Aues Wunschkandidat Jens Härtel liefert einen Vorgeschmack: „Können aggressiver gegen den Ball spielen“
Am Donnerstag hat Jens Härtel seine Arbeit als neuer Cheftrainer des Fußball-Drittligisten angetreten. Nach 14 Monaten ohne einen Job brennt der 55-Jährige vor Vorfreude und Tatendrang.
Aue.Im vergangenen Jahr hatte Jens Härtel mehr Freizeit, als ihm lieb gewesen sein dürfte. 14 Monate ohne Job, das ist für einen Fußballtrainer keine einfache Zeit. Der gebürtige Rochlitzer aber scheint diese perfekt genutzt zu haben. Mit der Familie verreiste er mehr als üblich, Woche für Woche verfolgte er sowohl in den Stadien als auch vor dem Fernseher die Spiele in Deutschlands Profiligen. Zudem nutzte er die Gelegenheit, in Österreich das ein oder andere Trainingslager von Vereinen zu besuchen, um Trainerkollegen bei der Arbeit zuzusehen und sich mit diesen auszutauschen. „Auf der einen Seite tat es gut und war richtig, auf der anderen war es für mich einen Ticken zu lang“, gestand Härtel am Donnerstagvormittag, als er offiziell als neuer Cheftrainer des FC Erzgebirge Aue vorgestellt wurde.
Bei den Veilchen galt Härtel jahrelang als Wunschkandidat. Wie sowohl der Fußballlehrer selbst als auch Sportgeschäftsführer Matthias Heidrich vor dem gemeinsamen Trainingsauftakt bestätigten, hatten beide Parteien bereits im Herbst 2022 Kontakt zueinander. Damals suchte der FC Erzgebirge einen Nachfolger für den freigestellten Timo Rost, für Härtel allerdings war es offensichtlich nicht der richtige Zeitpunkt. Nichtsdestotrotz: Die Verbindung blieb bestehen – und der lange Atem der Auer Führungsriege hat sich bezahlt gemacht. Härtel, der sowohl den 1. FC Magdeburg als auch den FC Hansa Rostock in die 2. Bundesliga führte, folgt auf den am 1. Dezember 2024 entlassenen Pavel Dotchev.
Härtel: „Wir wollen das Maximum herausholen“
„Die Vorfreude ist groß. Wenn man 14 Monate als Trainer zu Hause ist, brennt man förmlich darauf, mit einer Mannschaft auf dem Platz zu stehen und mit ihr etwas erarbeiten zu wollen. Die Voraussetzungen sind gut. Die Mannschaft hat 29 Punkte geholt, das ist eine gute Ausgangsposition“, sagte Härtel in einem Eingangsstatement am Donnerstag. Der Fußballlehrer hatte im selben Atemzug lobende Worte für seine Trainerkollegen übrig: „Ein Dank gilt Pavel [Dotchev] und Emma [Jörg Emmerich] , die sich diese Punktzahl mit der Mannschaft erarbeitet haben.“
Drei Zähler beträgt lediglich der Rückstand auf den Relegationsrang. Ob sich der Trainer deshalb Aufstiegschancen ausrechnet? „Wenn du in einen Lauf kommst und das Momentum lange auf deiner Seite behältst, ist vieles möglich. Zugleich musst du immer nach hinten schauen und die gewisse Demut für diese 3. Liga haben“, sagte Härtel. „Wir werden uns heute nicht hierherstellen und das Ziel 2. Liga ausrufen. Aber wir sind ambitioniert und wir wollen das Maximum, das wir mit der Mannschaft erreichen können, herausholen. Was es bringt, werden wir zum Saisonende sehen.“
Härtel sieht Verbesserungspotenzial
In der knapp 20-minütigen Pressekonferenz am Donnerstag machte Härtel deutlich, wie sehr er für den Job bei seinem neuen Arbeitgeber brennt. „Es ist ein toller Verein. Wenn man sieht, was hier entstanden ist. Wenn man sieht, was dieser Verein in einer Stadt mit nur 18.000 Einwohnern für eine Wucht entwickelt. Wenn man das Spiel gegen 1860 München sieht, was für eine tolle Choreografie es gab, wie viele Fans da waren und was für eine Energie an diesem Standpunkt herrscht – ist es klar, dass es Spaß macht, hier zu arbeiten“, schwärmte Härtel.
Der Trainer, der bereits die Spiele des FC Erzgebirge gegen den SV Sandhausen (6:4) und dem TSV 1860 München (3:1) vor dem Fernseher beziehungsweise im Stadion verfolgte, will die knapp 15-tägige Vorbereitungszeit auf die Rückrunde, insbesondere das Trainingslager in Belek (4. bis 11. Januar) nutzen, um die Mannschaft näher kennenzulernen und dem Team seinen Stempel aufzudrücken. „Wir können schon noch etwas aktiver und aggressiver gegen den Ball spielen“, urteilte Härtel, der sofort daran ansetzen möchte, offensichtlich gewordene Schwächen zu verringern. „Punkt eins ist – und da können wir uns auch auf die Statistik berufen: Mit 34 Gegentoren sind wir das Schlusslicht der oberen Tabellenhälfte“, so der Trainer, der insbesondere Verbesserungspotenzial im Verteidigen von Standardsituationen und im Spiel gegen den Ball sieht.
Härtel ist bei all seinen Stationen durch einen intensiven Fußball aufgefallen, verlangte von seinen Spielern stets Mentalität, etwas, das nahezu perfekt zum FC Erzgebirge passt – oder nicht? „Das ist mein großer Wunsch“, sagte Härtel und lieferte prompt einen Vorgeschmack: „Ich mag es, wenn Verteidiger eine Grätsche abfeiern oder jubeln, wenn sie einen Gegentreffer verhindern. Das ist am Ende genauso viel wert wie ein erzielter Treffer“, meint der Trainer, der allerdings nicht nur mehr Mentalität ins Spiel der Veilchen bringen will, sondern mehr Flexibilität, um auf Geschehnisse im Spiel oder Matchpläne des Gegners Einfluss zu nehmen. Das fehlte unter Pavel Dotchev, da dieser zumeist an seinem Spielsystem festhielt. „Es gehört für mich dazu, dass eine Mannschaft Dreier-, Vierer- oder Fünferkette spielen kann, um kurzfristig Dinge anzupassen, so Härtel. Ist dies der Start einer erfolgreichen Zusammenarbeit?