Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Matti Reppe und Holger Orawetz, Chefs und Inhaber der Qpoint Composite GmbH in Dresden (v. l.).
Matti Reppe und Holger Orawetz, Chefs und Inhaber der Qpoint Composite GmbH in Dresden (v. l.). Bild: ronaldbonss.com
Wirtschaft
23.01.2023

Kandidaten für den Wettbewerb "Sachsens Unternehmer des Jahres: Der Hidden Champion im Hinterhaus

Holger Orawetz und Matti Reppe aus Dresden fertigen elektrisch erwärmbare Werkzeuge für Faserverbundteile - weltweit einmalig. Das und mehr macht sie zu Kandidaten für Sachsens Unternehmerpreis.

Dresden.

Wer die Qpoint Composite GmbH im Dresdner Osten besuchen will, braucht Entdeckergeist und Spürsinn. Versteckt in zweiter Reihe auf dem riesigen, denkmalgeschützten Gelände einer früheren Gardinen- und Spitzenmanufaktur residieren Holger Orawetz und Matti Reppe mit ihren 20 Beschäftigten. Das Treppenhaus ins Obergeschoss des 110 Jahre alten Gemäuers atmet noch einen Hauch DDR. Aber hinter der schweren Brandschutztür im Obergeschoss lebt die Zukunft.

Selten ist das Bild vom Hidden Champion treffender: Das 2009 gegründete Unternehmen ist Top-Anbieter und Technologieführer bei elektrisch beheizbaren Formwerkzeugen zur Serienfertigung von Composite-Bauteilen in der Auto-, Luft- und Raumfahrtindustrie. Deshalb ist auch hinter besagter Tür vieles geheim.

Die Stickmaschine hallt durch den Raum

Das Geräusch einer CNC-gesteuerten Stickmaschine hallt durch den Raum. Sie bringt Heizdrähte auf ein 1,5 mal 1,8 Meter großes Glasfasergewebe auf. Auch Leinen, Folie, Kohlegewebe sind solche Basisstoffe, die dann millimetergenau auf ein Modell geklebt werden. Anschließend wird unter Vakuum Epoxidharz eingefüllt, sodass nach dem Aushärten ein Verbundwerkstoff entsteht. Das kann auch die Schablone für den Unterboden eines McLaren-Autos sein. Zum Portfolio von Qpoint gehören auch Kaschieranlagen, mit denen Interieur wie Armauflagen und andere Autoinnenteile produziert werden können.

Die Fertigung von Faserverbunden setzt eine Erwärmung der Bauteile voraus. Wenn die Gründer und Chefs den komplizierten Prozess erklären, nutzen sie gern den Vergleich mit Backöfen und Waffeleisen. Doch diese Prozesse kosten Zeit, Energie und Geld. "Wir ermöglichen mit unseren Self Heating Composite Tools die direkte Erwärmung der Formen, in der Faserverbunde aufgebaut werden", sagt Holger Orawetz. Die Energie gelange sofort dorthin, wo sie benötigt werde und reduziere so Aufheiz- und Haltezeiten. Temperaturen von 180°C seien in wenigen Minuten erreichbar. Matti Reppe spricht von "80 bis 90 Prozent Energieeinsparung", was gerade derzeit an Bedeutung gewinne.

Mit der Innovation sind dreidimensionale Werkzeuge machbar, zum Beispiel für eine Motorhaube. Ferner erlaube die Integration der Heizung in Faserverbundstoffe auch ganz neue Funktionen: etwa als beheizbarer Flugzeugflügel zum Schutz vor Vereisung. "Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat's einfach gemacht!" So steht es auf der Website des Unternehmens, auch Credo der beiden Diplomingenieure.

Vom Forscher zum Gründer

Der Dresdner Reppe und der Stralsunder Orawetz hatten sich vor 15 Jahren am Leibniz-Institut für Polymerforschung kennengelernt. Weil dort das Budget zur Entwicklung großer Werkzeuge für Faserverbundstoffe fehlte, fassten sie den folgenschweren Entschluss: "Wir nähen uns eine Heizung - eingebettet in Kunststoff, ohne Haustechnik". Mit der Idee gingen sie zu Airbus, "und die waren begeistert", erzählt Reppe. Als die Institutsprojekte ausgelaufen seien, hätten sie sich entscheiden müssen, wie es weitergeht, sagt der 42-Jährige.

Sie haben den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt - im Institut nahe dem Hauptbahnhof, mithilfe des Start-up-Services Dresden Exists, einem Gründerstipendium und einer Handvoll Beschäftigten. "Wir hatten nur zwölf Monate Zeit, um die Firma aufzubauen und Kunden zu akquirieren", blickt Orawetz zurück. Der erste große Auftrag kam aus Österreich vom Luftfahrtzulieferer FACC: die Form für das Scharnier eines Flügelelements. Der Beginn einer Wachstumsstory - auch bei der Kundschaft. Auf der Referenzliste stehen Airbus, Boeing, GKN Aerospace, die Autobauer Lamborghini, Lotus, Porsche und Beyond Gravity, die Raumfahrt-Division des Schweizer Technologieriesen Ruag.

An der Wand des Beratungszimmers hängt der Seitenrahmen eines BMW i8 aus Carbon - von Orawetz per Kohlezeichnung zum Concept Car erweitert. Der 55-Jährige und sein Kompagnon sprühen vor Ideen. Er holt einen schwarzen Fensterrahmen für den Airbus A 350 und legt das ebenso leichte wie feste Stück auf den Tisch. "Auf unseren Formwerkzeugen werden solche Teile gepresst", sagt er stolz.

Qpoint Composite hat sein Geschäft um Sonderanlagen erweitert und sieht sich als Komplettanbieter, vom Konzept über Entwicklung, Konstruktion und Fertigung, bis hin zur Montage. Auch sechs Männer aus Kasachstan, der Ukraine und Georgien gehören zum Team, das nur durch Lieferengpässe bei Steuerungskomponenten oder Spezialharz ausgebremst wird.

Vorsichtige Familienväter

Als Qpoint-Eigner sind die verheirateten Familienväter Orawetz und Reppe "eher vorsichtig unterwegs", wie sie sagen. Trotz ihrer Erfolgsgeschichte stößt ihr Umsatz, kapazitätsbedingt, bei drei Millionen Euro an die Grenzen. "Wir würden gern weiter wachsen und weg vom Hinterhof", gesteht Holger Orawetz. "Doch dafür brauchen wir einen Investor, jemanden, der uns finanztechnisch unter die Arme greift", so sein Hilferuf.

Aber auch als Sieger konnten sich Orawetz und Reppe schon fühlen: 2009 als Gewinner des Innovationspreises Mitteldeutschland im Bereich Chemie und Kunststoffe und im gleichen Jahr als Preisträger im Businessplan-Wettbewerb Futuresax mit einem Preisgeld von 10.000 Euro. "Sachsen braucht Menschen mit Mut und Weitsicht, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen", würdigte Sachsens Ex-Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) damals die Teilnehmer. Orawetz und Reppe sind von jenem Kaliber. Und sie greifen nun nach der sächsischen Unternehmerkrone - und nach der "Träumenden", der Trophäe im Wettbewerb "Sachsens Unternehmer des Jahres". (sz)

Der Wirtschaftspreis"Sachsens Unternehmer des Jahres"und der Gründerpreis "Sachsen gründet - Start-up 2023" sind eine Initiative der "Sächsischen Zeitung", der "Freien Presse", der "Leipziger Volkszeitung" und des MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Schneider + Partner, der LBBW und der Gesundheitskasse AOK Plus.

www.unternehmerpreis.de

© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
Das könnte Sie auch interessieren
17.09.2024
4 min.
Nach überraschendem Aus: Mutter-Tochter-Duo übernimmt Gaststätte im Erzgebirge
Nicole Schneider (rechts) und ihre Tochter Lilli-Cheyenne Schneider übernehmen die Gaststätte „Waldblick“ bei Geyer. Sie planen dort ein neues Konzept.
Nicole und Lilli-Cheyenne Schneider wagen einen Neustart in der Gaststätte „Waldblick“ bei Geyer. Statt normalem À-la-carte-Geschäft setzen sie auf ein anderes Konzept. Wie ihre Pläne aussehen.
Annett Honscha
18.09.2024
3 min.
Die Carolabrücke und das Wunder: Der Zeitpunkt des Einsturzes war vielleicht gar kein Zufall
Der Bruch über dem Pfeiler auf der Neustädter Seite wirkt gerade so, als hätte jemand mit einem mächtigen Beil einen Spalt in die Carolabrücke geschlagen. Die Forscher vermuten dort die entscheidende Schwachstelle.
Wissenschaftler kommen der Ursache des Brückeneinsturzes in Dresden näher. Von den Ergebnissen erhoffen sie sich Erkenntnisse weit über Sachsen hinaus. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Frank Hommel
19.09.2024
3 min.
Virologin: Corona-Welle steht bevor - kein Grund zur Sorge
Der Virologin Sandra Ciesek zufolge ist die Lage in keiner Weise mit 2020 oder 2021 zu vergleichen. (Archivbild)
Wenn es kalt wird, halten sich viele Menschen naturgemäß mehr in Innenräumen aus - und infizieren sich häufiger mit Atemwegserkrankungen wie Corona. Was für die kommende Saison zu erwarten ist.
22.01.2024
5 min.
Eine Brauerei von der Uni
Thomas Henle, Francisco Arroyo-Escobar und Jan J. Weigand (v. l.) im Forschungslabor von Deutschlands erster ausgegründeter Uni-Brauerei in Dresden. Die dort entwickelten Sorten Pils, Hell und Rotbier werden im Brauhaus Hartmannsdorf gebraut.
Wissenschaft trifft Handwerk: Thomas Henle und Jan J. Weigand sind Gründer von Deutschlands erster ausgelagerter Universitätsbrauerei – und Kandidaten für Sachsens Start-up-Preis.
Michael Rothe
19.09.2024
1 min.
Die Show Highland Saga gastiert am 21. September in der Stadthalle Chemnitz
In der Chemnitzer Stadthalle gastiert am Sonnabend die Show Highland-Saga-Celtic-Night.
Nicht nur, aber eben auch mit Dudelsäcken wollen die Künstler einer besonderen „Celtic Night“ auf der Bühne die Halle zum Beben bringen.
Uwe Rechtenbach
26.04.2024
6 min.
Sachsens Unternehmer des Jahres 2024: Endspurt um „Die Träumende“
Siegerpreis: „Die Träumende“.
Finale im Wettbewerb um den Unternehmerpreis: Am Freitag werden bei einer Gala in Dresdens Gläserner VW-Manufaktur in drei Kategorien die Sieger gekürt. Das sind die Favoriten für den Hauptpreis.
Michael Rothe
Mehr Artikel