Verband fordert nach New Yorker Vorbild: Fußgänger sollen auch bei Rot gehen dürfen
In New York dürfen Fußgänger jetzt legal bei roter Ampel die Straße überqueren, wenn dadurch niemand gefährdet wird. Auch in Deutschland sollte das erlaubt sein – ähnlich wie beim „Grünen Pfeil“ für Autos, fordert ein Verband. Doch was hält Sachsens Verkehrsministerium von dieser Idee?
Berlin/Leipzg.Bis vor Kurzem war es in New York noch illegal, die Straße bei Rotlicht oder abseits von Zebrastreifen zu überqueren. Verstöße konnten mit bis zu 250 Dollar Bußgeld geahndet werden. In der Realität hielt sich jedoch kaum jemand an das Verbot. Auch die Polizei griff oft nicht ein - und wenn doch, dann seien mehr als 90 Prozent der dafür erteilten Bußgelder im vergangenen Jahr an Schwarze und Latinos erteilt worden, so die demokratische Stadträtin Mercedes Narcisse.
New York streicht Bußgelder für Fußgänger bei Rotverstößen
Wegen dieser Diskriminierung hat sich die Demokratin für ein neues Gesetz stark gemacht. Das ist jetzt in Kraft getreten. Es gestattet Fußgängern in New York nun, Straßen an jeder beliebigen Stelle zu überqueren – auch außerhalb eines Zebrastreifens und auch bei roter Ampel. Vorsicht ist dennoch weiterhin geboten. Autos haben nach wie vor Vorfahrt, wenn die Ampel für Fußgänger auf Rot steht. Fußgänger haften auch weiter für Unfälle, die sie verursachen.
Deutscher Verband warnt: Grün vermittelt ein trügerisches Gefühl von Sicherheit
In Deutschland lernt hingegen schon jedes Kind: Bei Rot sollst du stehen, bei Grün darfst du gehen. Der Fußgängerverband „Fuss e.V.“ hält das aber für einen gefährliche Empfehlung. „Denn die suggeriert, dass es bei Grün immer absolut sicher ist“, erklärt Vorstandsmitglied Roland Stimpel auf Anfrage der „Freien Presse“. „Tatsächlich sind im vergangenen Jahr aber bundesweit fast 1750 Fußgänger beim Überqueren der Straße bei Grün zu Schaden gekommen. Das sind fast doppelt so viele wie bei Rot. Man darf also auch aufs Grünlicht nicht blind vertrauen.“ Stimpel rät deshalb: „Guckt euch immer erst um, bevor ihr geht!“ Das gelte besonders auch für Kinder.
Das ist eine der Hauptursache für Unfälle bei Grün
Ein Hauptursache für die vielen Unfälle bei Grün: Fußgänger und Rechtsabbieger haben oft gleichzeitig Grün. „Wir fordern seit langem, diese Gefahrenquelle zu entschärfen“, sagt Stimpel. „Entweder sollte das Abbiegen für Autos an Ampeln grundsätzlich nur noch im Schritttempo erlaubt sein. Oder die Grünphasen sollten nacheinander geschaltet werden.“
Verband: Grüner Pfeil hebelt Rot-Tabu schon aus
Ohnehin werde bei der Rot-Regel in Deutschland schon mit zweierlei Maß gemessen, beklagt der Verband. „Das Tabu, dass man bei Rot immer stehen bleiben muss, ist durch den ,Grünen Pfeil‘ für rechtsabbiegende Autos doch längst durchbrochen“, sagt Stimpel. „Warum soll diese Regel dann nur für Fußgänger weiter uneingeschränkt gelten, die sich an Ampeln oft die Beine in den Bauch stehen?“ An Fußgängerampeln, an denen die Übersicht gut ist, könne ebenfalls ein neues Verkehrszeichen zum freien Gehen ähnlich dem „Grüner Pfeil“ für Autos angebracht werden. „Wer sich sicher fühlt, der guckt und geht. Wer sich auf Grün verlassen will, wartet wie bisher“, sagt Stimpel. Sein Leipziger Verbandskollege Bertram Weisshaar ergänzt: „Den Autofahrern wird ja auch zugetraut, die Lage richtig einschätzen zu können - und Fußgänger sind nicht dümmer als Autofahrer.“
Eine zusätzliche Gefahr für Kinder sieht Stimpel durch ein Aufweichen der Rot-Regel für Fußgänger nicht. „Kinder müssen oft auch Straßen ohne Ampel oder Zebrastreifen queren“, sagt er. „Deshalb bringt man den Kindern ja bei, vorher nach links und rechts zu schauen, bevor man sie alleine unterwegs sein lässt. Das können die Kinder dann auch bei einer Ampel mit diesem neuen Verkehrszeichen.“
Das sagt Sachsens Verkehrsministerium zu der Forderung
Das sächsische Verkehrsministerium sieht hingegen gar keinen Grund, etwas zu ändern. „Verkehrsregeln sind Regeln, an die man sich zu halten hat“, sagt Ministeriumssprecher Jens Jungmann. „Gerade dieses Farbensystem hat sich seit Jahrzehnten bewährt, da es eindeutig ist.“ Klare Regeln fürs Überqueren der Fahrbahn seien gerade auch für jüngere, ältere und sehbehinderte Menschen wichtig – da diese nicht oder nur schwer Geschwindigkeiten von herannahenden Fahrzeugen einschätzen könnten oder ihre Reaktion eingeschränkter sei. „Ältere Menschen haben vor allem für Kinder eine Vorbildfunktion, die gerade an Ampeln beachtet werden sollte.“ Davon aber abgesehen, könne ohnehin nur der Bund eine entsprechende Gesetzesänderung vornehmen, so Jungmann. (juerg)