„Leser helfen“: Praktikantin leistet vollen Einsatz für blinde Menschen
Angelina-Christin Friedrich (16) unterstützt die Arbeit mit Sehbehinderten und Blinden in der „Villa Rochsburg“. Sie sagt: „Wenn ich blind sein würde, würde für mich eine Welt zusammenbrechen“.
Mittelsachsen.„Warte, ich geb’ dir noch ein Plätzchen. Achtung, hier kommt der Keks. Wieder paar Kaffeebohnen drauf?“ Angelina-Christin Friedrich ist engagiert bei der Sache. Heute werden Plätzchen mit Zuckerguss und -dekor, Schokobohnen und Lebkuchenmännchen verziert. Im Raum duftet es nach frischem Backwerk. Die 16-Jährige schaut sich um, wo sie helfen kann. Denn die Frauen, die mit ihr am Tisch sitzen, sind im Sehen eingeschränkt.
Angelina-Christin ist Praktikantin in der Aura-Pension „Villa Rochsburg“. Das Haus ist Begegnungs- und Weiterbildungsstätte für Menschen mit Seheinschränkung, Träger der Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen. Unter anderem werden hier Kurse zur Bewältigung des Alltags, Urlaubs- und Freizeitangebote angeboten. Heute entstehen Plätzchen.
„Wenn ich blind sein würde, würde für mich eine Welt zusammenbrechen“, sagt die Jugendliche. Einmal habe sie mit einer Freundin versucht, blind zu backen. „Es war eine Katastrophe. Du bist orientierungslos, weißt nicht mehr, wo was steht.“ Für die Gäste der Pension ist das Alltag und für manche Backen etwas Besonderes, das sie zu Hause nicht machen. Doch darüber hinaus bewältigen die Gäste viel allein, hat Angelina-Christin bemerkt. „Ich wüsste nicht, wie ich zurechtkommen würde.“
„Ich wusste nicht, wie ich mit den Gästen sprechen soll.“
Die 16-Jährige aus Göritzhain besucht die elfte Klasse am Beruflichen Schulzentrum für Gesundheit und Sozialwesen in Chemnitz. „Ich möchte später in den sozialen Bereich gehen, arbeite gern mit Menschen.“ Vor einigen Monaten hat sie ihr Praktikum in der „Villa“ begonnen, ist immer für zwei Wochen im Monat hier. „Ich wusste nicht, wie ich mit den Gästen sprechen soll“, erinnert sie sich an den Start. Doch der Umgang war gleich freundlich. „Sie haben gesagt: Du kannst mich duzen. Und sie haben mir erzählt, was ihnen Schlechtes, aber auch Gutes passiert ist.“
Angelina-Christin hilft beim Saubermachen im Haus, bei Ausflügen, beim Laufen. Gleich am Anfang gab es eine Herausforderung: eine Wanderwoche. „Da musste ich beschreiben, ob eine Stufe kommt oder der Weg nach unten führt“, erzählt sie. Sie wurde auch schon gebeten, bei einem Bahnromantik-Ausflug Fotos für einen Gast zu knipsen. „Es war schwierig für mich, mit dem Blindentelefon umzugehen.“
Angelina-Christin gehört mittlerweile ganz selbstverständlich zum Team. Am Backtag entsteht der Eindruck, dass sich die Schülerin und die Frauen schon lange kennen. Es wird gescherzt und genascht. „Habt ihr nix Türkises dabei?“, fragte Tanja Pregler, ob sich Streusel in ihrer Lieblingsfarbe finden? Der 57-Jährigen mit fränkischem Dialekt ist nur noch ein Sehrest geblieben. Schon zum wiederholten Mal in diesem Jahr ist sie zu Gast. „Es ist immer sehr schön“, sagt sie. Die Verwaltungsfachangestellte war früher im Schwimmen und der Leichtathletik aktiv. Sie arbeitet in der Telefonzentrale der Stadtverwaltung in Marktredwitz. Auch Fanny Hanfke (43) aus Chemnitz sitzt mit am Tisch. Schwach kann sie noch Kontraste erkennen. Die Telefonistin im Klinikum Chemnitz sagt: „Ich mag es, in Gemeinschaft zu backen.“
Schon mehr als 200.000 Kilometer gefahren: Hausbusse müssen ersetzt werden
„Die Gäste haben immer sehr viel Spaß hier, viele haben Freundschaften entwickelt“, weiß Angelina-Christin. Auch Ausflüge, etwa in den Leipziger Zoo oder zu einer kulinarischen Führung nach Altenburg, werden unternommen. Genutzt werden dafür die zwei Hausbusse. Sie dienen ebenso, um Gäste von daheim oder vom Bahnhof abzuholen. Doch die Busse sind schon mehr als 200.000 Kilometer gefahren und müssen ersetzt werden. Finanziell ist das für das Haus schwer zu meistern. Spenden über die Aktion „Leser helfen“ der „Freien Presse“ würden helfen.
Auch an diesem Nachmittag wird der Zündschlüssel gedreht. Es soll noch auf den Weihnachtsmarkt in Chemnitz gehen. Angelina-Christin will mit dabei sein. „Das Praktikum bereichert mich definitiv.“ Es mache auch selbstbewusster im Umgang mit Betroffenen. So habe sie sich getraut, einen Sehbehinderten auf der Straße anzusprechen, ob sie ihm helfen kann. (fmu)
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