Aue-Trainer Härtel nach dem Trainingslager: „Vom Erzählen ist noch niemand aufgestiegen“
Belek. Der FC Erzgebirge Aue hat sich in der vergangenen Woche im Trainingslager in Belek auf die bevorstehende Rückrunde vorbereitet. Nach Ende des Türkei-Camps hat die „Freie Presse“ mit dem neuen Chefcoach Jens Härtel gesprochen.
Freie Presse: Hallo Herr Härtel! Das Trainingslager ist vorüber, das letzte Testspiel ging verloren: Sind Sie deshalb mit einem komischen Gefühl nach Hause gefahren?
Jens Härtel: Nein, ganz und gar nicht. Die Leistungen stehen im Vordergrund und vielleicht ist es sogar ganz gut, noch einmal gesehen zu haben, dass auch solche kleinen Sachen ein Spiel entscheiden können. Aus jeder noch so kleinen Situation kann irgendetwas entstehen, weshalb wir immer vorsichtig sein müssen. Unsere letzten Drittligapartien haben wir gewonnen, gegen Ulm unentschieden gespielt und nun verloren. Mit der Leistung gegen Aarau können wir zufrieden sein, mit dem Ergebnis natürlich nicht.
Freie Presse: Die Mannschaft wirkte hochmotiviert und gewillt, Ihre Vorstellungen bestmöglich umzusetzen. Teilen Sie diesen Eindruck?
Jens Härtel: Die Jungs sind alle wach und total engagiert bei dem Versuch, Sachen umzusetzen. Es wäre aber auch schlecht, wenn das anders wäre, wenn ein neuer Trainer kommt. Das ist erstmal gut, aber das muss auch gut bleiben, das ist der Schlüssel.
Freie Presse: Sie haben viel Wert auf das Offensivspiel, das Kreieren von Überzahlsituationen und das Erspielen von Tormöglichkeiten gelegt, aber auch auf Standards. Wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung dieser Themen?
Jens Härtel: Wenn wir das Spiel gegen Aarau hernehmen, denke ich, hatten wir sehr gute Phasen, in denen wir uns unter Druck gelöst haben, wir es aber nicht schafften, es auch gut auszuspielen. Das ist ein wenig der fade Beigeschmack: Denn aus den vielen Chancen, die wir kreiert haben, haben wir zu wenig gemacht – entweder war der letzte Pass zu unsauber oder der Abschluss zu ungenau. Wir müssen da dranbleiben, damit wir uns für den ganzen Aufwand, den wir betreiben, auch belohnen.
Freie Presse: Wie kommt man nun in die Köpfe der Spieler, damit dies zum Drittliga-Restart am Freitag gelingt?
Jens Härtel: Es geht darum, die Jungs im Training in möglichst viele solcher Situationen hineinzubringen und noch an weiteren Lösungen und Laufwegen zu arbeiten. In beiden Spielen konnten wir aber sehen, dass wir es schon ganz gut machen.
Freie Presse: Was stimmt Sie denn optimistisch, gegen Hannover den ersten Sieg zu feiern?
Jens Härtel: Wenn wir die Dinge umsetzen, die wir uns vornehmen, wird es uns gelingen. Es ist eine junge Mannschaft mit viel Energie, die aber noch nicht so stabil ist wie wir es sind. Es gilt, Lösungen gegen ihre Energie und Mannorientierung zu finden und mutig, aber nicht dumm zu sein.
Freie Presse: Thema Konkurrenzkämpfe: Alle Spieler gaben Vollgas, jeder versuchte, sich anzubieten und für einen Stammplatz zu empfehlen. Wer konnte besonders auf sich aufmerksam machen?
Jens Härtel: Ich tue mich schwer, jemanden hervorzuheben, denn alle haben es gut gemacht.
Freie Presse: Hat sie niemand überrascht?
Jens Härtel: Direkt überrascht bin ich nicht worden, aber am ehesten von den Jungs, die man sonst nicht so gesehen hat. Beispielsweise William Kallenbach oder Sean Seitz, die bislang nur wenig bis gar nicht gespielt haben aber zeigten, dass sie eine Qualität haben, die uns helfen kann.
Freie Presse: Wie fällt Ihr finales Fazit zum Trainingslager aus?
Jens Härtel: Sehr positiv. Die Jungs haben total gut mitgezogen, wir konnten alles machen, was wir uns vorgenommen haben. Von der Intensität her war es eine volle Woche, die Jungs sind nun richtig platt. Jetzt haben wir ein wenig Luft – und dann werden wir gegen Hannover frisch sein und dort weitermachen, wo wir gegen 1860 München aufgehört haben.
Freie Presse: Herr Härtel, im Umfeld ist eine gewisse Euphorie zu spüren. Was haben Sie für ein Gefühl: Wohin kann die Reise gehen?
Jens Härtel: Mit Gefühlen ist es nicht gemacht, sondern die Dinge müssen auf den Platz gebracht werden. Vom Erzählen ist noch niemand aufgestiegen – wenn die Chance da ist, musst du sie ergreifen. Und dann benötigst du dennoch das Momentum und das Glück, dass sich niemand verletzt und der Ball beispielsweise über den Innenpfosten ins Tor springt und bei dem Gegner eben nicht, um einen Lauf zu entwickeln. Darum geht es, aber so weit sind wir noch lange nicht.
Freie Presse: Das ist klar, aber trauen Sie es Ihrer Mannschaft zu, bis zum Saisonende oben mitzuspielen?
Jens Härtel: Wir haben Qualitäten ohne Ende mit dem Ball, das haben wir gegen Aarau wieder gesehen, wie viele Jungs unter Bedrängnis den Ball fordern und dennoch Lösungen nach vorn finden. Das ist absolut gut. Aber jetzt müssen wir es noch hinkriegen, dass sie die Verantwortung für die Defensivarbeit übernehmen. Wenn uns das gelingt, wird es mir nicht bange, dass wir eine gute Rückrunde spielen.
Zur Person
Jens Härtel stammt gebürtig aus Rochlitz und kickte während seiner aktiven Laufbahn als Innenverteidiger unter anderem für den 1. FC Union Berlin, den FSV Zwickau und den SV Babelsberg. Nach seiner Profikarriere wechselte er ins Traineramt und führte als Coach sowohl den 1. FC Magdeburg (2014–2018) als auch den FC Hansa Rostock (2019–2022) zurück in die 2. Bundesliga. Seit dem 2. Januar ist er als Trainer des FC Erzgebirge tätig.