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Jakob Langer aus Chemnitz mit seiner Klassenlehrerin Nastassja Rechenberg.
Jakob Langer aus Chemnitz mit seiner Klassenlehrerin Nastassja Rechenberg. Bild: Andreas Seidel
Chemnitz

„Leser helfen“ in Chemnitz: Von Eckenrechnen bis Physiotherapie – ein ganz normaler Schultag in Jakobs Leben

Der Neunjährige lernt an der Entdeckerschule auf dem Terra-Nova-Campus. An der Schule sind Unterricht und medizinische Therapien verzahnt. Und Jakob kommt dabei auch mal richtig aus der Puste.

Chemnitz.

Ein Donnerstag im Dezember. Frühstückspause in der Entdeckerschule des Terra-Nova-Campus. Im Zimmer der Klasse 2a werden gerade Adventskalender-Türchen aufgemacht. Brotdosen stehen auf den Tischen. Den ersten Blockunterricht haben die Schülerinnen und Schüler bereits hinter sich. Es ist kurz vor halb zehn. Knapp 300 Kinder und Jugendliche besuchen laut Schulleiterin Annett Goerlitz die Schule mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. Jakob ist einer von ihnen.

Seine Schullaufbahn begann an der Waldorfschule, vor gut einem Jahr wechselte er in die Entdeckerschule und fühlt sich richtig wohl. Die Klasse 2a hat einen förderpädagogischen Schwerpunkt. Hier bleibt mehr Zeit, lesen, rechnen und schreiben zu lernen. Acht Kinder sind in der Klasse. Neben Lehrerin Nastassja Rechenberg gehört auch eine pädagogische Fachkraft zum Team. Das zwei Pädagoginnen-System gilt hier in der gesamten Grundschulzeit, erzählt Nastassja Rechenberg.

Halten, werfen, drehen und strecken: Auf dem Campus sind Schulalltag und Therapie eng verzahnt. Katja Köhn von der Poliklinik und Jakob trainieren zusammen.
Halten, werfen, drehen und strecken: Auf dem Campus sind Schulalltag und Therapie eng verzahnt. Katja Köhn von der Poliklinik und Jakob trainieren zusammen. Bild: Denise Märkisch

Jakob sitzt in der ersten Reihe. Nach dem Frühstück steht Mathematik auf dem Stundenplan. In wenigen Tagen wird ein Test geschrieben, jetzt soll noch einmal geübt werden. Von Zwergen- und Riesenzahlen ist die Rede. Auf der digitalen Tafel erscheinen Symbole. Die Zahlen bis 20 haben die Jungen und Mädchen schon ganz gut drauf. Und langsam gefällt auch Jakob, der mit einem offenen Rücken auf die Welt kam und schon wenige Stunden nach seiner Geburt operiert werden musste, das Rechnen. Seine große Stärke sei aber das Lesen, sagt seine Lehrerin. „Da ist er den anderen voraus.“

Seit gut einem Jahr geht Jakob auf die Entdeckerschule.
Seit gut einem Jahr geht Jakob auf die Entdeckerschule. Bild: Andreas Seidel

Wer die Antwort als Erstes weiß, darf weiterrücken

Weil die Klasse super mitgearbeitet hat, bleibt am Ende der Stunde noch Zeit für ein Spiel. Eckenrechnen. Vier Ecken, Matheaufgaben. Wer am schnellsten die richtige Antwort sagt, darf eine Ecke weiterrücken, bis er wieder an seinen Platz ist. Das Spiel funktioniert so ähnlich wie Bankrücken. Die Kinder sind ein bisschen aufgeregt, jeder will gewinnen. Ein Schüler kommt kurz vor Ende der Stunde erst wieder ins Klassenzimmer zurück. Er hatte eine Therapie.

Dass sich Jakobs Mutter Katja Langer für den Terra-Nova-Campus entschieden hat, liegt auch an der Tatsache, dass an dieser Schule Unterricht und für die Kinder notwendige Therapien verknüpft sind. Alles ist auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet. Jakob, der seine Beine nicht spürt, auf einen Rollstuhl angewiesen ist und zudem Skoliose, eine Verkrümmung der Wirbelsäule, hat, braucht mehrere Therapien pro Woche. Logopädie, Ergotherapie und Schwimmtherapie (auf dem Campus gibt es ein spezielles Schwimmbecken) gehören dazu. Um die Wege kurz zu halten, müssen die Kinder nicht nach der Schule in Praxen gehen. Die Therapeuten sind in der Schule. Das übernimmt die Poliklinik am Terra-Nova-Campus. An diesem Donnerstag steht für den Neunjährigen Trockentherapie auf dem Plan.

Beim Rollstuhlfahren macht Jakob kaum jemand etwas vor. Die Familie braucht aber ein Auto, um den Alltag zu erleichtern.
Beim Rollstuhlfahren macht Jakob kaum jemand etwas vor. Die Familie braucht aber ein Auto, um den Alltag zu erleichtern. Bild: Andreas Seidel

Physiotherapeutin Katja Köhn kennt Jakob und seine Geschichte gut. Die beiden wirken vertraut. Erste Übung: selbstständig aus dem Rollstuhl auf die Liege kommen. „Selbstständigkeit ist sehr wichtig“, sagt Köhn. Außerdem sei es gut, wenn Jakob nach vielen Stunden im Rollstuhl auch mal andere Positionen einnimmt. Seit kurz nach 6 Uhr sitzt er an diesem Tag im Rollstuhl. In der ersten Stunde steht Jakob auch manchmal, mithilfe einer Unterstützung. Aber lange geht das nicht.

Nach der Therapie zurück in den Unterricht

Jakob wird gedehnt, gedreht, gestreckt. Dann ab auf die Bodenmatte. Oberkörper, Arme und Schultern müssen stark sein. Gegenhalten, Hochdrücken – die Übungen sind anstrengend. Manches kann er nur wenige Sekunden halten. „Jakob macht sehr gut mit, auch wenn er manchmal keine Lust hat.“

Nicht immer findet die Therapie in einer der Kabinen im hinteren Bereich des Schulgebäudes statt. Oft gehen Jakob und Katja Köhn in den großen Sportraum. Da gibt es auch ein Bodentrampolin. Und während Jakob ins Schwitzen kommt, haben die anderen weiter Unterricht. Dann noch schnell die Orthesen wieder an und schon düst Jakob mit dem Rollstuhl durch die Gänge zurück ins Klassenzimmer. Ein ganz normaler Tag im Leben von Jakob. (aed)

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