Chemnitz 2025: Sind Bürger bei der Kulturhauptstadt Mitmacher oder Zuschauer?
Das vollständige Programm der Kulturhauptstadt wird erst Ende Oktober bekanntgegeben. Konturen zeichnen sich dennoch ab. Werden dabei Eliten bedient oder finden sich die Chemnitzer darin wieder?
Chemnitz.Zu den Standardaussagen des Programmgeschäftsführers der Kulturhauptstadt gGmbH Stefan Schmidtke gehört seit seinem Amtsantritt im Dezember 2021: „Nicht wir machen die Kulturhauptstadt, die macht ihr!“ Das Unternehmen soll also den Rahmen setzen, in denen Chemnitzer und Bewohner der Region sich verwirklichen können.
Die Kritik, dass sich jedoch die Bürger nicht mitgenommen fühlen, erlebte 2023 einen Höhepunkt, hält aber bis heute an. Das ist bei öffentlichen Diskussionen zu hören, steht in Leserbriefen, vor allem aber in Online-Plattformen. So fragt der Unternehmer Lars Fassmann: „Wo sind die ganzen versprochenen Projekte und wo ist deren versprochener Tiefgang?“
Zu den Einwänden gehört der Hinweis, dass ein Großteil der im Bidbook II, also der finalen Bewerbungsschrift, aufgeführten Projekte Eigenproduktionen der gGmbH oder kommunaler Institutionen sind und darum die Bevölkerung nicht einbeziehen. Tatsächlich wird auch im zweiten Monitoringbericht der EU-Kommission, der vor einem Jahr erschien, beanstandet, dass von den 63 Projekten 21 selbst organisiert werden. Die Kommission fragt, ob das in guter Qualität geleistet werden kann, aber auch, wie es mit der nachhaltigen Wirkung nach 2025 aussieht.
Eigenproduktion versus Basisarbeit?
Auf Nachfrage gibt die gGmbH bekannt, dass nach Prüfung der Machbarkeit 13 der im Bidbook verzeichneten Projekte gestrichen wurden. Stefan Schmidtke sagt: „Nicht die Anzahl der umgesetzten Projekte aus dem Bewerbungsbuch ist entscheidend. Es geht vielmehr darum, ein Programm zu entwickeln, das viele lokale Akteure beteiligt und auch in der Zukunft befähigt, große, und auch internationale Projekte umzusetzen. Wir arbeiten mit über 100 unterschiedlichen Projektpartnern zusammen. Ziel ist es, neue Netzwerke aufzubauen, sowohl lokal als auch international.“
Von den 50 verbliebenen Vorhaben gehören unter anderem die neu konzipierte Baumpflanzaktion wie auch die „3000 Garagen“ zu den sogenannten Eigenproduktionen. Diese Flaggschiffprojekte sind auf die Einbeziehung vieler Einwohner angelegt und sollen Wirkung über 2025 hinaus entfalten. Ob das gelingt, muss beobachtet werden.
Raus aus der Blase
Die Munch-Ausstellung in den Kunstsammlungen als ein Projekt kann nicht mit Bürgerbeteiligung stattfinden. Auch das Hut-Festival wird zentral organisiert. Doch viele Vorhaben städtischer Einrichtungen sind nicht so abgeschottet wie es scheinen mag. Das Kosmos-Festival ist ein Beispiel. Vereine und Initiativen haben dort nicht nur ihre Stände aufgebaut, sondern aktiv an der Vorbereitung mitgewirkt. Sogar zur Oper nach dem Roman „Rummelplatz“ von Werner Bräuning gehört eine offene Schreibwerkstatt.
Andererseits sind nicht alle von freien Trägern organisierten Projekte auf eine Massenwirkung ausgerichtet. Eine pauschale Beurteilung erscheint darum fragwürdig.
Über das Bidbook hinaus
Zur Ergänzung des Bidbooks wurden fünf thematisch ausgerichtete Open Calls ausgeschrieben. Für zwei davon ist die Auswahl bekannt. Die 24 neuen Projekte werden durchweg von Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen getragen. Dazu gehören die deutschen Poetry-Slam-Meisterschaften 2025 oder die sinfonische Aufbereitung der Chemnitz-Hymne von Arba Manillah durch eine Vielzahl von Musikern für die Eröffnungsfeier.
Seit 2017 läuft zudem das Programm der Mikroprojekte, in dem hunderte kleine Vorhaben bereits umgesetzt werden konnten. Es zeichnet sich durch unbürokratische Antragstellung und Abrechnung sowie den fehlenden Zwang zu Drittmitteln aus.
Erst im Mai wurde mit „Euja!“ ein weiteres Programm der niederschwelligen Beteiligung aufgelegt, das noch Bewerbungen bis Mitte 2025 zulässt. Und schließlich gibt es die 30 Interventionsflächen, von denen die 16 in den Stadtteilen und Vororten verteilten ebenfalls das Ziel haben, langfristige Aktivitäten vor Ort anzustoßen.
Von vielen Projekten ist noch nicht absehbar, ob sie die formulierten Ansprüche einlösen können. Das Gesamtprogramm der Kulturhauptstadt ist aber darauf ausgerichtet, dass kein Strohfeuer abbrennt, sondern Initiativen sich verstetigen. (kas)