Mediziner made in Chemnitz: Der Campus ist eröffnet
In Sachsens drittgrößter Stadt werden erstmals Ärztinnen und Ärzte ausgebildet - in einem Modell mit Vorbildcharakter, das das Medizinstudium in ganz Deutschland verändern könnte.
Große Bühne für angehende Ärzte: Mit einem Festakt im Opernhaus ist am Freitag der Medizincampus Chemnitz eröffnet worden - ein bundesweites Modellprojekt, in dem die Medizinische Fakultät der TU Dresden und das Klinikum Chemnitz bei der Ausbildung von Medizinern kooperieren. Jedes Jahr werden so 50 Studierende der Humanmedizin neu aufgenommen. Nach dem Prinzip des fächerübergreifenden Lernens werden sie in einem vollwertigen Studium hauptsächlich in Chemnitz unterrichtet. Ziel ist es, Ärztenachwuchs für die Region in der Region zu schaffen.
"Das praxisnahe und bedarfsorientierte Studium ist ein großer Gewinn für die zukünftige medizinische Versorgung in Südwestsachsen", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und verwies auf die Sonderstellung dieses Projekts. Medizinstudium sei Ländersache, in diesem Fall aber komme auch in großem Umfang Geld und Unterstützung aus Berlin.
Der Modellstudiengang Medic (Medizin in Chemnitz) war im Coronaherbst 2020 mit den ersten 50 Studierenden an den Start gegangen. Diese lernten pandemiebedingt vorwiegend am Computer, wobei hier auch generell verstärkt auf digitale Elemente in der Lehre gesetzt wird. Mit dem Wintersemester 2021/2022 kommen nun weitere 50 Studierende hinzu, viele von ihnen aus der Region. Da das Studium sechseinhalb Jahre dauert, könnten in Chemnitz perspektivisch bis zu 350 Studenten zugleich ihre humanmedizinische Ausbildung erhalten.
"Wir dürfen Dinge anders, moderner machen", sagte Professor Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. Anders als im Regelstudiengang lernen die Studierenden am Medizincampus Chemnitz, der sich am Klinikum befindet, bezogen auf einzelne Organsysteme, wie den Thorax oder das Nervensystem, also fächerübergreifend. Dabei sind theoretische Grundlagen eng verzahnt mit der praktischen Ausbildung. Die Studierenden werden vom ersten Semester an in die medizinische Betreuung der Patienten einbezogen.
Medic wird zunächst bis 2023 von Bund und Land mit über 20 Millionen Euro gefördert. Danach, so kündigte der Ministerpräsident in Chemnitz an, wolle der Freistaat eine jährliche Finanzierung von 10 Millionen Euro sicherstellen. Noch fehlten auch Räumlichkeiten in Chemnitz. "Es wird deutlich, dass noch einmal gebaut werden muss", sagte Kretschmer.
Die Stadt Chemnitz unterstützte die Einführung des neuen Studiengangs und stellte die Flächen für den Campus bereit. "Wir freuen uns auf die neuen Studentinnen und Studenten in Chemnitz", sagte Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD). Der Ärztemangel werde in der Region in den kommenden Jahren leider weiter zunehmen. "Doch ich bin zuversichtlich, dass einige der Studierenden auch hierbleiben und sich niederlassen."
Mariam Arnold gehört zu den ersten Studierenden am Medizincampus Chemnitz. Die 24-Jährige stammt aus Mainz, absolvierte eine Ausbildung zur operationstechnischen Assistentin und arbeitete zunächst in Berlin. Inzwischen studiert sie im dritten Semester im Modellstudiengang Medic. Sie lobt die 1:1-Betreuung und die Ausbildung am Klinikum: "Die Leute haben total Lust, mit uns zu arbeiten." Als deutsche Muslima habe sie anfangs Bedenken gehabt, hierher zu kommen. Heute sagt sie: "Ich bin begeistert von Chemnitz." Ein tolles Signal sei auch der Titel europäische Kulturhauptstadt gewesen. "Mein Ehemann und ich sind gerade dabei, unseren Hauptwohnsitz von Berlin nach Chemnitz zu verlegen."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der per Videokonferenz zugeschaltet wurde, sprach von verzerrten Bildern, die in mancher großen Universitätsstadt über die Arbeit von Ärzten im ländlichen Raum gezeichnet würden. "Deswegen ist es so wichtig, dass das Studieren in die Fläche kommt." Den Medizincampus Chemnitz bezeichnete Spahn als vorbildhaft für ganz Deutschland. "Ziel ist es, dass sich nach diesem Vorbild dann auch andere Hochschulen umstellen." Man sei gerade dabei, die Approbationsordnung der Ärzte zu überarbeiten. Auch hier könnten wichtige Impulse aus Chemnitz kommen.