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Für Wohngebäude hatte das DIN-Institut eine Art Gebäude-TÜV geplant: Für die Kosten für die fast 250 Kontrollen hätten dann zum Großteil die Mieter aufkommen müssen.
Für Wohngebäude hatte das DIN-Institut eine Art Gebäude-TÜV geplant: Für die Kosten für die fast 250 Kontrollen hätten dann zum Großteil die Mieter aufkommen müssen. Bild: Jan Woitas/dpa
Sachsen
Wohngebäude-TÜV: Warum Mieter und Vermieter in Sachsen jetzt aufatmen können

Der geplante Wohngebäude-TÜV hätte richtig teuer werden können. Doch jetzt sind auch Sachsens Vermieter und Mieter erleichtert.

Chemnitz.

Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hatte einen 40-seitigen Entwurf erarbeitet, der den sperrigen Titel „Verkehrssicherheitsüberprüfung für Wohngebäude“ trägt. Konkret werden in dem Papier engmaschige Vorgaben gemacht, was Haus- und Wohnungseigentümer künftig alles regelmäßig von Fachleuten prüfen lassen sollen: Insgesamt handelt es sich dabei um fast 250 Kontrollen - und die würden ins Geld gehen.

Das alles sollte von einem Sachverständigen kontrolliert werden

Zwar haben schon jetzt alle Wohneigentümer vielfältige Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen. Das heißt, sie müssen selbst dafür sorgen, dass ihr Haus oder ihre Wohnung sicher ist. Die neuen DIN-Vorgaben würden daran nichts ändern. Dennoch sollte laut geplanter DIN-Norm künftig von einem Fachmann mit Sachkundenachweis unter anderem zusätzlich regelmäßig geprüft werden müssen, ob Dachrinnen, Schneefallgitter, Vordächer und Markisen, Rankgitter und Pflanzkästen sicher befestigt sind, ob Dachluken richtig verschlossen, Schornsteinköpfe verwittert, die Wasserabläufe frei und die Rohre dicht sind. Fassaden, Treppengeländer und Balkonverkleidungen wären demnach ebenfalls jährlich zu kontrollieren. Selbst ob die Treppen ausreichend breit sind, ob brennbare Materialien im Treppenhaus abgestellt oder ob die Treppenhausbeleuchtung richtig angebracht worden ist, sollte überwacht werden.

So viel würden die Kontrollen kosten

Selbst viele qualifizierte Mitarbeiter oder Hausmeister, die bisher für die Verkehrssicherung sorgen, haben diesen Sachkundenachweis aber nicht. Das heißt, es müsste ein Sachverständiger mit den Kontrollen beauftragt werden. René Hobusch, Chef des Eigentümerverbands Haus & Grund in Sachsen, geht dafür bei einem Einfamilienhaus von rund 1000 Euro Prüfkosten jährlich aus. Da diese Zusatzkosten zum Großteil umlegbar wären, müssten auch Wohnungsmieter von „mehreren Hundert Euro“ Mehrbelastung pro Jahr ausgehen, sagte er der „Freien Presse“. Bei Großvermietern fielen für den Gebäude-TÜV sogar schnell weit über 100.000 Euro pro Jahr an – die am Ende wiederum deren Mieter bezahlen müssten.

Haus & Grund: Das ist moderne Wegelagerei

Hauseigentümer und Vermieter haben deshalb kein gutes Haar an dem geplanten Wohngebäude-TÜV gelassen. Von „kontraproduktiv“ und „bürokratischem Wahnsinn“ war die Rede. Kai Warnecke, Präsident des Bundesverbands Haus & Grund, warf dem Ausschuss gar „moderne Wegelagerei“ vor. Auch Hobusch sprach von einem „riesigen Auftragsvolumen, das der DIN-Ausschuss seinen Mitgliedern verschaffen will“. Denn dem DIN-Institut gehören viele Vertreter aus Wirtschaft, Industrie und Handwerk an.

DIN-Normen haben oft Einfluss auf Gerichtsurteile

Die Anwendung von DIN-Normen ist zwar grundsätzlich freiwillig. Sie sind nur rechtsverbindlich, wenn in Gesetzen oder Rechtsverordnungen auf sie verwiesen wird - zum Beispiel in EU-Richtlinien. Im Streitfall dienen sie Gerichten aber sehr oft als Entscheidungshilfe, um zu beurteilen, ob jemand die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet und somit die verkehrsübliche Sorgfalt eingehalten hat. „Für Wohneigentümer, die den Gebäude-TÜV nicht machen, bedeutet das: Im Schadensfall könnten sich Versicherer auf die Nichteinhaltung dieser DIN-Norm berufen und nicht zahlen“, hatte Hobusch gewarnt.

So reagieren Sachsens Vermieter auf den Rückzieher

Nach all dieser Kritik hat der DIN-Ausschuss Anfang Mai nun entschieden, den Entwurf zurückzuziehen. „Wir sind glücklich, dass jetzt unseren Eigentümern und damit letztlich den Mietern diese Zusatzkosten für etwas völlig Überflüssiges erspart blieben“, sagt Hobusch. Erleichtert ist auch Mirjam Philipp, Chefin des Verbands der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften (VSWG), dessen Mitglieder etwa jede fünfte Mietwohnung im Freistaat bewirtschaften. „Dieses Bürokratie- und Kostenmonster Gebäude-TÜV hätte für unsere Wohnungsgenossenschaften unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet“, erklärte sie auf Anfrage der „Freien Presse“. „Die Einhaltung der Verkehrssicherheit ist für unsere Unternehmen schon all die letzten Jahre nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine gewissenhafte Selbstverständlichkeit gewesen.“ Nicht umsonst gebe es bei den Wohnungsgenossenschaften kaum Sicherheitsverstöße. „Diese Pflicht durch den TÜV noch mit bürokratischem Aufwand und anfallenden Kosten zu überfrachten, hätte in der Sache nicht weitergeholfen.“ (juerg)

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