„Leser helfen“ im Erzgebirge: Wenn jeder Tag ein Kampf ums Überleben ist
Ein schwerkranker Sohn, der täglich gegen seine Schmerzen kämpft. Ein schwerkranker Ehemann, der im Rollstuhl sitzt. Und ein Haus, das eine Baustelle ist. Eine Bärensteiner Familie braucht viel Hilfe.
Bärenstein.Wenn Verzweiflung ein Gesicht hätte, wäre es momentan wohl das von Katrin Schmiedel aus Bärenstein. Die 58-Jährige hat nach mehreren Schicksalsschlägen in den vergangenen Jahren kaum noch Kraft für all die Herausforderungen, die sie täglich bewältigen muss. „Freie Presse” will mit ihrer aktuellen Aktion „Leser helfen” ihr und ihrer Familie wieder etwas Hoffnung spenden.
Die Krankheit frisst sich Stück für Stück durch den Körper
Vor 20 Jahren erhielten die Schmiedels die erste niederschmetternde Diagnose: Bei dem damals 17-jährigen Sohn René wird ein faustgroßer Knochentumor am Ischias festgestellt. Ein Jahr später folgt eine große Operation in München. Der Krebs scheint besiegt. Es bilden sich in der Folge auch keine sichtbaren Metastasen. Doch die Krankheit entpuppt sich als heimtückisch, frisst sich nahezu ungesehen Stück für Stück durch den Körper. Die untersten Wirbel werden angegriffen – ebenso die Hüfte. Vor zwei Jahren müssen dem Bachelor of Engineering im Bereich Kunststofftechnik, der für die Hock Sachsen GmbH in Grünhain-Beierfeld und zuletzt für die Kabelkonfektion Unger als Qualitätsingenieur gearbeitet hat, ein Bein und ein Teil von Becken und Wirbelsäule amputiert werden.
Seine Frau verlässt ihn in der schwierigsten Zeit seines Lebens. Das verschlimmerte die seelische Belastung. Die schlimmen Gedanken verschwanden wieder. Die Schmerzen nicht. Und die sind mittlerweile so stark, dass er kaum noch im Rollstuhl sitzen kann. Notwendige Fahrten, wie zum Beispiel zum Palliativteam nach Dresden, sind nur noch auf einer Vakuummatratze im Rettungswagen möglich. René Schmiedels Körper streikt. Im Kopf aber will der 37-Jährige klar bleiben, weiß seine Mutter.
Ein täglicher Kampf ums Überleben. Doch die 58-Jährige kann ihrem Sohn dabei nur bedingt helfen. Denn seit Beginn des Jahres muss sie sich um ihren ebenfalls schwerkranken Mann André kümmern, der nach einer Sepsis und mehreren Amputationen ebenfalls auf den Rollstuhl sowie 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche auf Hilfe angewiesen ist. Der zweite schwere Schicksalsschlag, der erneut alle Pläne der Familie zunichte machte. Denn eigentlich wollten sie das Haus, das sie im Mai vorigen Jahres oben am Birkenweg gekauft hatten, rollstuhlgerecht für René Schmiedel umbauen. Doch die Baustelle ruht seit Januar weitgehend. Denn die einst so geschickten Hände von André Schmiedel können nach der Amputation von sechs Fingerendgliedern die notwendigen Handwerksarbeiten nicht mehr verrichten. Auch Herzstillstand, multiples Organversagen und Koma haben Spuren hinterlassen: „Wir können nicht einschätzen, was in seinem Gehirn geblieben ist“, sagt Katrin Schmiedel. Das Langzeitgedächtnis funktioniere noch, das Kurzzeitgedächtnis überhaupt nicht. „Ähnlich wie bei einer Demenz“, schildert sie die Situation.
Der dringendste Wunsch: ein Kleinbus, in den zwei Rollstühle passen
Eine Situation, die sie mehr und mehr an das Ende ihrer Kräfte bringt und die ohne die große Unterstützung aus Familie und Freundeskreis sowie von ehemaligen Arbeitskollegen nicht mehr zu bewältigen wäre. „Ohne hätte ich es nicht bis hierher geschafft“, räumt Katrin Schmiedel ein. So steht beispielsweise das Pflegebett von Sohn René derzeit im Haus der Großeltern in Bärenstein. Seine 78-jährige Oma, einst selbst an Brustkrebs erkrankt, betreut ihn mit dem über 80-jährigen Opa.
Selbst ist die 58-Jährige mit ihrem 58-jährigen Mann aus der Eigentumswohnung in eine kleine Wohnung in der Residenz in Bärenstein gezogen. Dort gibt es unter anderem einen Lift für den Rollstuhl. Die Wohnung ist ebenfalls weitgehend rollstuhlgerecht. Hilfe bei der Bewältigung des Alltags bietet zudem die Tagespflege im Ort, in der André Schmiedel von montags bis freitags jeweils von 8.30 Uhr bis 15.30 Uhr betreut, beschäftigt und therapeutisch behandelt wird.
Hilfe benötigt die Familie also in vielerlei Hinsicht. Denn auch Hilfsmittel seitens der Krankenkasse müssen oft hart erkämpft werden – so wie beispielsweise die elektrische Schiebehilfe für den Rollstuhl oder die Aufstehhilfe für die Wohnung. Der dringendste Wunsch aber ist ein Kleinbus, in den zwei Rollstühle passen. (af)