Demo bei AfD-Parteitag: Linken-Abgeordneter von Polizisten verletzt - Innenminister verspricht Aufklärung
Der Linken-Abgeordnete soll in Riesa von Polizisten bewusstlos geschlagen worden sein, obwohl er sich als Parlamentarier ausgewiesen haben soll. Die Polizei stellt das anders dar. Innenminister Schuster sichert konsequente Ermittlungen zu.
Riesa.Bei einer Demonstration gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa ist der Landtagsabgeordnete Nam Duy Nguyen bei einem Polizeieinsatz verletzt worden. Wie sein Büro mitteilte, sei der Leipziger Politiker in einer Nebenstraße gewesen, nachdem ein Teil des Demonstrationszugs dort eingebogen war. Der Parlamentarier habe das Geschehen vor einer Polizeikette der sächsischen Bereitschaftspolizei beobachtet, die die Straße abgesperrt hatte.
Nach Angaben von Nam Duy Nguyen näherte sich eine niedersächsische Polizeieinheit im Rücken der Demonstranten, um die Polizeikette zu verstärken. Seiner Büroleiterin Marlen Borchardt zufolge hätten sich die Polizisten Demonstranten aus dem Weg geschubst und geprügelt, um sich einen Weg zu bahnen. Daraufhin habe es Rufe gegeben, die die Beamten darauf hinwiesen, dass es sich bei Nam Duy Nguyen um einen Parlamentarischen Beobachter handele. Nam Duy selbst habe seinen Ausweis sichtbar hochgehalten, das habe aber keinen der beteiligten Beamten interessiert, so Borchardt.
Nam Duy Nguyen sei dann ebenfalls geschubst und geschlagen worden und benommen in ein Gebüsch gefallen. Nam Duy habe kurzzeitig das Bewusstsein verloren. Einem Mitglied seines Teams sei ähnliches widerfahren. Beide hätten Verletzungen davongetragen, Nam Duy Nguyen im Kiefer und Mundbereich, sein Teammitglied sichtbare Gesichtsverletzungen. Ein Krankenwagen sei zunächst nicht durchgekommen, um die Verletzten zu behandeln.
Unterschiedliche Darstellungen von Polizei und Opfer
Der Dresdner Polizeisprecher Thomas Geithner bestätigte, dass der Abgeordnete in einen Zusammenstoß verwickelt gewesen sei. Nam Duy Nguyen sei in einer hitzigen Situation zugegen gewesen und habe einen Schlag abbekommen. Das sei jedoch nicht mutwillig oder zielgerichtet erfolgt, so Geithner weiter. Gegen den handelnden Beamten sei Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet worden. Der Linken-Politiker sei nicht als Landtagsabgeordneter zu erkennen gewesen, habe aber zuvor mit Polizisten gesprochen und sich als Parlamentarischer Beobachter zu erkennen gegeben.
Von der Linken-Fraktion im Landtag hieß es, Nam Duy Nguyens Begleiter habe eine Warnweste mit der Aufschrift „Parlamentarische Beobachtung Unterstützung“ getragen, was später korrigiert wurde. Wie ein Video der Situation zeigt, trug der Abgeordnete keine Warnweste mit einer solchen Aufschrift. Die Gruppe von Begleitern um Nam Duy habe die Hände in die Luft gerissen und „parlamentarische Beobachtung“ gerufen. Ob dies von Polizisten als potenzieller Angriff gedeutet worden sein könnte, ist unklar. Er selbst soll seinen Abgeordnetenausweis hochgehalten und gerufen haben: „Ich bin parlamentarischer Beobachter“. Ein Anwalt, ebenfalls vor Ort, habe gerufen: „Er ist parlamentarischer Beobachter“. Dennoch sei Nam Duy Nguyen von Polizeibeamten ins Gesicht geschlagen worden.
Linken-Chefs in Bund und Land kritisieren Gewalt durch Polizisten
Linkenfraktionschefin Susanne Schaper unterbrach den zeitgleich in Dresden stattfindenden Parteitag kurzzeitig, um die Delegierten zu informieren. „Es muss schnellstens aufgeklärt werden, was vorgefallen ist“, so Schaper. „Wir bitten Innenminister Armin Schuster, der Sache mit allem Nachdruck nachzugehen.“ Nam Duy Nguyen habe sich stets friedlich verhalten. Abgeordnete stünden „unter besonderem Schutz, auch vor polizeilichem Handeln“. Man erwarte nun umfassende Ermittlungen und angemessene Konsequenzen für die verantwortlichen Polizisten.
Bundesparteichef Jan van Aken stellte eine Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten in Aussicht. „Beide haben mit Abgeordneten-Ausweis und Warnweste deutlich auf die Rolle als Parlamentarischer Beobachter hingewiesen und sich selbst deeskalierend verhalten. Trotzdem wurden sie von Polizisten ins Gesicht geschlagen.“
Linken-Co-Vorsitzende Ines Schwerdtner sagte: „Wir fordern alle Parteien in Sachsen und bundesweit auf, diesen Angriff ohne Wenn und Aber zu verurteilen.“ Polizeigewalt untergrabe das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und dürfe grundsätzlich nicht hingenommen werden.
Die Grünen-Landesvorsitzende Marie Müser zeigte sich schockiert. „Das Recht auf friedliche Demonstration ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Es ist alarmierend, wenn bei der Wahrnehmung dieses Rechts Verletzungen durch staatliche Organe geschehen.“ Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, sagte: „Gewaltausübung gegen einen Abgeordneten in einer offenbar sichtbaren Mandatsausübung ist keine Bagatelle im Zusammenhang mit - teilweise übermäßig robustem - polizeilichen Vorgehen, sondern ein schwerwiegender Vorwurf.“
Innenminister Schuster: Verletzung eines Abgeordneten ist keine Kleinigkeit
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte gegenüber der „Freien Presse“: Es habe verschiedene Gemengelagen und hitzige Situationen gegeben, in denen die Polizei mit robustem Handeln Ordnung durchgesetzt habe. „Auch wenn die Situation für die Polizisten sehr schwierig war, ist die mögliche Verletzung eines Landtagsabgeordneten bei weitem keine Kleinigkeit.“ Man gehe dem konsequent nach und ermittle von Amts wegen zum Verdacht der Körperverletzung. „Wir werden das konsequent aufklären und ich wünsche dem Abgeordneten Nam Duy Nguyen gute Genesung.“
Der Dresdner Polizeipräsident Lutz Rodig sagte: „Es tut uns sehr leid, dass ein Abgeordneter und sein Begleiter im Zuge des Polizeieinsatzes zu Schaden kamen.“ Dies sei „mit Sicherheit nicht die Intention unseres polizeilichen Handelns“. Der Sachverhalt werde mit höchster Priorität aufgearbeitet.
Der 29 Jahre alte Nam Duy Nguyen hatte bei der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2024 eines der beiden Direktmandate für seine Partei in Leipzig geholt und so den Linken den Einzug in den Landtag gesichert. Rund 10.000 Menschen hatten am Samstag gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa demonstriert. Die Stimmung war teils aufgeheizt, vielerorts standen sich Demonstranten und Polizei gegenüber. Laut Polizei wurden sechs Beamte leicht verletzt. (two/mit dpa)