Gast der „Villa Rochsburg“: Mit Anfang 30 wurde er blind - heute fühlt er sich wieder frei, wie früher auf dem Motorrad
„Leser helfen“: Cord König ist erblindet. Doch er hat neu begonnen. Der Podcaster hilft anderen Betroffenen, wieder mobil zu sein. Dafür brauche es dringend auch die Villa mit ihrem Service, meint er.
Mittelsachsen, Rochsburg.Er wollte nochmal Deutschland und Österreich erkunden. Mit seinem Motorrad Freiheit genießen. Daraus wurde nichts. „Ich habe zu spät damit angefangen“, sagt Cord König. Von dieser Art der Freiheit musste er sich verabschieden. Die Blindheit kam zu schnell. Doch wer jetzt einen traurigen Mann erwartet, der ist bei Cord König falsch. Das stellt er gleich freundlich klar. „Es fühlte sich so an, als hätte ich ein altes und neues Leben.“ Das neue Leben als Abenteuer, das ihm die Möglichkeit bot, die Freiheit zurückzuerlangen.
Cord König sitzt bei Kaffee und Plätzchen im Speiseraum der Aura-Pension „Villa Rochsburg“ im Lunzenauer Ortsteil. Das Haus ist Begegnungsstätte- und Weiterbildungsstätte für sehbeeinträchtigte Menschen. Schaut man in seine Augen, empfängt man einen offenen und zugewandten Blick. Dass er quasi blind ist, nur noch ganz wenig Hell von Dunkel unterscheiden kann, wird nicht gleich offenbar. Schon mehrfach war er im Haus zu Gast. Hier hat er noch viel vor.
Aufgewachsen ist Cord König in Niedersachsen. Schon als Kind hat er gern gezeichnet, später fotografiert, gelayoutet, Cartoons gestaltet, war Redakteur. Erlernt hat er zwei Berufe: Zierpflanzengärtner und Groß- und Außenhandelskaufmann. Tätig war er in einem Rechenzentrum in Verden. 1997 meldete er zudem ein Gewerbe im Computerbereich an.
Das Mobilitätstraining ging er lange nicht an
Retinitis pigmentosa ist eine Erkrankung der Netzhaut, unheilbar. Die Genanomalie führt zu Erblindung. Sie kann Generationen überspringen, erklärt König. Ihn übersprang sie nicht. 2001 mit Anfang 30 ging es los. „Das Sehfeld ist eingeschränkt, dann ist man nachts blind.“ Erst gab er das Autofahren auf, dann das Motorradfahren. Seine Arbeit in Verden verlor er. Keine leichte Zeit, doch König startete neu. Er initiierte die Internetplattform „BLINDzeln“ für Selbsthilfe und Austausch. Seit mehreren Jahren publiziert er zudem den Podcast „IrgendWasser“, spricht über Themen wie Technik, Kommunikation, Hard- und Software, dazu gibt es persönliche Gedanken und Geschichten.
Lange schob Cord König, der mit seiner Frau im niedersächsischen Rethem wohnt, etwas vor sich her: das Mobilitätstraining. Dabei störte es ihn, bei jeder Tour, und sei es nur zum Eis essen, auf Hilfe angewiesen zu sein. 2023 kaufte er sich den ersten Langstock, brachte eine Jumbo-Rollspitze an. Damit konnte er sich wieder sicher fortbewegen, ein persönlicher Meilenstein. Viele weitere Schritte in Richtung Mobilität hat er unternommen, hat etwa ein Intensivtraining in Dresden absolviert. An dessen Ende musste er blind und allein in fremder Stadt ein Lokal finden, wo sich die Teilnehmer trafen. Er nutzt das I-Phone, GPS, KI um sich zurechtzufinden, fährt allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Über Kopfhörer kann er etwa hören, wie weit es bis zu einem bestimmten Punkt ist. „Das gibt einem fast das Sehen zurück“, sagt der 54-Jährige.
Seine Kenntnisse möchte er vielen sehbehinderten Menschen weitergeben. Deshalb bietet er auch Kurse in der „Villa Rochsburg“ an. Die Teilnehmer müssen unterwegs sein und Aufgaben meistern. Etwa: Welches Tiermotiv zeigt die blaue Kinderfederwippe auf dem Spielplatz? Es ist ein Elefant. „Ich möchte die Selbstständigkeit, die ich mir zurückerkämpft habe, anderen weitergeben“, so König.
Gäbe es die „Villa“ nicht mehr, wäre das eine „Katastrophe“
Seit Sommer 2023 hat König die Einrichtung, die vom Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen betrieben wird, immer wieder besucht. Gäbe es die „Villa“ als eines von drei Häusern seiner Art in Deutschland nicht mehr, wäre das eine „Katastrophe“. Sehr wichtig seien auch die Busse der Villa, mit denen Gäste von zu Hause oder vom Zug abgeholt werden können und mit denen sie Ausflüge unternehmen können. Die Aktion „Leser helfen“ der „Freien Presse“ unterstützt den dringend nötigen Ersatz der in die Jahre gekommenen Busse.
Blind sein - das ist für Cord König Realität, aber kein Grund, zu verzagen. Er sagt: „Das Gefühl, das ich früher beim Motorradfahren hatte, ist wieder da.“ (fmu)
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