Wohlstand durch Fachkräftemangel in Gefahr: Mehrheit der Sachsen will dennoch weniger arbeiten
In Sachsen spitzt sich der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren zu. Es droht ein Wohlstandsverlust. Fachkräfte aus dem Ausland, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Mehrarbeit könnten diese Lücke schließen helfen. Ausgerechnet das alles lehnen aber viele Sachsen ab.
Chemnitz.Gaststätten schließen früher, kurzfristig ist kaum noch ein Handwerker oder ein Taxi zu bekommen, in der Pflege kommen die vorhandenen Kräfte kaum noch hinterher, bei Ämtern müssen die Bürger wochenlang auf einen Termin warten - die Folgen des Arbeitskräftemangels sind in Sachsen zwar schon jetzt allgegenwärtig. Sie werden aber noch zunehmen. Denn wie die Bundesagentur für Arbeit errechnet hat, werden bis 2030 landesweit mindestens 150.000 Erwerbstätige weniger zur Verfügung stehen. „Das bedeutet, in den kommenden Jahren braucht der Freistaat pro Jahr einen Zuzug von 5000 bis 15.000 Arbeitskräften aus dem Ausland, um seinen Wohlstand, den Lebensstandard und auch die vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern“, schlussfolgert das sächsische Wirtschaftsministerium.
Mehrheit der Sachsen gegen gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte
Gezielt Arbeitskräften aus dem Ausland anzuwerben, weil in den kommenden Jahren Zehntausende Babyboomer aus dem Berufsleben ausscheiden, befürworten aber nur neun Prozent der Berufstätigen in Sachsen. In Sachsen-Anhalt und im Saarland ist diese Quote genauso hoch, in Thüringen sogar mit lediglich sechs Prozent bundesweit am geringsten. Der Deutschland-Schnitt liegt bei 12 Prozent. Zum Vergleich: In Hamburg gibt es mit 16 Prozent der Beschäftigten die meisten Befürworter einer gezielten Fachkräfte-Anwerbung im Ausland. Das geht aus der „HDI Berufe-Studie 2024″ hervor, für die bundesweit insgesamt 3748 Männer und Frauen befragt worden sind.
Verweigerungshaltung gegenüber Künstliche Intelligenz in Sachsen weit verbreitet
Auch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI), die Rückkehr von Teilzeit zu Vollzeit oder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnen viele Sachsen ab. So gab fast jeder dritte Befragte im Freistaat an, nicht bereit zu sein, sich in die KI-Nutzung etwa durch Schulungsprogramme, auch wenn es betrieblich wichtig ist. Der Deutschland-Schnitt liegt bei 21 Prozent. In Hamburg mit 13 Prozent und in Nordrhein-Westfalen mit 14 Prozent ist der Anteil der Schulungsverweigerer nur halb so groß.
Höheres Renteneintrittsalter wird abgelehnt
Das Renteneintrittsalter auf 70 zu erhöhen, um den zunehmenden Personal- und Fachkräftemangel zu kompensieren, kommt allerdings auch nur für die wenigsten Sachsen infrage. Das befürworten genau wie in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern lediglich drei Prozent der befragten Berufstätigen. In Brandenburg sind es sogar nur zwei Prozent, während es in Bremen mit 18 Prozent bundesweit die meiste Zustimmung zu diesem Schritt gibt. Der Deutschland-Schnitt liegt bei 8 Prozent.
Mehrheit der Sachsen würde gern Teilzeit arbeiten
Stattdessen würde eine Mehrheit der Beschäftigten in Sachsen am liebsten sogar weniger arbeiten. So erklärten 55 Prozent, dass sie gern in Teilzeit gehen würden, wenn es ein entsprechendes Angebot für sie gäbe. Nur etwas höher ist dieser Wert noch in Bayern und Hessen mit jeweils 56 Prozent der Erwerbstätigen. Der Deutschland-Schnitt liegt bei 51 Prozent. Das niedrigste Interesse an Teilzeit-Arbeit gibt es in Rheinland-Pfalz mit 45 Prozent.
An ihrem Kinderwunsch lassen die Sachsen nicht rütteln
Ihren Kinderwunsch erfüllen sich die Sachsen trotzdem häufiger als andere. Während bundesweit jeder fünfte Befragte konstatierte, dass er seinen Kinderwunsch wegen schlechter Betreuungsmöglichkeiten zurückgestellt habe, war es im Freistaat nur jeder sechste bis siebente. Das ist bundesweit der zweitniedrigste Wert. Niedriger ist dieser nur noch in Schleswig-Holstein mit 14 Prozent. Der Deutschland-Schnitt liegt hingegen bei 20 Prozent. In Hessen haben sogar 26 Prozent ihren Kinderwunsch beziehungsweise den Wunsch nach weiteren Kindern zurückgestellt. Das ist der höchste Wert im Bundesländer-Vergleich. (juerg)