Sollte Deutschland angesichts der finanziellen Herausforderungen, vor denen das Land steht, einen Feiertag opfern? Die Chefin der Wirtschaftsweisen und Sachsens Wirtschaft sind dafür - obwohl sich die Arbeitnehmer dort schon den Buß- und Bettag haben teuer erkaufen müssen.
Die Chefin des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, spricht sich für die Abschaffung eines Feiertages in Deutschland aus, um Krisenkosten zu finanzieren. „Die Streichung eines Feiertages fände ich als Symbol genau richtig“, sagte sie dem „Spiegel“. Schnitzer verwies auf Dänemark, wo der „Store bededag“ ab 2024 als regulärer Arbeitstag genutzt wird, um Verteidigungsausgaben zu stemmen.


Dänemark hat es vorgemacht
Der „Store bededag“ ist mit dem deutschen Buß- und Bettag vergleichbar. Dessen Abschaffung stieß in Dänemark zwar auf heftigen Protest in der Bevölkerung. Die Zahlen geben den Experten aber recht. Berechnungen zufolge hat die Streichung dieses Feiertags zusätzliche 400 Millionen Euro in die dänische Haushaltskasse gespült.
Streichung brächte Staat Milliarden Mehreinnahmen ein
Würde ein Feiertag in Deutschland gestrichen, brächte das Staat Milliarden Mehreinnahmen ein. Denn ein zusätzlicher Arbeitstag erzeugt mehr Wirtschaftsleistung. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt leicht ansteigen. Die Folge: Auch die Steuereinnahmen würden sich erhöhen. Je nach Berechnung geht es dabei um acht bis elf Milliarden Euro Zusatzeinnahmen pro Tag, die Deutschland angesichts der schwachen Wirtschaftslage, der notwendigen Investitionen in die Infrastruktur und in die Verteidigung gut gebrauchen könne, so die Argumentation.
Chemnitzer IHK begrüßt Vorschlag
Bei der Industrie- und Handelskammer Chemnitz (IHK), die nach eigenen Angaben rund 70.000 Betriebe in Südwestsachsen vertritt, rennt Monika Schnitzer mit ihrem Vorschlag offene Türen ein. So erklärte Hauptgeschäftsführer Christoph Neuberg auf Anfrage der „Freien Presse“: „Die Streichung eines Feiertages käme nicht nur unmittelbar der Produktivität der Wirtschaft zugute.“ Dadurch würden auch erhebliche zusätzliche Opportunitätskosten wegfallen, die zum Beispiel durch Brückentage oder verlängerte Wochenende entstünden, wenn der Feiertag auf einen Werktag mitten in die Woche falle. „Diese Personallücken müssen die Betriebe ja ausgleichen.“ Auch die IHK Leipzig begrüßt die Abschaffung eines Feiertags. Dessen Hauptgeschäftsführer Fabian Magerl erklärte gegenüber dem MDR: „Ein Tag, acht Milliarden Euro, da muss man lange für stricken und offen gestanden: Solche Signale sind überfällig.“


Sachsens Arbeitgeberchef Jörg Brückner: Es ist kein Problem, einen Tag mehr arbeiten zu müssen
Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW) hatte schon 2023 die Entscheidung Dänemarks, einen Feiertag zur Finanzierung des Wehretats abzuschaffen, als „klug“ bezeichnet. Diese Lösung sei es wert, genau geprüft zu werden, sagte Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner damals . „Ich stimme der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zu, es ist kein Problem, einen Tag mehr arbeiten zu müssen. Auch das hilft, den Rückgang des Arbeitsvolumens infolge des demografischen Wandels abzubremsen. Zu tun gibt es viel, auch bei uns, nicht zuletzt für den Ausbau der Energieinfrastruktur und zur Reorganisation der Bundeswehr.“
Ifo-Institut: Wenn wir mehr Rüstungsgüter wollen, dann müssen wir mehr arbeiten
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, hatte sich kürzlich ebenfalls für die Streichung eines Feiertags ausgesprochen. Dabei gehe es ihm nicht nur um Geld. Es gehe auch um die zahlreichen Aufgaben, die sich Deutschland derzeit stellten: „Wir wollen die Rüstung ausdehnen, weil wir uns sichern müssen gegen externe Bedrohungen. Wir bekommen jetzt ein großes Sondervermögen Infrastruktur. Da werden jetzt viele Schulden aufgenommen.“ Fuest sagte, mit Geld allein könne man aber die Infrastruktur nicht verbessern, sondern jemand müsse die Arbeit auch wirklich leisten, damit auch vermehrt gebaut werden könne. „Also die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ist begrenzt. Und wenn wir mehr Infrastruktur wollen, wenn wir mehr Rüstungsgüter wollen, dann müssen wir mehr arbeiten.“
In Sachsen haben sich die Arbeitnehmer den Buß- und Bettag teuer erkauft
Die Abschaffung eines weiteren Feiertags dürfte aber gerade in Sachsen vielen Arbeitnehmern übel aufstoßen. Denn der Buß- und Bettag ist nur noch im Freistaat ein gesetzlicher Feiertag - weil die Arbeitnehmer ihn sich teuer erkauft haben. Denn während andere Bundesländer den Buß- und Bettag als Feiertag 1995 der Pflegeversicherung opferten, setzte die damalige CDU-Regierung in Sachsen dessen Beibehaltung durch. Dafür wurden in Sachsen zunächst nur die Arbeitnehmer für die Versicherung zur Kasse gebeten. Spätere Erhöhungen trugen zwar auch Arbeitgeber, doch der anfängliche Unterschied blieb. So zahlen Beschäftigte in Sachsen 2,2 Prozent ihres Lohns in die Pflegeversicherung, Arbeitgeber nur 1,2 Prozent. Außerhalb Sachsens dagegen beteiligen sich beide Seiten mit je 1,7 Prozent. Kinderlose legen hier wie dort noch einmal 0,6 Prozent drauf.
So viel kostet die Beschäftigten dieser Feiertag
Mit einem Rechner können Beschäftigte auf der Internet-Seite des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Sachsen ermitteln, wie viel mehr Geld sie pro Jahr zur Verfügung hätten, wenn die Arbeitgeber im Freistaat die gleichen Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen würden wie in den anderen Ländern. Beschäftigte mit einem Durchschnitts-Brutto von 3791 Euro im Monat hätten demnach 2024 bei einer einheitlichen Finanzierung der Pflegeversicherung rund 227,50 Euro weniger zahlen. Bei Jahresbrutto-Verdienst von 32.000 Euro wären es 160 Euro weniger gewesen.
Gewerkschaft fordert gleichberechtigte Finanzierung
Der sächsische DGB bezeichnet diesen sächsischen Sonderweg bei der Finanzierung als „ungerecht“. Schon seit Jahren würden die Beschäftigten in Sachsen bei der Finanzierung der Pflegeversicherung benachteiligt und müssten einen um 0,5 Prozent höheren Beitragssatz zahlen als alle anderen in Deutschland Beschäftigten, so die Gewerkschaft. Damit müsse nun Schluss sein.
Minderheitsregierung in Sachsen will sich im Bundesrat für Änderung einsetzen
Die sächsische Minderheitsregierung weiß die Gewerkschaft inzwischen auf ihrer Seite. In ihrem Koalitionsvertrag aus dem Dezember haben die CDU und die SPD vereinbart: „Wir werden uns im Bundesrat für eine gleichberechtigte Finanzierung der Pflegeversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Sachsen einsetzen, ohne einen Feiertag im Freistaat zu verlieren.“ Letztlich entscheiden kann das aber nur der Bundesrat, denn dazu müsste ein Paragraf im Sozialgesetzbuch (SGB) geändert werden. Dort ist festgehalten, dass um die Länder zur Finanzierung der Pflegeversicherung einen gesetzlichen landesweiten Feiertag aufheben müssen, um die Wirtschaft nicht zusätzlich zu belasten. Andernfalls haben die Beschäftigten die Differenz in Höhe von 0,5 Prozent des Beitragssatzes zu tragen. Sachsens Wirtschaft warnt unterdessen. Sollte der Buß- und Bettag künftig paritätisch finanziert werden, wäre das eine weitere Zusatzbelastung für Sachsens Wirtschaft. „Das würde unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächen“, so der Chemnitzer IHK-Chef Neuberg.
Der DGB hatte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass es in anderen Bundesländern zusätzliche Feiertage gibt, ohne dass deren Beschäftigte dafür zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Der Buß- und Bettag am Mittwoch ist zwar nur noch in Sachsen ein gesetzlicher Feiertag, in Bayern gibt es allerdings eine Sonderregelung: Schüler können an diesem Tag zu Hause bleiben. Es ist unterrichtsfrei. (juerg)