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Thomas Greif beim Klettern auf seinen ersten Alpengipfel mit Kletterführer Christian Hechenberger.
Thomas Greif beim Klettern auf seinen ersten Alpengipfel mit Kletterführer Christian Hechenberger. Bild: Christian Mathea
Reise
Klettern in Tirol: Wilder Ritt auf den „Wilden Kaiser“

In dem markanten Kalksteingebiet in Tirol führen Hunderte Kletterrouten in allen Schwierigkeitsstufen auf über 2000 Meter hohe Gipfel. Unterwegs mit einem Bergführer, der erklärt, worauf es beim Klettern ankommt.

St. Johann.

Thomas muss sich ganz schön strecken, bis er mit seiner linken Hand die Felsplatte erreicht. Er zieht sich daran kräftig nach oben und kann jetzt seinen linken Fuß auf den nächsten Tritt setzen. Jetzt baumelt sein rechter Fuß in der Luft.

Ganz wohl scheint dem 46-Jährigen in dieser Höhe nicht zu sein. Aufgeregt sucht er nach einer Möglichkeit, wohin er seinen rechten Fuß platzieren kann. Er sieht eine kleine Auskerbung, in die seine Fußspitze reinpasst. Thomas kann erstmal durchatmen, bevor die nächste Herausforderung für seine Kraft und sein Balancegefühl beginnt.

Der Mann aus Hainichen, der sich Meter für Meter an diesem Felsen nach oben kämpft, ist mit einem Seil an einem Klettergurt gesichert. Am anderen Ende des Seils, etwa drei Meter höher, steht Bergführer Christian Hechenberger auf einem Podest und redet dem Sachsen Mut zu. „Komm Thomas, dort kannst du die Füße gut platzieren“, ruft der Tiroler nach unten. Mit etwas Zuspruch schafft es sein Nachsteiger bis zum Standplatz, wo er sich mit seinem Karabiner festmachen kann.

Der Klettersteig zum Kitzbüheler Horn ist kurz, allerdings auch ziemlich sportlich.
Der Klettersteig zum Kitzbüheler Horn ist kurz, allerdings auch ziemlich sportlich. Bild: Christian Mathea

Rollenwechsel: Jetzt steigt der Bergführer weiter vor, balanciert ein Stück über einen schmalen Grat, links und rechts geht es einige Hundert Meter abwärts. Am anderen Ende der Überquerung legt Hechenberger eine Schlinge um einen Felsvorsprung, sodass er sich selbst und seinen Gast sichern kann. Danach zittert sich Thomas über den Gratweg. „Gut gemacht“, lobt ihn sein Guide.

Für den Sachsen, der ansonsten nur leichte Wege mit einer Seillänge im Erzgebirge im Elbsandsteingebirge nachsteigt, sind diese Höhen eine ganz andere Hausnummer. „Ohne Bergführer für mich undenkbar“, gibt er erschöpft zu. „Auch so kostet es mich Überwindung.“

Christian Hechenberger sichert Thomas Greif von oben, der Nachsteiger ist an einem Seil gesichert.
Christian Hechenberger sichert Thomas Greif von oben, der Nachsteiger ist an einem Seil gesichert. Bild: Christian Mathea

Beide sind in einer Route an der Hinteren Goinger Halt (2193 Meter) unterwegs, ein Gipfel in der Mitte des „Wilden Kaiser“. Die Bergkette in Tirol liegt nicht weit von der deutschen Grenze und hat mehrere 2000 Meter hohe Bergspitzen aus festem Kalkstein zu bieten.

Ein frischer Wind bläst den beiden Bergsteigern ins Gesicht. Außer ihnen ist an diesem Tag keine Menschenseele zu sehen. Für so eine Exklusivität braucht man eine gewisse Grundfitness und je nach Schwierigkeit der Route entsprechend Klettererfahrung.

Zur Ausrüstung eines Nachsteigers gehören Helm, Gurt und für leichte Touren sogenannte Zustiegsschuhe. Durch die härtere Sohle im Vergleich zu Wanderschuhen kann man mit der Spitze kleine Tritte gut treten. Wer sich in höheren Schwierigkeitsgraden an der glatten Wand versuchen will, muss seine Füße in enge Kletterschuhe pressen. Der Bergführer hat den Rest dabei: ein langes Seil und zum Sichern neben Schlingen sogenannte „Friends“, die in Felsspalten geklemmt werden.

Über einen Gipfelgrat geht es zur Hinteren Goinger Halt. Am Horizont ist der Chiemsee zu sehen.
Über einen Gipfelgrat geht es zur Hinteren Goinger Halt. Am Horizont ist der Chiemsee zu sehen. Bild: Christian Mathea

„Hechei“, wie der Bergführer von seinen Freunden genannt wird, bereitet seine Touren am Computer vor, wozu eine genaue Wetteranalyse gehört. „Hier können gerade im Sommer schnell Gewitter entstehen. Sobald man einmal drei, vier Stunden in einer Kletterroute steckt, wird ein Rückzug schwierig“, warnt er.

Vor dem Start fragt er seine Gäste am Telefon, wie fit sie sind, welche Routen sie schon geklettert haben und welche Techniken sie beherrschen. „Dann schaue ich mir beim Aufstieg zur Kletterroute die Grundfitness an. Es bringt nichts, sich in zu schweren Routen abzukämpfen.“

Bei Thomas sollte es an diesem Tag nicht die fünfstündige Klettertour werden, sondern eine kleinere Version mit einer Wanderung zur Bergspitze und anschließender Kletterei über Gratwege in Gipfelnähe. Der Grund war das Wetter. Am Himmel sah es zwar ganz gut aus, aber die Wettermodelle sagten Regen ab Nachmittag voraus. Thomas war trotzdem zufrieden. „Ich war klettern in den Alpen, es hat Spaß gemacht, und ich habe viel gelernt.“

Für einen Klettersteig braucht man einen Gurt, ein Klettersteigset, Helm und im besten Fall Zustiegschuhe.
Für einen Klettersteig braucht man einen Gurt, ein Klettersteigset, Helm und im besten Fall Zustiegschuhe. Bild: Thomas Greif

Seine Erfahrungen als Bergführer hat Christian Hechenberger weltweit gesammelt. Der 41-Jährige war schon in Pakistan und Patagonien klettern. Das Rüstzeug für diese Expeditionen hat er allerdings in seinem Hausgebiet gelernt. „Am Wilden Kaiser gibt es auf einem begrenzten Gebiet Hunderte Routen in allen Schwierigkeitsstufen und allen Techniken von Plattenkletterei, Riss bis hin zu Kamin.“

Viele Erstbegehungen stammen von Hans Dülfer aus einer Zeit, wo die Großstädter höchstens zum Wandern in die Berge fuhren. Dülfer war vor dem Ersten Weltkrieg Student in München und erkundete von der Nordseite über Kufstein die Felsen des „Wilden Kaiser“. Seine damals bestiegenen Routen zählen noch heute zu den Klassikern.

„Hechei“ schafft zwar Schwierigkeiten bis in den unteren zehnten Grad, weit über dem Niveau, das Dülfer vor 100 Jahren erreicht hat. Trotzdem hat er großen Respekt vor dessen Leistung. „Er sicherte sich noch mit einfachen Hanfseilen, damals gab es noch nicht einmal Klettergurte. Dülfer hat auch viele Klettertechniken entwickelt“, sagt er.

Der Tiroler ist seit acht Jahren Bergführer und klettert seit seiner Jugend. Obwohl er einen gut bezahlten Job als Maschinenbauer hatte, füllte ihn das Büroleben nicht aus. „Ich wollte nicht bis an mein Lebensende einen Schreibtischjob haben, in dem jedes Jahr das Gleiche passiert“, begründet er.

So bewarb sich Christian Hechenberger für die Ausbildung als Bergführer, musste dafür sein Können sowohl für Wintersport als auch für Bergsteigen im Sommer in mehreren Tests beweisen. Danach begann eine zweijährige Ausbildung, die er neben seinem Job gemeistert hat. Heute kann er von seiner neuen Arbeit leben, allerdings vor allem durch Stammkunden, die sich mit ihm auf schwierigen Kletterrouten in den Alpen und Dolomiten weiterentwickeln wollen.

Einstiegsmöglichkeiten für Anfänger

Obwohl die Kletter- und Boulderhallen immer voller werden, haben junge Leute immer weniger Interesse an der Alpinkletterei. „Hechei“ schätzt, dass die Gefahren, die Zeit und der Aufwand die Ursachen sind. „Hobbys müssen heutzutage irgendwie in einen optimierten Tagesablauf passen.“ Trotz der künstlichen Angebote vor der Haustür sei Klettern in der Natur etwas anderes, das Gefühl von Freiheit zu erleben und auch mal aus seiner gewohnten Umgebung rauszukommen.

Es müssen am Anfang auch nicht immer gleich die Touren auf die 2000er mit und ohne Bergführer sein. Im Gebiet des „Wilden Kaiser“ gibt es mehrere Klettergärten mit 20 bis 50 Meter hohen Routen. Sie bieten auch einfache Schwierigkeitsgrade mit einer Seillänge bis zu Mehrseilrouten, die mit Bohrhaken abgesichert sind.

Der Schwarzsee bietet eine perfekte Erfrischung nach einer Klettertour. Im Moorwasser spiegelt sich der „Wilde Kaiser“.
Der Schwarzsee bietet eine perfekte Erfrischung nach einer Klettertour. Im Moorwasser spiegelt sich der „Wilde Kaiser“. Bild: Christian Mathea

Klettersteige gibt es ebenfalls in der Region. Ein von der Länge überschaubarer, aber durchaus herausfordernder ist der Sportklettersteig zum Kitzbüheler Horn. An Stahlseilen entlang geht es über 150 Höhenmeter nach oben mit durchaus luftigen Passagen. Auch hier sind Zustiegsschuhe ideal, um besseren Grip zu haben. „Faule“ Kletterer können die Bergbahn von St. Johann nehmen, bis zum Harschbichl fahren und nur das letzte Stück bis zum Klettersteig laufen.

Wer etwas längere Klettersteige gehen möchte: Es gibt; auch Alpin-Steige im „Wilden Kaiser“, bei denen man mehrere Stunden in einer Wand klettert.

Hechenberger warnt davor, in Klettersteige einzusteigen, in denen schon viele Leute unterwegs sind. „Beim Treten können die oberen Bergsteiger Steine lösen, die nach unten fallen können.“ Deshalb rät er auch, die Klettersachen nicht direkt am Einstieg unter den Kletterern anzuziehen, sondern mit etwas Abstand zur Wand.

Auch bei Klettersteigen sollte man sich mit den Schwierigkeitsgraden auskennen, die von A (leicht) bis E (extrem schwierig) reichen. Hechenberger gibt den Tipp, nicht ans Limit zu gehen: „Stürzen ist verboten.“ Denn anders als beim Kletterseil, das sich bei einem Sturz dynamisch ausdehnt und damit die Sturzenergie abfedert, sei das Klettersteigset statisch, ein Sturz eine schmerzhafte Erfahrung.


Ferienpass schon vorher schicken lassen

Anreise: Mit dem Auto beträgt die Entfernung bis St. Johann in Tirol
500 Kilometer. Wer gut vorankommt, ist in 5 Stunden da. Mit dem Zug muss mehrfach umgestiegen werden. Eine Möglichkeit ist zunächst den Flixbus bis München zu nehmen und dann den Zug bis Wörgl. Dort startet der Regionalzug bis St. Johann.

Gästekarte: Mit der Gästekarte von St. Johann können Regionalzug und Busse genutzt werden. Wer mit dem Zug anreist, sollte sich die Karte digital zusenden lassen. So kann er ab Wörgl gratis bis zum Hotel anreisen. Ab zwei Nächten ist eine Berg-und-Talfahrt mit den St. Johanner Bergbahnen inkludiert. Das Schwimmbad in St. Johann kann ebenfalls mit der Gästekarte genutzt werden.

Übernachtung: Übernachtungen gibt es in St. Johann in allen Preisklassen. Im Hotel Theresia nahe der Innenstadt kostet das Zimmer ab 50 Euro, das Appartement mit zwei Schlafzimmern und Küche kostet ab 155 Euro.

Bergführer: Eine siebenstündige Einsteigertour wie beispielsweise über den Nordgrat auf die Hintere Goinger Halt (Schwierigkeit 3 UIAA) kostet für zwei Personen jeweils 310 Euro. Die schwierigere Tour auf den Totenkirchl „Kirchlexpress“ (Schwierigkeit 6) kostet bei zwei Teilnehmern pro Person 340 Euro. Die Reise wurde unterstützt von der Tourismusregion www.kitzbueheler-alpen.com

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