Der Mindestlohn steigt. In Sachsen werden dadurch besonders viele Arbeitnehmer mehr verdienen. Doch die Wirtschaft warnt - vor einem Bumerang-Effekt, der viele Sachsen arbeitslos machen könnte.
Der Mindestlohn steigt wie geplant zum 1. Januar 2026 von derzeit 12,82 auf 13,90 Euro pro Stunde. Ein Jahr später wird er nochmals um weitere 70 Cent auf 14,60 pro Stunde erhöht. Eine entsprechende Verordnung zu dieser Anhebung um insgesamt 13,9 Prozent hat das Bundeskabinett kürzlich beschlossen. Eine weitere Zustimmung durch Bundestag oder Bundesrat ist nicht nötig.
11 Prozent netto mehr im Protemonnaie
Nach Berechnungen der Gewerkschaften (DGB) werden Mindestlohn-Bezieher dadurch ab Januar 2026 monatlich rund 190 Euro brutto mehr bekommen als heute. Im Jahr 2027 sind es dann 310 Euro brutto mehr. Auf das Jahr gerechnet ergibt das ein Plus von 3700 Euro brutto. Auch netto bleibt laut DGB ein Plus - und zwar werden demnach nach geltendem Steuerrecht Betroffene in Vollzeit in Steuerklasse 1 mit einem Kind etwa 11 Prozent mehr im Vergleich zu heute im Portemonnaie haben.
Gewerkschaft erwartet durch Lohn-Plus Konjunkturbelebung
„Es ist davon auszugehen, dass dieses Geld eins zu eins in den Konsum fließt und damit die Konjunktur belebt“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Jeder Cent mehr Mindestlohn steigert die Kaufkraft um rund 20 Millionen Euro.“ Über den Zeitraum von zwei Jahren mache das für die Mindestlohnbeschäftigten ein gesamtwirtschaftliches Lohnplus von 5,7 Milliarden Euro aus.
DGB: 359.000 Sachsen profitieren von Erhöhung
Gerade in Sachsen profitieren besonders viele Beschäftigte von dieser Anhebung, weil es im Freistaat vergleichsweise viele Mindest- und Niedriglohnbezieher gibt. So werden laut DGB ab Januar rund 359.000 Beschäftigte in Sachsen mehr Geld in der Tasche haben. Der Mindestlohn sei ein wichtiges Instrument, um den Niedriglohnsektor weiter zurückzudrängen, erklärt die sächsische DGB-Vize Daniela Kolbe. Er aber nur die unterste Haltelinie. „Gute Löhne gibt es nur mit Tarifvertrag und bei der Tarifbindung ist in Sachsen noch viel Luft nach oben“, sagt Kolbe. Den Arbeitgebern in Sachsen empfehle sie, nicht länger über die Erhöhung des Mindestlohnes zu jammern. Fachkräfte ließen sich nicht mit Niedriglöhnen halten oder gewinnen.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert sogar eine noch höhere Anhebung. Die zuletzt beschlossene Anhebung reiche nicht aus, sagte die SoVD-Chefin Michaela Engelmeier gegenüber Ippen.Media und führte aus: „Ein Mindestlohn von über 15 Euro wäre dringend notwendig gewesen, um prekärer Beschäftigung wirksam entgegenzutreten und Altersarmut trotz Vollzeitarbeit zu verhindern.“
Wirtschaft warnt: Mehr als jeder zweite Betrieb will Preise erhöhen
Sachsens Wirtschaft warnt hingegen vor den immensen Kostensteigerungen - und vor den gravierenden Folgen. So will laut einer Umfrage der Chemnitzer Industrie- und Handelskammer (IHK) mehr als jeder zweite Betrieb die Preise erhöhen, um die Kostensteigerungen durch die höheren Löhne auszugleichen. Frank Wagner, Präsident der Handwerkskammer Chemnitz: „Wenn der Mindestlohn um einen Euro steigt, werden die Produkte um bis zu drei Euro teurer.“ Das werde die Inflation weiter anheizen. Die Folge: Vom Plus im Portemonnaie könnten sich die Beschäftigten dann trotzdem nur wenig oder gar nicht mehr kaufen. Auch gibt es weniger: So will laut Umfrage etwa jeder zehnte Betrieb in Südwestsachsen auch sein Angebot einschränken, um Kosten zu sparen.
Experte: Höhere Kosten, geringere Investitionen
„Die regionale Wirtschaft kämpft seit Jahren mit hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel und schwacher Binnennachfrage“, erklärt IHK-Geschäftsführer Martin Witschaß. „Besonders kleinere Unternehmen, Zulieferer sowie konsumnahe Branchen wie Gastronomie und Handel geraten durch die steigenden Lohnkosten erheblich unter Druck. Die deutliche Mindestlohnsteigerung gefährdet auch die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere arbeitsintensiver Branchen“, so Witschaß. IHK-Vize-Präsident Gunnar Bertram: „In der Folge sehen wir eine Welle der Investitionszurückhaltung.“
IHK rechnet in Sachsen mit Stellenabbau
Die IHK rechnet sogar mit dem Abbau von Stellen in Südwestsachsen - weil laut Umfrage 60 Prozent der Betriebe wegen der Mindestlohn-Anhebung auch die Löhne und Gehälter der anderen Mitarbeiter erhöhen müssen, um einen Mindestabstand zu halten. So plant fast jeder fünfte befragte Betrieb im Kammerberzirk, Jobs zu streichen. „In der Industrie und im Handel ist sogar jeder Vierte“, sagt Witschaß. Frank Wagner, Präsident der Handwerkskammer Chemnitz: „Ein hoher Mindestlohn kann sogar dazu führen, dass junge Menschen keine Ausbildung anfangen. Sie sagen: Dann gehe ich lieber ungelernt arbeiten, da verdiene ich gut genug. Aber nach kurzer Zeit sind sie dann wieder auf Arbeitssuche.“ (juerg)







