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Diese rassistische Anzeige wurde im Amtsblatt der Stadt Sebnitz gedruckt, fand rasch ihren Weg in die sozialen Netzwerke.
Diese rassistische Anzeige wurde im Amtsblatt der Stadt Sebnitz gedruckt, fand rasch ihren Weg in die sozialen Netzwerke. Bild: Screenshot X.com/Arndt Ginzel
Sachsen
Rassistische Anzeige in Sebnitzer Amtsblatt: So reagiert die Stadt

In den sozialen Netzwerken ist es am Donnerstag das Thema: Die Anzeige eines Handwerkers im Amtsblatt von Sebnitz. Der Rathauschef der 9500-Einwohner-Stadt zeigt sich gegenüber der „Freien Presse“ geschockt. Wie geht es nun weiter?

Sebnitz.

Eine private Anzeige in Sachsen beschäftigt derzeit ganz Deutschland und schlägt im Netz hohe Wellen. Was ist passiert?

In der aktuellen Ausgabe des „Neuen Grenzblattes“ - dem Amtsblatt der Stadt Sebnitz - befindet sich eine ganzseitige Anzeige. Die wirkt zunächst unspektakulär. Ein örtlicher Dachdeckermeister bedankt sich angesichts des 30-jährigen Bestehens seiner Firma bei Kunden und Geschäftspartnern für deren Treue.

Doch dann kommt es: Der Meister bewirbt einen Ausbildungsplatz im kommenden Jahr, macht aber klar, dass er „keine Hakennasen, Bimbos oder Zeppelträger (gemeint sind offenbar Männer mit Zopf oder Dutt, Anm. d. Red.)“ als Azubis haben will. Anschließend wünscht er den Lesern „Frohe Ostern und sonnige Feiertage“.

Bestürzung in Sebnitz nach rassistischer Anzeige

Bei der Sebnitzer Stadtverwaltung reagierte man erschüttert auf die Anzeige, veröffentlichte auf der eigenen Facebookseite noch in der Nacht auf Donnerstag ein Statement. „Wir sind ebenso bestürzt und versuchen aktuell die Lage aufzuklären“, war dort zu lesen. Man stellte jedoch klar, dass „die Stadt Sebnitz ausschließlich für den redaktionellen Teil des Grenzblattes verantwortlich ist und den Anzeigenteil bis zur Veröffentlichung auch nicht kennt. Dieser liegt allein in der Verantwortung des Verlages“.

Man distanziere sich „ausdrücklich und entschieden von den in der privaten Anzeige verwendeten Ausdrücken sowie dem menschenverachtenden Gedankengut, das ihr zugrunde liegt“. Strafantrag gegen den Verfasser der Anzeige sowie den Verlag sei bereits gestellt worden.

Darum reagierte die Stadt nicht früher

Wie konnte solch eine Anzeige überhaupt erscheinen? Diese Frage stellen sich nun viele. Im Gespräch mit der „Freien Presse“ erklärt Oberbürgermeister Ronald Kretzschmar (parteilos): „Wir sehen bis zum Vorliegen der Druckausgabe nicht, was in diesem privat finanzierten Anzeigenteil des Verlages drin ist. Wir sehen auch über den Korrekturabzug nur die Dinge, die wir selbst als Verwaltung an den Verlag gegeben haben - also Mitteilungen aus Stadtrat, Vereinsgeschehen oder ähnliches.“

Man habe erst am gestrigen Mittwoch gedruckte Belegexemplare bekommen - für die eigene Pressestelle sowie das Archiv – und sei entsprechend erschrocken. Kretzschmar habe noch versucht, die Auslieferung zu stoppen und rief den Verlag an. Doch zu spät. Mit Blick auf den Verlag sagt er: „Meiner Ansicht nach haben dort die Kontrollinstanzen versagt.“

Strafantrag und was sich nun ändern sollte

Der parteilose Rathauschef zögerte nicht lange: „Ich habe unverzüglich Strafantrag bei der Polizei gestellt wegen Volksverhetzung, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit.“ Und zwar sowohl gegen den Dachdeckermeister sowie den verantwortlichen Verlag aus Herzberg. Seitens der Stadtverwaltung wartete man am Donnerstagmittag noch auf eine Stellungnahme des Verlages. Diese solle wohl noch heute im Tagesverlauf erfolgen.

An ähnliche Vorkommnisse kann sich Kretzschmar nicht erinnern: „Ich bin seit 1997 hier im Haus und so einen Vorfall gab es noch nie. Und der Verlag ist ja auch kein kleiner, sondern ein sehr großer Verlag, der beliefert viele andere Städte und Gemeinden, nicht nur in Sachsen, sondern auch in Brandenburg.“

Wie stellt man sicher, dass solch eine Anzeige nicht nochmals den Weg ins Amtsblatt findet? Der Oberbürgermeister fordert, dass der Verlag eine Kontrollinstanz einbauen müsse, um Inhalte nochmals zu checken, bevor diese in den Druck gehen.

Zudem wolle die Stadt Sebnitz versuchen, mehr in die Abläufe eingebunden zu werden – indem man nicht nur den redaktionellen Teil im Korrekturabzug bekomme, sondern das gesamte Amtsblatt. Inklusive des Anzeigenteils. „Wir können dann zwar per se dem Verlag nicht verwehren, etwas zu drucken, aber wir können ihn darauf hinweisen, was aus unserer Sicht nicht abdruckbar beziehungsweise mit Richtlinien oder Statuten nicht vereinbar ist.“

Online-Fassung wird überarbeitet

Während die gedruckte Fassung des „Neuen Grenzblattes“ nicht zurückgehalten werden konnte und Bilder der rassistischen Anzeige in den sozialen Netzwerken die Runde machten, erschien die entsprechende Ausgabe nicht online. Vorerst. In Absprache mit dem Verlag habe man die letzte Seite des Blattes herausgenommen, im Laufe des Donnerstags soll die editierte Fassung online gehen.

Doch im Netz ist das Amtsblatt längst Gesprächsstoff. Und nicht nur das: Susanne Schaper, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Dresdner Landtag, griff das Sebnitzer Rathaus per Pressemitteilung scharf an. „Die Stadtverwaltung kann sich nicht damit rausreden, dass sie nur den redaktionellen Teil kenne und verantworte“, heißt es in der Mitteilung. „Anzeigen in einem Amtsblatt werden der Stadt zugeordnet. Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung umgehend ihre Abläufe ändert und sicherstellt, dass niemand mehr menschenverachtende Inhalte im Blatt platzieren kann.“

Rathauschef widerspricht Linken-Politikerin

Kretzschmars Rat an die Linken-Politikerin: „Bevor man etwas sagt, sollte man sich erstmal richtig informieren.“ Der OB spricht von einer „sachlich falschen Darstellung“, wiederholt: „Wir haben vorab keine Möglichkeit, privat finanzierte Anzeigenanteile des Verlages zu sehen.“

Und weiter: „In jeder Ausgabe steht drin, wer für welchen Teil verantwortlich ist. Und da steht auch drin verantwortlich für den amtlichen und nicht amtlichen Teil ist der Oberbürgermeister und verantwortlich für den Anzeigenteil und Beilagen ist der Verlag in Herzberg, vertreten durch den Geschäftsführer.“ Sein Rat: Vorher erstmal recherchieren, ehe man „irgendwelchen Käse“, so Kretzschmar wörtlich, in der Öffentlichkeit erzähle.

Übrigens: Der Dachdeckermeister selbst war für Anfragen von „Freie Presse“ nicht erreichbar. Es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Einen Rückruf gab es nicht.

Dass jedoch auch die Beschäftigten des Handwerkers nichts mit der Anzeige ihres Chefs zu tun haben möchten, weiß Ronald Kretzschmar zu berichten: „Ich habe bereits Mitteilungen von seinen Mitarbeitern bekommen, die sich ausdrücklich von ihrem Chef distanzieren.“ (phy)

© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
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