Kostenpflichtige Früherkennung von Harn- und Nierenkrebs als überflüssig bewertet
Ärzte bieten verschiedene Leistungen auch gegen Geld an. Wissenschaftler überprüfen regelmäßig den Nutzen für Patienten. Nun liegen Ergebnisse für drei weitere Angebote vor.
Chemnitz.Jährlich erkranken rund 17.000 Menschen in Deutschland an Harnblasenkrebs. Bei weiteren 13.700 Patienten werden Veränderungen der Harnblase in einem früheren Krankheitsstadium festgestellt. Männer sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter: Männer erkranken im Durchschnitt mit 75, Frauen mit 77 Jahren.
Liegt der Verdacht auf eine Tumorerkrankung vor oder haben Patienten Beschwerden, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für einen Ultraschall der Harnblase sowie Urinanalysen. Auch im Rahmen des regelmäßigen Check-Ups zahlt die Kasse die Untersuchung von Urin auf Eiweiß, Glukose, Leukozyten, Erythrozyten und Nitrit mit einem Harnstreifentest. Dies kann Hinweise auf unterschiedliche Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes Mellitus oder Nierenerkrankungen liefern.
Wenn der Patient allerdings keine Beschwerden hat und auch nicht familiär oder beruflich vorbelastet ist, sind Ultraschall und Urinuntersuchung sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Das heißt, der Patient muss die Kosten aus der eigenen Tasche bezahlen. Nach der Gebührenordnung für Ärzte kostet der Ultraschall 11,66 Euro. Ein Harnstreifentest kostet 3,35 Euro, eine Urinzytologie 18,26 Euro und eine Untersuchung des Urins auf Biomarker 30,16 Euro. Zusätzlich können 4,66 Euro für die Beratung hinzukommen.
Allerdings bringen nicht alle Angebote, die Ärzte kostenpflichtig anbieten, nachweislich einen medizinischen Nutzen. Seit zwölf Jahren schon prüfen Wissenschaftler verschiedene IGeL-Leistungen auf ihren Nutzen und Schaden. Die zwei Untersuchungen zur Früherkennung von Harnblasenkrebs wurden dabei nun als "tendenziell negativ" bewertet. Zu der Frage, wie sich per Ultraschall und Urincheck bei symptomlosen Erwachsenen eine Krebserkrankung frühzeitig erkennen lässt, habe man keine Studien gefunden.
Indirekte Schäden für Patienten möglich
Zu demselben Ergebnis sei man bei der Ultraschalluntersuchung der Nieren zur Früherkennung von Nierenkrebs gekommen. Auch sie wird Patienten als IGeL-Leistung angeboten und kostet laut ärztlicher Gebührenordnung 11,66 Euro. Der IGel-Monitor bewertete sie als "tendenziell negativ". Nierenkrebs ist eine relativ seltene Tumorerkrankung. Jährlich erkranken etwa 14.000 Menschen in Deutschland daran, Männer fast doppelt so häufig wie Frauen.
Nützlich seien alle drei Leistungen nur, wenn Betroffene durch das frühe Erkennen einer Krebserkrankung "eine höhere Lebensqualität hätten, weniger stark von den Auswirkungen eingeschränkt wären oder seltener daran sterben würden". Allerdings seien die Checks auch nicht schädlich. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Patient durch das Ultraschallgerät verletzt würde, schreiben die Wissenschaftler. Jedoch könnten bei Früherkennungen indirekte Schäden entstehen. Ein Fehlalarm - also ein falsch-positiver Befund - oder eine Überdiagnose könnten zu unnötigen Folgeuntersuchungen und -behandlungen führen. Die Gefahr von Nebenwirkungen und Komplikationen steige.
58 ärztliche Untersuchungen ohne Nutzen
Das Team, das kostenpflichtige Leistungen prüft, besteht aus Ärzten und Wissenschaftlern. 58 Leistungen und ihre Einschätzungen können aktuell im IGeL-Monitor abgerufen werden (Stand Januar 2025). Dabei sind 28 mit "tendenziell negativ" bewertet, 23 mit "unklar", 4 als "negativ", 3 als "tendenziell positiv". Sechs sind ohne Bewertung, als "positiv" gilt keine.
Am häufigsten an Patienten verkauft wurden laut jüngstem IGeL-Report aus dem vergangenen Jahr: Der Ultraschall der Gebärmutter und/oder der Eierstöcke; die Augeninnendruckmessung mit oder ohne Augenspiegelung zur Glaukom-Früherkennung; der Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs; die PSA-Bestimmung; das Hautkrebsscreening außerhalb der Hautkrebsvorsorge der gesetzlichen Krankenversicherung; der Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung; das Blutbild zur Gesundheitsvorsorge; Vitamin-D-Messung zur Gesundheitsvorsorge und Osteopathie bei Schmerzen.
Aufklären und informieren zu den IGeL-Leistungen muss der Arzt. Er darf diese Aufgabe nicht ans Praxispersonal auslagern. Patienten haben ein Recht auf einen schriftlichen Vertrag, der die Leistungen und Kosten auflistet. Gibt es den nicht, müssen Patienten nicht zahlen, auch wenn sie die IGeL in Anspruch genommen haben.