Wird der Verkauf von Rattengift an Endverbraucher verboten? - Schädlingsbekämpfer warnen vor Rattenplage auch in Sachsen
Möglicherweise dürfen Fressköder, denen Rattengift zugesetzt ist, im kommenden Jahr nicht mehr an Endverbraucher verkauft werden. Droht dann den Städten und Gemeinden in Deutschland eine Rattenplage?
Dresden.Ratten sind in Deutschland weit verbreitet. Das gilt vor allem für die Großstädte. Schätzungen zufolge kommen dort drei bis vier Ratten auf einen Einwohner. Das wären zum Beispiel in Chemnitz 750.000 bis zu einer Million Ratten, die vor allem in der Kanalisation oder auch gern auf Dachböden hausen.
Zulassung für Fressköder läuft aus
Schon bald könnten sich diese Nagetiere allerdings sogar noch deutlich stärker breitmachen. Davor warnt jetzt ein Zusammenschluss aus Rattengift-Herstellern und Verbänden in Deutschland in einem Brandbrief. Denn möglicherweise dürfen ab dem kommenden Jahr keine Fressköder, denen Rattengift zugesetzt ist, mehr an Endverbraucher verkauft werden. Die Zulassung für diese sogenannten Rodentizide läuft aus und die Wiederzulassung drohe zu scheitern, heißt es in dem Schreiben, das neben dem Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband auch der Industrieverband Agrar, der Agrarhandel, der Deutsche Raiffeisenverband und der Zentralverband Gartenbau unterschrieben haben.
Verbände: Städte allein mit Rattenbekämpfung überfordert
"Deutschland verzeichnet - trotz der bisherigen Bekämpfungsmaßnamen - eine sehr hohe Rattenpopulation", so die Unterzeichner in dem Brief. Dabei könne schon ein einziges Paar unter Umständen im Laufe eines einzigen Jahres für Hunderte Nachkommen sorgen. Dies mache es notwendig, schnell zu handeln, bevor die Rattenpopulation außer Kontrolle gerate. Viele Städte und Kommunen seien aber mit der alleinigen Bekämpfung der Ratten überfordert. Es fehle ihnen an Geld und Personal dafür. "Auch professionelle Schädlingsbekämpfer wären aktuell nicht in der Lage, den zusätzlichen Bedarf zu decken", so deren Verband.
Ein Verkaufsverbot der Fressköder an Privatpersonen hätte daher weitreichende negative Folgen: So steige zum Beispiel das Gesundheitsrisiko. "Ratten können bis zu etwa 120 Infektionskrankheiten übertragen, darunter potenziell tödliche Erreger wie SARS, Hantaviren oder Leptospiren", heißt es in dem Schreiben.
Profis kosten 400 Euro pro Einsatz
Zugleich warnen die Unterzeichner vor zunehmenden Hygieneproblemen in der Landwirtschaft, der Ernährungsbranche, im Einzelhandel, der Gastronomie und in den Städten und Gemeinden, sollten die Fressköder nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Alternative Methoden wie zum Beispiel Schlagfallen seien ineffizienter und zum Beispiel in Küchen nur unter strengen Auflagen erlaubt, heißt es.
Professionelle Schädlingsbekämpfer verlangten hingegen im Schnitt 400 Euro pro Einsatz. Diese vergleichsweise hohen Kosten könnten dazu führen, dass Betroffene den Befall ignorieren, sodass sich die Lage sogar noch verschärfen würde. Der Verkauf an Endverbraucher sei daher ein wichtiger Baustein für einen ganzheitlichen Bekämpfungsansatz - zumal von all den Produkten, die derzeit für Privatanwender auf dem Markt sind, bei einer korrekten Anwendung nur ein geringes Risiko ausgehe.
Wiederzulassungsverfahren läuft noch bis Ende Dezember
Die zuständige Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, kurz BAuA, kennt den Brandbrief. Eine Sprecherin weist auf Anfrage der "Freien Presse" darauf hin, dass der Ausgang des bis zum 31. Dezember laufenden Wiederzulassungsverfahrens noch offen sei. Zugleich erklärt sie aber: "Schlagfallen sind heute mehr denn je Bestandteil auch der professionellen Schädlingsbekämpfung." Bei einem größeren Befall müsse ohnehin ein Profi beauftragt werden. Denn für die dauerhafte Rattenbeseitigung sei Fachwissen unumgänglich.
Behörde für Verbot
Die Position der Behörde ist aber eindeutig: Nach deren Auffassung handelt es sich bei Rodentiziden "um hochproblematische Produkte, deren Einsatz auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt sein sollte", wie die Sprecherin auf Anfrage der "Freien Presse" erklärt. Denn die meisten Rodentizide zur Bekämpfung von Nagetieren enthielten blutgerinnungshemmende Wirkstoffe, sogenannte Antikoagulantien - und die führten nicht nur zu einem qualvollen mehrtägigen innerlichen Verbluten der Nager. Sie seien zum Teil auch nur "sehr schlecht abbaubar in der Umwelt, reichern sich in Lebewesen an und sind giftig", so die Sprecherin. Deshalb gehe von ihnen auch ein hohes Vergiftungsrisiko für Haus- und Wildtiere, die vergiftete Ratten oder die Köder selbst fressen könnten, sowie die Umwelt aus. "Dies steht grundsätzlich im Widerspruch zu den EU-Zulassungsvoraussetzungen."
Darüber hinaus seien viele Wanderratten und Hausmäusen bereits gegen Antikoagulanzien resistent. "Um die Wirksamkeit dieser Rodentizide für die tatsächlich für den Infektionsschutz notwendigen Bereiche zu erhalten, kommt dem professionellen Resistenzmanagement eine große Bedeutung zu."
Das rät die Behörde
Das Bundesamt rät Haushalten, den Ratten das Futter zu entziehen, also zum Beispiel keine Speisreste in der Toilette hinunterzuspülen oder auf dem Grundstück zu lagern, richtig zu kompostieren und Müllbehälter gut abzudichten. Zudem sollten Nist-, Eindring- und Versteckmöglichkeiten wie etwa undichte Türen, Lüftungsschächte oder Spalten im Mauerwerk ausgemerzt werden, damit sich dort keine Schadnager dauerhaft ansiedeln können.
"Vorbeugende Maßnahmen, die den Nagetieren diese Grundvoraussetzungen entziehen, haben erwiesenermaßen einen sehr großen Einfluss auf die Größe lokaler Rattenpopulationen", so die Behördensprecherin. "Denn das urbane Rattenmanagement ist eine komplexe Aufgabe, deren Bewältigung weit über die Bekämpfung einzelner Tiere oder Rudel hinausgeht. Entsprechend wichtig ist es, die Bevölkerung über Befallursachen aufzuklären und sie in das städtische Nagetiermanagement einzubinden." (juerg)