Fynn Haskin mit "Der Mondmann - Blutiges Eis": Grauenvolle Morde und Angst vor Dämonen
Die Spannung in Fynn Haskins Grönlandthriller ist eine eiskalte
Jens Lerby ist Profiler in Kopenhagen, ein griesgrämiger, aufbrausender Polizist, und er hasst die Kälte. Ausgerechnet er wird - eine Art Strafmaßnahme und deshalb keineswegs freiwillig - nach Grönland geschickt, nach Illokarfiq, ein etwa 2000 Einwohner umfassendes und ziemlich heruntergekommenes Kaff. Ein Inuit ist auf grauenvolle Weise ermordet worden, zwei weitere Tote folgen. Immer ist es die gleiche Art: Die Opfer werden von etwas wie riesigen Walrosszähnen durchbohrt. Bald kommt unter den Einheimischen das Gerücht auf, ein Dämon, genauer ein Tupilaq, Mischwesen aus Walross und Polarwolf, würde sein Unwesen treiben. Lähmende Angst macht sich breit, und keiner glaubt dem Mann aus Kopenhagen, der mit dem Aberglauben nichts anfangen kann und eher von einem Täter aus Fleisch und Blut überzeugt ist.
Fynn Haskin, 1969 geboren, Reisejournalist und Weltenbummler, erzeugt eiskalte Spannung mit seinem Grönland-Thriller "Der Mondmann - Blutiges Eis". Sein Protagonist hat es nicht leicht in der Abgeschiedenheit, ist er auch alles andere als ein Sympathieträger, und er findet anfangs überhaupt keinen Zugang zur Kultur, der Sprache, zu den Bräuchen, Mythologien und Traditionen der Inuit. Bei seinen Recherchen kommt Lerby mit Schamanen, Weisen und einsam lebenden alten Jägern ins Gespräch, die ganz allmählich auch seinen eigenen, inneren Panzer auftauen. Er muss sich anpassen an deren Lebensweisen, in denen Traditionen und Ängste bis in heutige Zeiten lebendig sind. Hilfe bekommt er von der jungen Inuk Pally, Enkelin des hiesigen Schamanen.
Haskin hat seinen Thriller ein wenig betulich geschrieben, er setzt nicht vorrangig auf Spannung und Action. Aber es gelingt ihm gut, diese einsame, weitläufige, fast trostlose Eislandschaft zu beschreiben, das Leben der Menschen unter unwirtlichen Bedingungen zu schildern. Immer führt er deren Andersartigkeit und Einsamkeit auf "diese verdammte Kälte" zurück. Und er ist sich sicher, diese alles lähmende Angst, dieser Mythos grauenvoller und blutrünstiger Kreaturen stecke seit 4000 Jahren in den Inuit.
Damit bietet der Roman interessante und ungewohnte Einblicke in eine Lebenswelt, die wir uns kaum vorstellen können. Die Eiswüste rings um die armselige Siedlung verwischt viele Spuren, mit normaler Ermittlerarbeit ist dem Fall schwer beizukommen. Diese so andere Lebenswelt ist das große Plus dieses Romans. Ebenso die Schilderung der Lebensumstände, in denen Aberglaube, Lethargie und Alkohol eine große Rolle spielen. Die Lösung des Falls, die angsteinflößende Sagengestalt entpuppt sich ja schließlich doch als Mörder aus Fleisch und Blut, ist jetzt so überraschend nicht, aber sie ist logisch. Das kann sich nicht jeder Thriller auf die Fahnen schreiben.