Die Lebenshaltungskosten kennen seit Jahren nur eine Richtung - nach oben. Alles wird im Schnitt immer teurer. Doch der besonders hohe Anstieg der Teuerungsrate in Sachsen gibt selbst Experten Rätsel auf.
Seit zwei Jahren steigen die Lebenshaltungskosten in Sachsen stärker als im Bundesdurchschnitt. Das belegt eine Studie des Dresdner Ifo-Instituts. Demnach liegt die sächsische Jahresinflationsrate um rund 0,7 Prozentpunkte über der gesamtdeutschen.
Inflation entwickelte sich seit der Wende nicht mehr so unterschieldich
Bis zum Jahr 2022 hatten sich die Verbraucherpreisindizes für Sachsen und Deutschland noch im Gleichschritt bewegt. Seither gehen diese beiden Kurven aber auseinander. 2023 betrug die Teuerungsrate in Sachsen 6,5 Prozent – bundesweit lag sie bei 5,9 Prozent. Im Jahr 2024 lag sie bei 2,9 und in Deutschland bei 2,2 Prozent. „Mit Ausnahme der Jahre nach der Wiedervereinigung gab es bislang keine solch markanten Differenzen zwischen der Verbraucherpreisentwicklung in Sachsen und Deutschland“, schreiben die Autoren der Studie. „Dies ist gerade in Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger die Sorgen um den erreichten relativen Lebensstandard und um ihre wirtschaftliche Zukunft umtreiben, mehr als nur eine Randnotiz.“ Deshalb haben sich die Ifo-Wissenschaftler auf die Suche nach den Ursachen für die höhere Inflationsrate in Sachsen gemacht - und sich den Warenkorb, durch den die Teuerung errechnet wird, einmal genauer angeschaut.


Energiekosten treiben die Teuerungsrate in Sachsen nach oben
Die Wissenschaftler fanden heraus: Die zusätzliche Inflation in Sachsen ist seit Mitte 2023 vor allem auf höhere Kosten für Strom, Gas, Fernwärme und höhere Nettokaltmieten zurückzuführen. Während im Jahr 2024 die Strompreise insgesamt in Deutschland kräftig gesunken sind, stagnierten sie in Sachsen. Bei den Gaspreisen zeigte sich ebenfalls bundesweit ein Rückgang, während sie in Sachsen weiter zulegten. Und auch bei der Fernwärme entwickelten sich die Preise gegen den Trend: Während sie sich 2023 in Bundesschnitt erhöhten, fielen sie zunächst in Sachsen. Dann schossen sie im Freistaat aber 2024 mit doppelt so hohen Teuerungsraten auf einmal sprunghaft nach oben.
Entwicklung gibt Forschern Rätsel auf
Diese Entwicklungen überraschen selbst die Wissenschaftler. Zwar unterscheiden sich die Fernwärmepreise regional stark. Allerdings werden in Sachsen mit 29 Prozent in etwa doppelt so viele Kunden mit Fernwärme versorgt wie im Bundesdurchschnitt. Dabei gilt als Faustformel: In Städten mit großen Wärmenetzen sind die Kosten meist niedriger als in kleineren Versorgungsgebieten mit weniger angeschlossenen Haushalten. So werden zum Beispiel in Dresden 80 Prozent und in Leipzig 60 Prozent der Endkunden mit Fernwärme versorgt. Für Ifo-Dresden-Chef Marcel Thum gibt es daher für diesen sprunghaften Preisanstieg in Sachsen keine wirklich überzeugende Erklärung, zumal „die Energiepreise üblicherweise auf nationalen und internationalen Märkten festgelegt werden“, wie er betont. Auch die Ursachen für die höheren Strompreise im Freistaat bleiben für die Wissenschaftler schleierhaft. „Zwar sind die Netzentgelte in Ostdeutschland im Mittel höher als in Westdeutschland“, sagt Energie-Professor Dominik Möst von der TU Dresden. „Jedoch haben sich diese in Sachsen in den letzten beiden Jahren nicht grundlegend anders entwickelt als anderswo in Deutschland.“
Mindestlohnerhöhung wirkt sich im Osten stärker aus
Preissteigerungen bei Dienstleistern wie Frisören, für die Unterbringung in Altenheimen, für Versicherungen und Gebührenerhöhungen haben den Forschern zufolge die Inflation in Sachsen ebenfalls zusätzlich nach oben getrieben. Hinzu komme die Erhöhung des Mindestlohnes. Die gilt zwar deutschlandweit. „Jedoch dürften aufgrund der regionalen Lohnunterschiede mehr Unternehmen in Sachsen von diesem Anstieg betroffen sein“, so das Ifo-Institut.
Mieten stärker gestiegen
Ein weiterer Grund für das Auseinanderdriften der Teuerungsraten: Seit dem vergangenen Sommer sind laut Ifo-Institut die Nettokaltmieten in Sachsen kräftiger gestiegen als im Bundesdurchschnitt - und zwar um 3,1 Prozent, während es bundesweit nur 2,1 Prozent waren. Dass die Eigentumsquote in Sachsen deutlich niedriger als im Bundesschnitt ist, also viel mehr Menschen zur Miete wohnen, fällt dabei zusätzlich ins Gewicht. „Insgesamt dürfte das Auseinanderlaufen der beiden Inflationsraten dazu geführt haben, dass die sächsischen Haushalte durch die zusätzlichen Preisanstiege stärker belastet werden“, resümiert Ifo-Wissenschaftler Robert Lehmann. Zum Schluss müssen aber selbst die Autoren der Studie einräumen: „Warum sich die Preisentwicklung in Sachsen abgekoppelt haben sollte, bleibt zunächst noch ein Rätsel.“ (juerg)