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Deutschland
03.07.2018

NSU-Prozess: Die Treue der Rottweiler-Verbindung

Ein Chemnitzer Intimus von Beate Zschäpes Vetter sollte gestern im NSU-Prozess aussagen. Plötzlich wurde Zschäpe krank.

München.

150.000 Euro in den Wind geblasen. Es hätte der 189. Verhandlungstag im Prozess zum Terror des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) werden sollen. Doch nachdem sich der Auftakt am Oberlandesgericht München gestern erneut ungewöhnlich lang verzögerte, hieß es: Der Prozesstag fällt aus - wegen Erkrankung der Hauptangeklagten.

Bereits zum dritten Mal in den zurückliegenden Wochen ist Beate Zschäpe unpässlich. Neben einer Prozessverzögerung, da die geladenen Zeugen zu späteren Terminen gehört werden müssen, explodieren so auch die Kosten. Auf täglich 150.000 Euro und damit auf bislang rund 30 Millionen, hatte Gerichtspräsident Karl Huber jüngst den bisherigen Finanzaufwand des inzwischen fast zwei Jahre währenden NSU-Prozesses beziffert.

Mär vom abgekapselten NSU-Trio

Spekulationen gab es gestern über Gründe der Krankheit Zschäpes. Unklar blieb, inwiefern sich jeweils geladene Zeugen auf ihren Zustand auswirken. Immerhin stehen seit einigen Wochen viele Zeugen aus dem dichten Helfernetz der Chemnitzer Neonazi-Szene im Zeugenstand, dem Umfeld der inzwischen deutschlandweit verbotenen Vereinigung Blood & Honour. Geladen wurden sie auf Antrag von Opferanwälten, die die Mär vom abgekapselten Terror-Trio widerlegen und klar- stellen wollen, dass sich die drei 1998 aus Jena Abgetauchten offen in der Chemnitzer Szene bewegten. Weitere dieser Zeugen brachte die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben ins Spiel. Ihr Anliegen ist, darzulegen, dass nicht ihr Mandant, der frühere Jenaer NPD-Chef, sondern die sächsische Blood-&-Honour-Szene maßgeblich zur Radikalisierung der in Chemnitz untergetauchten mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe beitrug.

In diesem Zusammenhang hat jener für gestern geladene Markus F. eine Dreh-und-Angel-Funktion. Seine bis in die frühen 90er-Jahre zurückreichende Hundehalter-Freundschaft mit Zschäpes Cousin Stefan A. schlug die erste Brücke zwischen den Neonazi-Szenen aus Jena und Chemnitz. Wegen ihrer beiden Rottweiler seien der Chemnitzer Markus F. und Zschäpes Cousin eng befreundet gewesen, sagten andere Zeugen aus. Zwar behauptet Markus F. bisher, die drei, wenn überhaupt, nur flüchtig gekannt zu haben. Auf dem Foto einer Party taucht Zschäpe allerdings zusammen mit F. auf. Zudem befand sich F.s Name samt Kontaktdaten auf der sogenannten Mundlos-Liste, also in jenem Adressbuch, das den Ermittlern schon bei der Jenaer Garagenrazzia 1998 in die Hände fiel, das aber bis zum Auffliegen des NSU 2011 unbeachtet blieb. Nachdem sich F. in Polizeivernehmungen nach dem Urteil verhörender Beamten unkooperativ gab und unglaubwürdig wirkte, soll ihm im Prozess erneut auf den Zahn gefühlt werden.

Neues Licht könnte er womöglich auch auf den bisher rätselhaftesten der dem NSU zugeschriebenen Morde werfen: Jenem an der 22-jährigen Polizistin Michèle Kiesewetter, die im April 2007 in Heilbronn mutmaßlich von Böhnhardt und Mundlos erschossen wurde.

Die Brücke nach Heilbronn

Wie man aus anderen Zeugenaussagen weiß, schlug Markus F. für die Chemnitzer Szene auch die Brücke nach Heilbronn. Der Zeuge Thomas S., zugleich Beschuldigter, entsann sich einer von F. organisierten Szene-Feier in Baden-Württemberg, zu der er mitgereist war. F. hatte zeitweise in Stuttgart gearbeitet und familienbedingt enge Bande nach Heilbronn. Auch wenn er bisher bestreitet, das Trio näher zu kennen, so legt das gemeinsame Foto mit Zschäpe eine weitergehende Befragung nahe. Hängt Zschäpes Krankheit mit Befürchtungen zusammen, was diese Befragung ans Licht brächte, so verschafft ihr der gestrige Ausfall allenfalls eine zeitweise Verschnaufpause. Immerhin wird Markus F. erneut geladen.

© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
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