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Mal anders: Augen zu und durch

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Innerhalb einer Stunde sind heute zwischen kurz vor zwölf und fast eins drei Dinge passiert, die mich mal wieder haben darüber nachdenken lassen, ob ich mir ernsthaft Sorgen machen sollte darüber, wie sich das Leben im Allgemeinen und etwas mehr noch im Besonderen entwickelt und ob ich deshalb die eine oder andere Konsequenz für mich ziehen sollte. Aber der Reihe nach:

"Das ist doch ein Skandal, das gehört in die Zeitung", meinte ein Anrufer, der hörbar damit zu kämpfen hatte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, bevor er mir dann schilderte, was seinen Zorn verursacht hatte: "Diese Baustelle gibt es schon seit voriger Woche, aber immer noch können Auto durch- und ohne Probleme aneinander vorbei fahren", sagte er und fügte schließlich hinzu: "Unter trotzdem steht da an beiden Enden diese Ampel, und sie ist nicht nur eingeschaltet, sondern zeigt auch seit Tagen bereits auf beiden Seiten grün." Mit betont sachlichen Fragen habe ich versuch, herauszubekommen, was genau der Skandal ist: Verwirrt die Ampel die Autofahrer? Ist es der Stromverbrauch für die Lichtzeichenanlage? Warum gibt es eine Baustelle, auf der tagelang nichts passiert und die Arbeiten nicht stagnieren, sondern gar nicht erst aufgenommen werden? Was soll ich sagen, es ist mir nicht gelungen und endete mit diesem Hinweis des Anrufers: "Und überhaupt, recherchieren Sie das mal, das regt mich so was von auf."

Anschließend habe ich meine tägliche Sprechstunde für beendet erklärt und angesichts des strahlenden Sonnscheins sofort das Verlagshaus verlassen. Ich war gerade erst um die nächste Ecke gebogen, als ich in einer Entfernung von acht bis zehn Metern eine Frau sah, die mir direkt entgegenkam und dabei auf ihr Smartphone schaute; dass sie Kopfhörer in beiden Ohren hatte, entging mir auch nicht. Also, dachte ich mir, machst du den Test ein weiteres Mal, denn bislang was das Ergebnis immer negativ (im Sinne des Ereignisses) verlaufen: Ich blieb stehen, drehte mich zur Seite und blickte geradeaus (in diesem Fall in Richtung Stadthallenpark); und ich schloss die Augen, wollte die Momente der Spannung genießen. Und diesmal passierte es: Fünf Sekunden später kam es zur Kollision, und die Frau zuckte erschreckt zusammen, schaute mich mit großen Augen an, sagte "oh, sorry" und ging weiter, den Blick bereits wieder in Richtung des Smartphones. Was ich daraus für eine Konsequenz ziehen könnte? Ich könnte diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme in mein Programm "Coaching für schüchterne Männer" aufnehmen.

Eine halbe Stunde später saß ich wieder an meinem Schreibtisch, als das Telefon klingelte und ich im Dsplay sah, dass eine Kollegin aus dem Servicecenter meine Nummer gewählt hatte, weil sie mich mit einem Leser verbinden wollte. Und dann nehme ich natürlich auch außerhalb meiner Sprechstunde ab und höre mir an, was die Leser zu sagen haben. Nun denn, auch diese Frau war auf hundertachtzig, wollte ihren Ärger bei mir abladen und nannte mir, ohne dass ich sie dazu aufgefordert hatte, mit "'Icke' findet sich schon bald im Duden" die Überschrift des Artikels, der am Samstag auf der Seite "Aus aller Welt" in der "Freien Presse" zu lesen war. Sie sagte wörtlich: "Das ist der Untergang der Zivilisation." (Zum Hintergrund: Der Autor hatte die Tatsache, dass das Personalpronomen "icke" in den Duden aufgenommen wurde, als ein Beleg dafür gewertet, dass die "typische Berliner Schnauze" doch nicht zu den aussterbenden Arten gehört.) Die Frau in der Leitung fügte hinzu: "Ich fass es nicht." In diesem Moment saß mir der Schalk im Nacken, ich konnte mich seines Zugriffs nicht erwehren, was dazu führte, dass das Gespräch dann auch bald beendet war, nachdem ich gefragt hatte: "Warum'n?"

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