Warum es in der Syrauer Drachenhöhle jetzt eine Erdbeben-Messstation gibt
Wissenschaftler informierten in der Syrauer Drachenhöhle interessierte Besucher über die Mechanismen von Schwarmbeben im Vogtland
Syrau.Die Fenster klirrten, Dachsparren knackten und Lampen schaukelten. So beschrieb Geowissenschaftler Herman Credner das Erdbeben von 1876, das viele Plauener in der Nacht aus dem Schlaf riss. Die schaukelnden Erschütterungen seien bedeutender gewesen als jene vom Mitteldeutschen Erdbeben 1872 bei Gera, bei dem eine Magnitude von 5,2 gemessen wurde. Die Besucher, die jüngst bei einer Informationsveranstaltung zu seismischen Messungen im Eingangsbereich der Drachenhöhle Syrau zusammenkamen, hörten den Experten gespannt zu. Anlass war die offizielle Inbetriebnahme der Erdbebenstation in Sachsens einziger Schauhöhle.
Bereits Mitte Juli dieses Jahres wurde die Technik abseits des Besucherrundweges im „Irrgarten“ der Höhle installiert. Die Daten gelangen über Kabel an die Oberfläche zu einem Mobilfunkempfänger im Heidegarten. Die Bohrungen für die Kabel wurden in den 1980er-Jahren im Zusammenhang mit der Überwachung der Radon-Belastung bereits vorgenommen, weiß Eigenbetriebs-Mitarbeiterin Manuela Schindler, die demnächst die langjährige Leiterin Heidrun Bauer beerbt. Schwarmbeben im Vogtland sind keine Seltenheit. „90 Prozent der Schwarmbeben sind überhaupt nicht zu spüren“, erklärte Lutz Sonnabend den Anwesenden. Der Mitarbeiter im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie war im Sommer beim Einbringen der Messtechnik dabei. Etwa ab Stärke 3 sei überhaupt etwas von den Erschütterungen zu spüren. „Ab Stärke 4 können Gebäudeschäden entstehen.“ Die Erdbebenschwärme in der Region treten laut dem Geologen alle zwei bis zehn Jahre auf. Laut dem Fachmann ziehen sich die Schwärme über ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten hin. Das stärkste Beben in jüngster Vergangenheit erschütterte das Vogtland 1985. Damals wurde eine Magnitude von 4,6 gemessen.
Torsten Dahm sind solche Ereignisse bekannt. Der Professor für Geophysik arbeitet am Deutschen Geo-Forschungszentrum Potsdam. Erdbeben und Vulkanphysik sind seine Spezialgebiete. „Die Region ist wissenschaftlich sehr spannend.“ In diesem Jahr registrierten die Forscher im Klingenthaler Grenzgebiet zur tschechischen Gemeinde Novy Kostel Erdbebenschwärme von März bis Juni. Eine solche erhöhte Aktivität über einen längeren Zeitraum habe man schon lange nicht mehr gemessen. Die Prozesse laufen in etwa zehn Kilometer Tiefe ab. Es handle sich um leichte bis mittelstarke Beben, die keinem klaren Hauptbeben zugeordnet werden können. Die Muster ähneln seismischen Aktivitäten an aktiven Vulkanen. Bis heute sind die Ursache für die Schwarmbeben nicht endgültig geklärt. Die Forscher gehen davon aus, dass die Beben durch das Eindringen von unter Druck stehenden Tiefenfluiden ins Gestein der Erdkruste ausgelöst werden. Warum aber gerade eine Erdbebenstation in der Syrauer Unterwelt? „Wir wollten in Sachsen für unser Netzwerk weitere Messtationen“, verriet Sigward Funke vom Institut für Erdsystemwissenschaft an der Uni Leipzig. Die Messstation in der Höhle abseits vom großen Trubel sei als Standort bestens geeignet. Syrau ist einer von rund 100 Messstationen in Mitteldeutschland. Auch in Wiedersberg wurde kürzlich eine weitere Station in Betrieb genommen.
Nach dem informativen Teil luden die Gastgeber noch zu einer geologischen Führung ins Drachenreich ein. Diesen Part übernahm der aus Syrau stammende Geologe Sven Bauer. Unterwegs machte er die Teilnehmer auf Kontrollpunkte an bestimmten Stellen aufmerksam. Kleine Risse im Gestein seien der Beweis, dass es in den vergangenen 10.000 Jahren Bewegungen durch Senkungen oder Schwarmbeben gegeben hat. Nach Aussagen des Spezialisten sind in den Hohlräumen keinerlei Schäden feststellbar. Alle Glasmarken sind intakt. Als Heidrun Bauer die 88 Stufen mit den Gästen wieder mit hinaufstieg, schwang etwas Wehmut mit. „Als Höhlenleiterin war das einer meiner letzten Auftritte." Obwohl sie bald in den Ruhestand geht, blickte sie bereits auf die kommende Saison. „Wir suchen für unseren Höhlenpark dringend einen Imbissbetreiber." (tv)