Mitgliederversammlung des FC Erzgebirge Aue: Eine „rote“ Null und eine Empfehlung für Testspiele gegen RB Leipzig
Der Fußball-Drittligist hat ein aus finanzieller Sicht gelungenes Geschäftsjahr hinter sich. In ruhigem Fahrwasser befindet sich der Verein aber noch nicht.
Aue.Die Zahlungsfähigkeit des FC Erzgebirge Aue für die laufende Drittligasaison 2024/25 ist sichergestellt, die Liquiditätslage aber bleibt angespannt. Das haben sowohl die Vereinsverantwortlichen als auch die Wirtschaftsprüfer den Mitgliedern bei der Jahreshauptversammlung am Freitagabend mitgeteilt. Vereinspräsident Roland Frötschner sprach von einer „gefährlichen Zeit“.
Finanzvorstand Schlesinger: „Wir haben einen krebskranken Patienten übernommen“
Der Jahresabschluss des Geschäftsjahres 2023/24 beträgt 13,176 Millionen Euro, der Fehlbetrag weist lediglich eine Summe in Höhe von 3000 Euro auf, weshalb der FC Erzgebirge Aue unterm Strich eine „rote“ Null erzielt hat. Diese Bilanz erscheint positiv, doch sowohl Finanzvorstand Thomas Schlesinger als auch Kassenprüfer Sören Ulrich warnten, die Finanzlage fehlzuinterpretieren.
Seit dem Amtsantritt im Herbst 2022 haben die Vereinsverantwortlichen versucht, einen bestehenden Verlustbetrag in Höhe von 2,8 Millionen Euro auszugleichen. Im vergangenen Geschäftsjahr ist dieses Vorhaben allerdings erneut nicht gelungen. Wie Schlesinger sagte, habe der Vorstand einen Krebspatienten übernommen und bislang zwei Millionen Euro ausgeglichen. „Vor zwei Jahren haben wir den Primärtumor entfernt und in einer Not-OP versucht, den größten Schaden vom Verein fernzuhalten. Aber jeder, der die Krankheit kennt, weiß: Danach ist nicht Schluss, sondern dann beginnt der Kampf. So war es auch bei uns“, beschreibt Schlesinger den Prozess der letzten 24 Monate. Die Vereinsführung habe eine Strahlentherapie durchgeführt, um den Umsatz zu erhöhen und Zusatzeinnahmen zu generieren, bei der Chemotherapie jedoch seien trotz aller bereits ausgeschöpften, medizinischen Möglichkeiten Metastasen aufgetaucht, erklärt der Finanzvorstand. Konkret habe die Clubspitze Verträge geerbt, von denen der FC Erzgebirge alles andere als profitiere. Exemplarisch hierfür: Wie eine Auflistung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zeigen soll, besitze der Drittligist den offenbar schlechtesten Cateringvertrag aller Proficlubs. „Mit schlecht meine ich nicht die Qualität des Essens, sondern den Ertrag, der am Verein aus dem Umsatz des Caterers – etwa zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Euro – hängen bleibt“, sagte Schlesinger. Problem: Der Vertrag sei über eine Laufzeit von 25 Jahren geschlossen worden.
Letzten Endes betrage die noch offene Schuldensumme knapp 820.000 Euro. Um das Überleben des Vereins in der 3. Liga zu sichern, müsse der FC Erzgebirge die „sparsame Haushaltsplanung weiter fortsetzen“, erklärte Kassenprüfer Sören Ulrich. Hintergrund: Am 30. Juni wies das Eigenkapital 125.000 Euro auf – eine zu geringe Summe, um größere Verluste aufzufangen. Die Vereinsführung will den Betrag schnellstmöglich ausgleichen. Denkbar wäre, dass erneut der Rotstift am Profikaderetat angesetzt werden könnte. Hier hat der Vorstand schon im letzten Jahr Kosten eingespart. Der Etat betrug zuletzt 5,0 Millionen Euro – unter der alten Führungsriege waren es noch 5,8 Millionen Euro.
179 Ja-Stimmen: Testspiele gegen RB Leipzig „wagen“
Finanziell helfen würde die Rückkehr in die 2. Bundesliga. Der starke Start in die laufende Drittligasaison hatte bei einigen Fans bereits Erwartungen geweckt. Sportgeschäftsführer Matthias Heidrich drückte nochmals auf die Bremse: „Wir sind, was alle Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, insbesondere wirtschaftlicher Natur angeht, nur Mittelmaß. Das, was gerade passiert, ist das absolute Limit. Wir müssen immer ans Limit gehen“, so der Ex-Profi, dann könne die Mannschaft jeden schlagen.
Heidrich war es auch, der im Sommer ein Testspiel mit dem Fußball-Bundesligisten RB Leipzig vereinbarte – und damit Unruhe im Verein auslöste. Bei der Mitgliederversammlung wurde die Thematik nochmals aufgegriffen. Der Ehrenrat als höchstes Organ des FC Erzgebirge verfolgte in der Saisonvorbereitung die mitunter hitzige Debatte zwischen den gespalteten Fanlagern und sah im Zuge dessen den Vereinsfrieden in Gefahr, bat deshalb nun um eine Abstimmung bei der Jahreshauptversammlung. Sollen die Veilchen auch in Zukunft Testspiele gegen RB Leipzig vereinbaren oder nicht – so lautete die entscheidende Frage. Nach einigen Redebeiträgen kamen die bunten Kärtchen zum Vorschein: 179 der insgesamt 392 Mitglieder stimmten dafür, 148 dagegen. „Es ist ganz wichtig: Dies ist keine Entscheidung, sondern eine Empfehlung der Mitglieder an den Vorstand, in Zukunft Testspiele gegen RB Leipzig zu wagen“, resümierte Versammlungsvorsitzender Jens Haustein.
Einig waren sich die Mitglieder hingegen bei dem Thema Sportgerichtsbarkeit der Verbände. Die aktive Fanszene des FC Erzgebirge Aue hatte den Antrag eingereicht, dass sich der Verein künftig aktiv in Bundes-, Regional- und Landesverbänden für einen Umbruch in der fanbezogenen Strafenpolitik einsetzt und sich fortan kritisch mit der Strafen- und Sanktionspolitik sowie der Sportgerichtsbarkeit der Verbände beschäftigt. Mit großer Mehrheit stimmten die Mitglieder dem Antrag zu. Es war der letzte Höhepunkt der diesjährigen Jahreshauptversammlung.