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Die Frage zur Absicht: Muss das sein?

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Wer die Formulierung "die Absicht haben" in einer politischen Rede oder Stellungnahme zu wirtschaftlichen oder die Gesellschaft verändernden Prozessen verwendet, muss wissen (gerade weil es mit "beabsichtigen" oder "vorhaben" ebenso brauchbare wie unbelastete Synonyme gibt) was er tut und welche Konsequenzen das für die Wirkung seiner Worte haben kann. Vor allem in Verbindung mit dem Negativpronomen "niemand" ist sie offensichtlich in der deutschen Sprache nicht mehr zu verwenden, ohne dass sich jemand daran stört und dazu berufen fühlt, wenn er sie in der Zeitung gelesen hat, bei mir anzurufen und sich darüber zu beschweren, dass "sich das einfach nicht gehört". Woher ich das weiß? Heute ist es nämlich wieder passiert, was auch bedeutet, dass ich erneut eine Wette mit mir selbst gewonnen habe, denn als ich um kurz nach sechs den Artikel "EU: Bezahlen mit Bargeld soll begrenzt werden" auf der Titelseite der "Freien Presse" gelesen habe, zweifelte ich nicht eine Sekunde daran: Mindestens ein Anrufer meldet sich deswegen bei mir; tatsächlich waren es dann zwei Leser, die deswegen meine Nummer gewählt hatten.

Der Hintergrund ist dieser, auf den Punkt gebracht: Eine der bedeutendsten beziehungsweise folgenschwersten Pressekonferenzen in der deutschen Geschichte fand am 15. Juni 1961 statt, denn Walter Ulbricht sagte an diesem Tag und damit nur wenigen Wochen vor dem Anrücken der Bauarbeiter: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen."  (Wer ihn noch nicht gesehen hat, dieser Filmausschnitt ist tatsächlich ein besonderes Zeitdokument.)

Dies ist der Absatz, der heute auf der ersten Seite zu lesen war: „Mit dieser Roadmap bestätigt die EU-Kommission unsere schlimmsten Befürchtungen“, erklärte der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch, der mit einer Initiative gegen ein Bargeldverbot kämpft. „Mit jedem Schlag gegen das Bargeld wird zeitgleich suggeriert, dass niemand die Absicht habe, das Bargeld gänzlich abzuschaffen. Dabei ist genau dies das langfristige Ziel“, so die Überzeugung von Willsch.

Der erste Leser meinte: "Dass sich ein westdeutscher Politiker dieser Formulierung bedient und dabei offensichtlich genau weiß, was er da sagt, finde ich schon ungeheuerlich. Vielleicht sollt ihn mal jemand aufklären, was es mit dieser Absicht, etwas nicht tun zu wollen, auf sich hat." Eine Anruferin fragte mich: "Immer wenn ich diese Worte lese, höre ich innerlich diese Fistelstimme, und es läuft mir eiskalt den Rücken runter, muss das wirklich noch sein, nach so langer Zeit?" Zu beiden Kommentaren habe ich nichts weiter gesagt, mir aber meine Gedanken dazu gemacht, die sich vielleicht so zusammenfassen lassen: Wenn es nicht ein so ernstes Thema wäre, würde ich darüber eigentlich nur noch lachen können.

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