Aue-Sportchef Heidrich nach Sechs-Tore-Gala: „Wird uns als Truppe zusammenschweißen“
Der FC Erzgebirge Aue sich mit einem 6:4-Erfolg in Sandhausen aus der Krise geballert. Geht der Fußball-Drittligist nun sogar mit einer besseren Punkteausbeute in die Winterpause als im Vorjahr?
Sandhausen.Im Vorfeld der Partie hatten die Fans, die Vereinsverantwortlichen und wahrscheinlich die Spieler des FC Erzgebirge Aue selbst mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem verrückten Spielverlauf. Das Zehn-Tore-Spektakel zwischen den Veilchen und dem SV Sandhausen geht zweifelsfrei in die Geschichte des deutschen Profifußballs ein und wird jedem Zuschauer für eine Ewigkeit in Erinnerung bleiben – insbesondere denen, die es mit den Lila-Weißen halten. Denn mit dem 6:4-Erfolg widerlegten die Erzgebirger nicht nur eine Reihe besorgniserregender Statistiken, sondern sorgten zugleich für den torreichsten Sieg der Drittligageschichte. Überhaupt fielen erst einmal zuvor in der dritthöchsten deutschen Spielklasse zehn Treffer in einer Begegnung, damals trennten sich Eintracht Braunschweig und Fortuna Düsseldorf mit 5:5 (2009).
Sijaric‘ Seitfallzieher als Bewerbung zum „Tor des Monats“?
„So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte Omar Sijaric schmunzelnd nach dem Spiel am Mikrofon von „Magenta-TV“. Der Offensivspieler der Veilchen hatte gleich mehrere Gründe für sein breites Grinsen im Gesicht. Einerseits konnte er mit seinen Teamkollegen den Negativtrend brechen und nach drei Niederlagen in Serie den ersten Sieg einfahren, andererseits erwischte der 23-Jährige einen Sahnetag. Mit dem ersten Dreierpack seiner Karriere war Sijaric nicht nur maßgeblich am Erfolg seiner Veilchen beteiligt, er bewarb sich zudem mit seinem zweiten Treffer und dem zwischenzeitlichen 3:1 des FC Erzgebirge (41.) für das „Tor des Monats“ der ARD-Sportschau. Nach einem Eckball lag der Mittelfeldspieler in der Luft, verwandelte den Ball per Seitfallzieher sehenswert zur hochverdienten Zwei-Tore-Pausenführung.
Zuvor waren die Sandhäuser ebenfalls nach einem Eckstoß durch Ex-Dynamo-Profi Jakob Lewald in Führung gegangen (10.), die Auer aber ließen sich davon nicht beirren, blieben das aktivere Team und drehten die Partie innerhalb von fünf Minuten. Sijaric (26.) und Kilian Jakob (31.) trafen nach jeweils herausragenden Spielzügen. „Ich bin grundsätzlich sehr einverstanden mit dem Auftritt. Wir sind wieder zeitig in Rückstand geraten, haben aber eine gute Reaktion gezeigt, haben Anschlusstreffer kassiert und wieder eine Antwort gefunden – das war richtig gut von der Mannschaft“, zeigte sich Interimstrainer Jörg Emmerich zufrieden mit der Leistung seiner Elf. „Das Team hat 90 Minuten an sich und seine Qualitäten geglaubt – und hat diese zumindest offensiv sehr gut auf den Platz bekommen.“
Ein wildes Scheibenschießen nach dem Seitenwechsel
Was der Ex-Veilchen-Profi nach dem Seitenwechsel zu sehen bekam, war ein wildes Scheibenschießen, bei dem seine Elf sich wie auch schon in der ersten Halbzeit nicht von Rückschlägen verunsichern ließ und postwendend zurückschlug. Mit der ersten Torchance kamen die Sandhäuser – erneut nach einem Eckball – durch Sebastian Stolze (57.) zum Anschlusstreffer. Noch als der Stadionsprecher den Namen des Torschützen in sein Mikrofon schrie, machte Sijaric seinen Dreierpack perfekt (58.). Mit nur drei Stationen waren die Veilchen aus dem eigenen Strafraum vor das gegnerische Tor gekommen und machten die aufgekommenen Hoffnungen der Heimfans innerhalb weniger Augenblicke zunichte. Nachdem Ali Loune aus der Distanz den fünften Treffer des FC Erzgebirge erzielte (71.), sendete Ex-Zwickau-Profi Dominic Baumann ein Sandhäuser Lebenszeichen und verkürzte auf 3:5 (76.). Dann folgte dasselbe Spiel: Wieder musste der Stadionsprecher seine Torverkündung unterbrechen, da die Auer direkt im Gegenzug zurückschlugen und durch Sean Seitz den alten Vorsprung wiederherstellten (77.).
„Es war der Mannschaft anzumerken, dass, nachdem sie das Spiel gedreht hatte, ein Schalter umgelegt wurde. Das Team wollte, unterstützte sich und zeigte eine geschlossene Mannschaftsleistung. Das ist eine Reaktion, die die Truppe zusammenschweißen wird“, resümierte Sportgeschäftsführer Matthias Heidrich gegenüber der „Freien Presse“. Dass die Hausherren in der Nachspielzeit durch Jeremias Lorch – erneut nach einem Eckball – zu einem weiteren Treffer kamen, änderte an dieser Ansicht nichts. Es handelte sich schließlich nur noch um Ergebniskosmetik. Interimstrainer Jörg Emmerich sagte dennoch: „Was die Defensive anbelangt, müssen wir nächste Woche noch einmal den Finger in die Wunde legen. Ich glaube, dass wir zu einfach die Gegentore bekommen haben – und drei Gegentreffer nach Standardsituationen, das sind zu viele. Wir können nicht in jedem Spiel sechs Tore schießen.“
Heidrich: „Bin froh, dass wir ein paar Statistiken losgeworden sind“
Nichtsdestotrotz überwog die Freude. Die Niederlagenserie hat ein Ende gefunden – und auch die eine oder andere besorgniserregende Statistik ist korrigiert. In den vergangenen 55 Spielen hatten die Veilchen lediglich zweimal drei Tore auf die Anzeigetafel gebracht (letztmals im Februar dieses Jahres beim 3:2-Auswärtserfolg in Halle) und waren zudem in den letzten elf Partien ohne einen einzigen Treffer in einer zweiten Halbzeit geblieben – bis jetzt. „Ich bin ganz froh, dass wir ein paar Statistiken losgeworden sind“, gestand Heidrich. Das Erfolgserlebnis können die Erzgebirger nun am nächsten Wochenende krönen. Sollte gegen 1860 München einen Heimsieg gelingen, würden sie sich trotz all der Negativerlebnisse mit einer besseren Punkteausbeute in die Winterpause verabschieden als in der Vorsaison. Ende gut, alles gut?