Zehn-Tore-Spektakel und Sijaric-Dreierpack: FC Erzgebirge Aue schießt sich den Frust von der Seele
Das torreichste Spiel der Drittligageschichte: Die Veilchen haben beim SV Sandhausen mit 6:4 (3:1) gewonnen und für gute Stimmung bei den 279 mitgereisten Fans gesorgt.
Sandhausen.Der FC Erzgebirge Aue hat sich den Frust der letzten Wochen im wahrsten Sinne des Wortes von der Seele geschossen und mit dem torreichsten Spiel der Drittligageschichte für einen Stimmungsumschwung im Lößnitztal gesorgt: Mit dem 6:4 (3:1)-Erfolg am Samstagnachmittag beim ebenfalls kriselnden SV Sandhausen haben die Veilchen einen verdienten Auswärtssieg eingefahren und zudem den torreichsten Erfolg seit Januar 2023 eingefahren. Damals gab es ein 4:0 gegen Bayreuth.
“Ich hoffe, dass wir auf die Leistung in Ingolstadt aufbauen und wir in der Offensive effizienter werden“, hatte Interimstrainer Jörg Emmerich im Vorfeld der Partie gesagt. Bei der 0:1-Niederlage in der Vorwoche waren die Veilchen defensiv stabil und kompakt aufgetreten, hatten sich zudem gute Möglichkeiten herausgespielt, um mindestens einen Treffer zu erzielen und damit etwas Zählbares mitzunehmen. Vor dem gegnerischen Tor allerdings fehlte den Erzgebirgern sowohl die nötige Cleverness als auch das nötige Glück. Nichtsdestotrotz konnte Emmerich mit der Leistung seines Teams zufrieden sein, weshalb er in Sandhausen nahezu auf dieselbe Startelf setzte. Lediglich eine Veränderung nahm der Ex-Profi vor: Ali Loune begann im defensiven Mittelfeld für den verletzungsbedingt fehlenden Erik Majetschak.
Auf der Gegenseite musste der Sandhäuser Cheftrainer Sreto Ristic gleich viermal seine Startelf umbauen: Im Vergleich zum 0:1 in Rostock begannen Lukas Wolf, Sebastian Stolze und Ex-FC-Erzgebirge-Profi Marco Schikora für Niklas Kreuzer, David Otto und Niklas Lang. Außerdem musste mit Dennis Gorka die etatmäßige Nummer drei zwischen die Pfosten.
Sijaric trifft per Seitfallzieher
In der Kurpfalz waren die Veilchen die aktivere Mannschaft, die erste Torchancen hatten allerdings die Hausherren – und diese brachte zugleich den ersten Treffer des Tages. Nach einer Ecke bekamen die Auer den Ball nicht weit genug aus dem Strafraum, ein Schuss von Sebastian Stolze landete schließlich vor den Füßen von SVS-Kapitän und Ex-Dynamo-Dresden-Profi Jakob Lewald, der den Ball sehenswert im Stile eines Angreifers aus elf Metern in den Winkel schlenzte. Wieder einmal mussten die Erzgebirger einem Rückstand hinterherlaufen, gerade einmal zehn Minuten waren da gespielt.
Doch die Emmerich-Elf blieb aktiv, ließ sich von dem Gegentor nicht beirren und näherte sich nach und nach dem gegnerischen Strafraum. Die beste Möglichkeit hatte Rechtsverteidiger Pascal Fallmann, sein Schuss nach Vorarbeit von Marcel Bär war allerdings zu zentral geraten (17.). Einige Minuten später meldeten sich die Veilchen endgültig zurück: Angreifer Bär flankte vom linken Flügel in den Strafraum, dort legte Fallmann überragend per Direktabnahme auf Omar Sijaric quer, der zum 1:1-Ausgleich einschob (26.) – es war ein grandios herausgespieltes Tor. Kurz darauf jubelten die Lila-Weißen erneut: Niko Vukancic schickte Kilian Jakob mit einem Flugball über das halbe Feld in die Tiefe, vor dem Keeper blieb der Linksaußen eiskalt und verwandelte ins kurze Eck (31.).
Bei den Gästen lief nun alles, denn noch vor dem Seitenwechsel erzielten die Auer den dritten Treffer, zugleich den schönsten des Spiels, vielleicht sogar des Monats. Nach einer Ecke setzte Omar Sijaric zum Seitfallzieher an und versenkte den Ball im langen Eck. Für den Rechtsaußen war es das dritte Tor in den letzten drei Spielen, für den FC Erzgebirge war es zudem das erste Mal in dieser Saison, dass sie drei eigene Treffer auf die Anzeigetafel bekamen – etwas, das den Veilchen zuvor in 55 Spielen lediglich zweimal gelungen war, letztmals im Februar dieses Jahres beim 3:2-Auswärtserfolg in Halle. Und dabei waren gerade erst 45 Minuten gespielt.
Eine Sechs-Tore-Halbzeit
Die zweite Halbzeit hatte es noch einmal so richtig in sich. So viel vorweggenommen: Beide Abwehrreihen offenbarten einige Lücken, die Veilchen zeigten sich eiskalt vor dem gegnerischen Tor und steckten Nackenschläge eiskalt weg. Einen ersten solchen gab es in der 57. Spielminute: Erstmals tauchten die Sandhäuser nach dem Seitenwechsel in der Auer Hälfte auf, wieder war es ein Eckball, der einen Gegentreffer zur Folge hatte. Beim ersten Tor waren die Veilchen zu langsam aus dem Strafraum gerückt und hatten dadurch das Abseits aufgehoben, nun ließen sie Sebastian Stolze an der Strafraumkante ungedeckt. Völlig freistehend traf der Rechtsaußen per Direktabnahme zum Anschlusstreffer. Gerieten die Veilchen nun noch einmal ins Wanken?
Nein, denn die Erzgebirger stellten den Zwei-Tore-Vorsprung direkt im Gegenzug wieder her: Martin Männel spielte einen langen Ball, Bär verlängerte per Kopf und Sijaric verwandelte das Zuspiel ins lange Eck (58.). Sijaric, der Anfang Dezember erstmals nach über einem Jahr ein Drittligator erzielte, schien sich mit seinem ersten Dreierpack im Profifußball endgültig den Frust von der Seele geschossen zu haben. Im Anschluss hatten die Veilchen ein wenig Glück – und in Martin Männel einen starken Rückhalt, denn die Sandhäuser kamen durch die eingewechselten Emmanuel Iwe (61.) und David Otto (63.) zu guten Möglichkeiten, die Männel allerdings vereitelte. Dann jubelte Lila-Weiß erneut: Nach einem tollen Angriff zog Ali Loune aus 25 Metern direkt ab, verwandelte sehenswert ins linke, untere Eck zum 5:2 (71.).
Damit aber nicht genug: Ex-FSV-Zwickau-Profi Dominic Baumann sendete mit seinem Treffer ein Sandhäuser Lebenszeichen (76.), doch die Veilchen schlugen postwendend zurück. Noch während der Stadionsprecher den Torschützen verkündete, stellte der eingewechselte Sean Seitz zum 6:3 für den FC Erzgebirge Aue (77.) – ein Ergebnis, das hätte noch ganz anders ausgehen können, so hatten sowohl die Auer als auch die Sandhäuser gute Gelegenheiten, die sie allerdings nicht immer perfekt ausspielten. In der Nachspielzeit erzielte Jeremias Lorch noch das dritte Standardtor der Hausherren an diesem Tag, am Ausgang aber änderte das nichts: Der FC Erzgebirge Aue siegte hochverdient und spektakulär zugleich – und widerlegte zu dem alle Statistiken. Elf Spiele lang hatten die Veilchen keinen Treffer in der zweiten Hälfte erzielt, diesmal gleich drei.
Statistik
Sandhausen: Gorka - Lorch (V), Schikora, Lewald - Stolze (74. Kreuzer), Wolf (67. Maciejeweski), Mühling (V), Ehlich (59. Carls) - Greil (46. Otto) - Baumann, Fehler (46. Iwe)
Aue: Männel - Fallmann (89. Burghardt), Nkansah (V), Vukancic (V), Rosenlöcher - Pepic, Loune (89. Fabisch) - Sijaric (83. Bornschein), Tashchy (89. Clausen), Jakob (66. Seitz) - Bär
SR.: Schwengers (Travemünde). Zu.: 3188. Tore: 1:0 Lewald (10.), 1:1 Sijaric (26.), 1:2 Jakob (31.), 1:3 Sijaric (41.), 2:3 Stolze (57.), 2:4 Sijaric (58.), 2:5 Loune (71.), 3:5 Baumann (76.), 3:6 Seitz (77.), 4:6 Lorch (90.+5)