählen, ist laut einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen nach Ansicht von nur noch 27 Prozent (2019: 51 Prozent) der AfD-Anhänger ein „Denkzettel“, für 71 Prozent (2019: 45 Prozent) wird die AfD wegen ihrer politischen Forderungen gewählt. Die AfD hat mittlerweile offensichtlich einen festen Kern an Wählern und Wählerinnen für sich gewonnen.
2. Zuwanderung und Sicherheit zentrale Themen
Der Messeranschlag in Solingen hat offenbar noch einmal auch bei der Landtagswahl in Sachsen viele Wähler beeinflusst. Laut Infratest Dimap gehörten die Zuwanderung (19 Prozent) und Kriminalität oder innere Sicherheit (18 Prozent) zu den drei wichtigsten Fragen für die Entscheidung, wer wo im Freistaat sein Kreuz auf dem Wahlzettel macht. Nur die Frage nach der sozialen Sicherheit (20 Prozent) bewegt die Sachsen demnach noch mehr. Es sind also insbesondere die bundespolitischen Streitfragen wie Einwanderung, innere Sicherheit, der Ukrainekonflikt und die soziale Sicherheit, bei denen die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) punkten konnten. Zudem macht sich etwa die Hälfte der Wahlberechtigten Sorgen, den eigenen Lebensstandard künftig nicht mehr halten zu können - Tendenz stark steigend. Besonders ausgeprägt ist diese Angst bei Wählern von BSW und vor allem AfD - genau wie der Eindruck, dass sich die Lebensverhältnisse im eigenen Umfeld in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Das betrifft zum Beispiel die ärztliche Versorgung. Von den Anhängern der Grünen in Sachsen beklagen das nur 14 Prozent, beim BSW sind es 34, bei der AfD sogar 55 Prozent. Die Wähler der Grünen sind aber vor allem in den sächsischen Metropolen zu finden, in denen es im Vergleich zum Land noch mehr Ärzte und Kliniken gibt.
3. BSW und AfD mobilisieren Nichtwähler
Dem Bündnis für Sahra Wagenknecht, das erst Anfang des Jahres gegründet wurde, ist ein Blitzstart gelungen. In Sachsen kam es sofort auf ein zweistelliges Wahlergebnis. Laut Umfrageinstitut Infratest dimap befürworten 56 Prozent der Ostdeutschen eine Regierungsbeteiligung des BSW nach den Landtagswahlen. Dabei erhielt das BSW vor allem viel Zulauf vonseiten der Linken und der Nichtwähler. Das Bündnis fordert ein Ende der Ukraineunterstützung und eine Begrenzung der Zuwanderung. Im Wahlkampf hatte Sahra Wagenknecht gesagt, sie werbe gezielt um AfD-Wähler, lehne aber eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Tatsächlich hat die AfD die meisten Stimmen an das BSW verloren, während sie bei den Nichtwählern und der CDU Stimmen hinzugewonnen hat.
4. Kompetenzen verrutscht
Auffällig ist, dass die sächsischen Wähler der AfD inzwischen in wichtigen politischen Fragen mehr Lösungskompetenz einräumen als der CDU. In Sachsen liegt sie erstmals gleich bei mehreren Themenfeldern auf Platz 1: Das gilt nicht nur für die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die AfD wird mittlerweile auch von mehr Sachsen als bessere Vertreterin ostdeutscher Interessen als die CDU wahrgenommen. Gleiches gilt etwa auch für die Sozialpolitik - obwohl Kritiker ihr vorwerfen, dass sie gerade für die sozial Schwächeren wenig zu tun bereit sei.
5. Junge wählen die äußeren Ränder
Bei der Europawahl hatte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) noch alle Altersgruppen angesprochen. Bei den Landtagswahlen überzeugte es jetzt vor allem die über 60-Jährigen. Im Gegensatz dazu punktete die AfD besonders bei den Jüngeren und den Mittelalten. In Sachsen erreichte die AfD laut Forschungsgruppe Wahlen mit 30 Prozent die meisten Stimmen bei den 18- bis 29-Jährigen und ist damit stärkste Kraft in dieser Altersgruppe. Damit ist sie in etwa doppelt so erfolgreich wie die CDU in dieser Altersgruppe. Mit 33 Prozent landete sie allerdings auch bei den 60- bis 69-Jährigen knapp hinter der Union auf dem zweiten Platz. Auffällig ist zudem: Die AfD ist in Sachsen bei Männern noch deutlich stärker als bei Frauen - und bei allen unter 60-Jährigen mit niedrigeren Schulabschlüssen. Gerade bei diesen älteren Menschen geht die Sorge vor den gesellschaftlichen Veränderungen um, die mit der Globalisierung und der Digitalisierung einhergehen werden. Die Angst vor der eigenen wirtschaftlichen Zukunft ist in dieser Gesellschaftsschicht besonders ausgeprägt.
Die Grünen kommen hingegen laut Forschungsgruppe Wahlen selbst bei den unter 24-Jährigen in Sachsen nicht mal mehr auf zehn Prozent, nachdem sie bei der Landtagswahl 2019 in dieser Altersgruppe noch mit 20 Prozent die meisten Stimmen geholt hatten.
6. Alle etablierten Parteien verlieren Wähler
In Sachsen sind die etablierten Parteien SPD, Linke, Grüne und FDP eingebrochen. Die CDU blieb etwa beim gleichen Niveau. Die SPD hat mit 7,3 Prozent in Sachsen noch einmal leicht schlechter abgeschnitten als bei den Wahlen 2019. Noch deutlicher sind die Verluste für die Linke, die FDP und die Grünen. Nur die AfD und das BSW haben im Freistaat Wählerstimmen dazugewonnen. Eine Analyse von Infratest dimap zeigt: Im Vergleich zu 2019 hat die AfD in Sachsen 44.000 ehemalige CDU-Wählerinnen und -Wähler von sich überzeugt, ihr Kreuz dieses Mal bei ihnen zu setzen. Von den Linken kamen 8000 Stimmen dazu, von ehemaligen Nichtwählern 10.000. Von der SPD wechselten 5000 Wählerinnen und Wähler zur AfD, von den Grünen 4000. Auffällig: Die AfD hat auf der anderen Seite aber rund 23.000 AfD-Wählerinnen und -Wähler an das BSW verloren. ( juerg)