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Der Geschäftsführer von "Karls Erdbeerhof", Robert Dahl (hier im Jahr 2020 in Rövershagen), zeigte sich nach den Recherchen über seinen Großvater tief betroffen. Er will nun die Familiengeschichte genauer erforschen lassen.
Der Geschäftsführer von "Karls Erdbeerhof", Robert Dahl (hier im Jahr 2020 in Rövershagen), zeigte sich nach den Recherchen über seinen Großvater tief betroffen. Er will nun die Familiengeschichte genauer erforschen lassen. Bild: Danny Gohlke/dpa
Rochlitz
Nazi-Vergangenheit des Namensgebers enthüllt: So reagiert Karls-Chef Robert Dahl

Mehrere Freizeitparks von Karls gibt es inzwischen in Deutschland, ein Ende ist nicht in Sicht. Da kommen neue Erkenntnisse über Namensgeber Karl Dahl in der Zeit des NS-Regimes ans Licht. Es geht auch um Zwangsarbeit.

Rövershagen.

Abertausende begeisterte Besucher und ein wachsendes Erdbeer-Imperium, das selbst in die USA expandieren will: Karls Erlebnis-Dörfer sind eine Erfolgsgeschichte. Doch blickt man auf die Geschichte des Unternehmens im Zeichen des roten Obstes, gibt es düstere Kapitel.

Denn der Großvater des jetzigen Chefs Robert Dahl, Karl Dahl, war in die Machenschaften der Nazis verwickelt, beschäftigte auch Zwangsarbeiter.

Auf der Karls-Website heißt es über den Großvater, dass dieser 1921 in einem kleinen Dorf in Mecklenburg – nicht weit weg vom heutigen Hauptsitz in Rövershagen – einen Gemüsehof gründete: „Über zwei Jahrzehnte lieferte Opa Karl zwei Mal pro Woche Obst und Gemüse mit einem Pferdefuhrwerk nach Rostock, um es auf Wochenmärkten an den Mann zu bringen.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg floh die Familie dann nach Ostholstein, wo ein neuer Hofbetrieb gegründet wurde. In der Nähe siedelte sich die Marmeladenfabrik Schwartau an, suchte Erdbeerzulieferer. „Opa Karl sah seine Chance und spezialisierte sich.“

Doch was genau tat Karl Dahl während der Zeit des Dritten Reichs? Der Frage ging nun die Bild-Zeitung nach. Sie stöberte in historischen Unterlagen.

Karl Dahl und die Nazi-Partei NSDAP

Demnach trat Dahl im Dezember 1931 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer: 749887). Also lange, ehe die Nazis an die Macht kamen. Im Februar 1932 wurde Dahl NSDAP-Blockwart in der Ortsgruppe Bentwisch nahe Rostock, 1934 zweiter Beisitzer am NSDAP-Kreisgericht, 1936 „Gaufachredner“ der Hitler-Partei und im April 1938 Ortsgruppenleiter der NSDAP in Bentwisch.

Seine Position beschreibt Prof. Daniela Münkel, Expertin für die Agrargeschichte in der NS-Zeit und Leiterin der Forschung im Stasi-Unterlagenarchiv, so: „Ortsgruppenleiter wie Dahl repräsentierten nicht nur die NSDAP im Dorf, sondern kontrollierten die Bevölkerung und hatten Einfluss auf die Gemeindevertretungen.“

Dahl wurde im Juni 1935 ehrenamtlicher Kreisbauernführer, leitete bis Kriegsende die Kreisbauernschaften Rostock-Land und Rostock-Stadt. In dieser Funktion war er „zusätzlich für die Durchsetzung nationalsozialistischer Agrarpolitik vor Ort zuständig“, so Münkel. „Damit war er ein entscheidender Machtfaktor im Kreis, hatte Handlungsspielräume und konnte Sanktionen gegen andere Bauern durchsetzen.“

Polnische Zwangsarbeiter auf Dahls Hof

Dahl war durch die Ämterhäufung „eine wichtige politische Größe in der Region mit nicht unerheblichen Macht- und Einflussmöglichkeiten.“ Laut der Recherche war der Namensgeber der Erdbeerhöfe jedoch nicht an Verbrechen der Nazis beteiligt und diente nicht in der Wehrmacht. Zudem war er kein Mitglied von SA oder SS.

Jedoch waren mindestens drei polnische Zwangsarbeiter (zwei Frauen, ein Mann) während der Kriegsjahre auf dem Hof von Karl Dahl beschäftigt, so die Arolsen Archives, das internationale Zentrum über NS-Verfolgung. In deren Archiv befindet sich der Brief eines der Zwangsarbeiter - Waclaw Kaminski.

„Ich war als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft von Kreisbauernführer Karl Dahl beschäftigt“, schrieb Kaminski im Jahr 1971. Demnach schuftete er von August 1940 bis Mai 1945 auf dem Hof in Harmsdorf nahe Rostock. Zwei Finger verlor er bei einem Unfall an der Kreissäge im Jahr 1941.

Im März 1942, mit 17 Jahren, kam Leokadia Domzala auf Dahls Hof. Ihr Enkel berichtet der Bild: „Sie erzählte mir, wie sie während des Krieges für einen Bauern gearbeitet hat.“ Auch Leokadias Mutter soll auf dem Hof von Dahl gearbeitet haben. Entsprechende Unterlagen gebe es in den Arolsen Archives jedoch nicht.

Während des Krieges waren Millionen Zwangsarbeiter (u.a. aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich) in Nazi-Deutschland im Einsatz, hielten Industrie sowie Landwirtschaft am Laufen. Zahlreiche Betriebe, die davon profitiert hatten, drückten sich nach dem Krieg um ihre Verantwortung.

Karls-Chef Robert Dahl beauftragt Historiker

Nach Erscheinen des Artikels meldete sich Robert Dahl, Geschäftsführer von Karls, mit einem Statement zu Wort. Die Nachricht über Zwangsarbeiter auf dem Hof seines Großvaters habe ihn tief betroffen gemacht.

Döbeln im März 2024: Karls-Maskottchen „Karlchen“ ist auf einem Sonnenschirm zu sehen.
Döbeln im März 2024: Karls-Maskottchen „Karlchen“ ist auf einem Sonnenschirm zu sehen. Bild: Daniel Schäfer/dpa

„Karls Erlebnis-Dorf steht seit seiner Gründung 1993 für Toleranz und Menschlichkeit“, notiert Dahl. „Seit ich unseren ersten Erdbeerhof eröffnete, haben wir einen Ort geschaffen, der alle Menschen zusammenbringt – unabhängig von Herkunft oder Religion. Wir stehen für das Miteinander und ein fröhliches, respektvolles Zusammenleben.“

Die Nazi-Diktatur sei „ein dunkler Teil der deutschen Geschichte, und es ist wichtig, dass wir uns dieser Vergangenheit mit Verantwortung und Transparenz stellen“. Dazu will Dahl nun seinen Teil beitragen: „Ich werde einen Historiker beauftragen, unsere Geschichte detailliert zu erforschen.“

Man wolle bei Karls nun noch stärker zeigen, wofür man stehe: „Für eine bunte, weltoffene Firma, in der sich jeder willkommen fühlen kann.“

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