„Leser helfen“: „Villa“ in Rochsburg bringt blinden Gästen Lebensfreude - aber die zwei Hausbusse machen große Probleme
Menschen mit Blindheit und Seheinschränkung können in der Aura-Pension lernen, andere treffen, sich erholen. Auch ein Fahrdienst und Ausflüge werden angeboten - aber wie lange noch?
Rochsburg.Sie machen Yoga oder spielen Schach. Sie bilden sich in Social Media fort, lernen „Englisch für Anfänger“, stellen Badesalz her oder besuchen einen Trommelworkshop. Und auf Ausflügen geht es nach Seiffen oder in Freizeitbäder: Das Programm für die Gäste der „Villa Rochsburg“ ist vielfältig und spricht übers Jahr ganz verschiedene Interessen an. Gedacht ist es für Menschen, die eines gemeinsam haben: Sie sind blind oder im Sehen eingeschränkt.
Die Aura-Pension „Villa Rochsburg“, unweit des Schlosses im Lunzenauer Ortsteil, ist Weiterbildungs- und Begegnungsstätte für Menschen mit Seheinschränkung. Der Begriff „Aura“ bezeichnet in der Medizin Wahrnehmungsstörungen und wird bei Sehstörungen bei Migräne und Epilepsie verwendet, erklärt Einrichtungsleiterin Michaela Mehlhorn. „In der Blindenarbeit wird der Begriff im Zusammenhang mit verschiedensten Hilfsangeboten für blinde und sehbehinderte Menschen genutzt. Aura-Hotels und -Pensionen bieten berufliche Fortbildungen, Kurse zur Bewältigung des Alltags, Reha-Kurse, Urlaubs- und Freizeitangebote für diese Zielgruppe an“, sagt die 53-Jährige.
Gäste kommen sogar aus Berlin
Die Gäste in Rochsburg kommen nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Sachsen und zum Beispiel auch aus Berlin und Thüringen. Für die Übernachtung und Ruhepausen an den erlebnisreichen Tagen stehen im Haus elf Ein- bis Dreibettzimmer bereit. „Die Gäste sind meist nur zum Schlafen auf ihren Zimmern“, sagt Michaela Mehlhorn. In der restlichen Zeit ist man zusammen, etwa im Speise- und Gemeinschaftsraum. „Unser Haus ist eine wichtige Anlaufstelle, wo sie unter Gleichbetroffenen sind, wo Erfahrungsaustausch läuft und sie viele Informationen erhalten“, so Mehlhorn. Gefragt ist das Haus auch in den besinnlichen, für manchen einsamen Stunden des Jahres: Über Weihnachten und Silvester ist das Haus voll.
Nur wenige solcher Häuser gibt es laut Mehlhorn in Deutschland. Das Haus in Rochsburg ist auf die Bedürfnisse seiner Nutzer ausgelegt: Mit Fallschutz an den Treppen, mit Punktschrift in Broschüren und an den Zimmern, Telefonen mit großen Tasten auf jedem Zimmer, mit Aufzug und einem barrierefreien Gästezimmer. Das Gebäude von 1898 wird seit 1952 als Einrichtung der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe genutzt. 2001 wurde es saniert. Immer wieder sind auch Gäste ohne Einschränkung im Haus, etwa bei Paaren, in denen ein Partner sehen kann. Die meisten Besucher sind über 60, doch es gibt auch jüngere.
Reparatur der Busse geht ins Geld
Träger der Einrichtung ist der Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen. Das Haus mit zehn Beschäftigten finanziert sich durch das Geld, das Übernachtungsgäste und Kursteilnehmer zahlen, teils durch Spenden und den Förderverein. Große Investitionen sind schwierig. Doch nun gibt es ein Problem: die zwei Hausbusse mit je neun Sitzen sind in die Jahre gekommen. „Wir nutzen sie, um die Seminarteilnehmer von den umliegenden Bahnhöfen oder von daheim abzuholen und um gemeinsam Ausflüge zu unternehmen“, erklärt Michaela Mehlhorn. Nicht jeder kann die Anreise allein bewältigen, den ÖPNV zu nutzen, ist umständlich, oft zumal mit schwerem Koffer und Blindenführhund.
Die Busse - ein Opel Vivaro und ein Renault Master - sind jeweils schon um die 200.000 Kilometer gefahren. „Die ersten großen Reparaturen haben große Löcher in unsere Kasse gerissen.“ Ein neuer Bus wäre wunderbar. „Ohne finanzielle Unterstützung ist das für uns nicht zu schaffen“, sagt Michaela Mehlhorn. Spenden aus der „Freie Presse“-Aktion „Leser helfen“ wären eine große Hilfe.
Erst seit wenigen Tagen steht das Programm der Villa für das nächste Jahr online. Tanzen, ein I-Phone-Seminar und Selbstverteidigung gehören zu den Angeboten. Das Team freut sich auf viele Gäste und hofft, mit diesen weiter mobil sein zu können. „Wenn ich erblinden würde, würde ich in ein tiefes Loch fallen“, sagt Michaela Mehlhorn. Doch in der Villa erlebe sie große Freude und spüre, welchen positiven Beitrag die Angebote im Leben der Gäste bringen. (fmu)
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