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Blutige Rituale

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Die Tage rennen nur so dahin und wir kommen kein bisschen weiter, denn im Nachtbus nach Tana Toraja gibt es keinen freien Platz mehr. Nach dem Abklappern sämlicher Busgesellschafen bleibt uns keine andere Wahl: Wir müssen noch eine weitere Nacht im heruntergekommenen Makassar bleiben. Morgen ist muslimischer Feiertag und alle wollen zu ihren Familien - deshalb der volle Bus.

Am nächsen Tag fahren wir auf recht holprigen Strassen mit einem Schnitt von 30 km/h die über 300 km ins Hochland. In der kleinen Touristenstadt Rantepao finden wir eine Bleibe für die nächsten zwei Nächte. Am Morgen treffen wir auf einen deutschen Arzt und einen Holländer. Mit ihnen wollen wir heute unser erstes Reiseglück in Indonesien teilen: Zufällig findet genau an diesem Tag eine traditionelle Todesfeier der Toraja (Stamm hier im Hochland) statt. Diese Feiern sind sonst nur im Sommer.

Im Pickup geht es auf ausgefahrenen Schlaglochwegen zu den verwinkeltsten Dörfern. Das letzte Stück zu Fuss ist beeindruckend: Reisfelder bedecken die Landschaft, traditionelle Häuser stehen am Wegesrand, Wasserbüffel weiden friedlich. Doch die Idylle trügt. Schon von Weitem hören wir gequältes Quicken der Schweine und am Dorfeingang begegnen uns hunderte neugierige Blicke. Auch der tote Blick eines blutigen Büffelschädels am Wegesrand.

Vor etwa zwei Jahren ist ein Toraja aus diesem Dorf gestorben. Die Familie hat seitdem ihr Geld gespart um die viertägige Feier halten zu können. 75 Schweine und 2 Büffel werden allein heute abgeschlachtet. Das Fleisch wird in Bambus über offenem Feuer über Std. Gegart und anschliessend an die mindestens 300 Gäste verteilt. Der Tote liegt mumifiziert in einem der Häuser und wird nach dem Fest in einem Hänge- oder Höhlengrab seine letzte Ruhe finden.

Unheimlich viele Eindrücke stürmen auf uns ein: ein mit Blut getränkter Festplatz, auf dem Schweine an Bambusstangen liegen. Hunderte Leute mit Jeans und Bascape, mit tradtionellen Gewändern oder typischen Strohhüten. Sogar ein Mann in Lendenschurz.  Alle sind für diese Feier aus ganz Indonesien angereist. Wir dürfen uns zu den Gastgebern setzen und bekommen das frischste Schweinefleisch aus dem Bambusrohr. Mich wundert es, dass ich überhaupt was essen kann. Später wird noch ein Büffel geschlachtet: angebunden an eine Palme, Kehle durchschneiden und fertig.

Der Büffel ist das Statussymbol der Toraja. Einer kostet tw. Mehr als ein Kleinwagen und je mehr geschlachtet werden, desto höher ist der Status des Toten.

Leider sprengt die nähere Ausführung des Festes hier jeden Rahmen. Deshalb hier ein Link für alle wissbegierigen: http://de.wikipedia.org/wiki/Toraja

Den nächsten Tag geniessen wir auf einem geliehenen Moped. An den Linksverkehr haben wir uns bereits gewöhnt. Die Fahrt geht zu verschiedenen Gräbern - Schädel liegen in Höhlen und zerbrochene Särge stehen zwischen Tropfsteinen. Eine recht lieblose Bestattung in unseren Augen. Ein heftiges Gewitter erwischt uns am Nachmittag auf einer schönen Bergstrasse. Bereits am Abend steigen wir schon wieder in den Bus nach Makassar.

Schon während der langen Fahrt ist mir ziemlich schlecht. Die Hitze in Makassar bringt Kreislaufprobleme dazu und ich fühle mich kaum in der Lage bis zur Fähre zu kommen. Auf keinen Fall will ich länger hier bleiben - deshalb gehen wir doch an Bord. Erbrechen und Durchfall legen sich langsam. Am Abend dann Fieber. Wir sind die einzigen Ausländer auf der Fähre, was die Sache nicht gerade einfacher macht. Jeder will aufs Bild, wenn René gerade mal wieder Modell stehen muss. Trotz Sprachbarriere sind die Leute extrem gesprächig, neugierig. Vor allem die Kinder.

Über Nacht erwischt es René dann recht heftig mit dem selben Symptomen. Wieder sind es die Kinder, die im Raum stehen, als ein Krankenpfleger Antibiotika aus dem Schrank holt.

So sehr uns die Neugier und das ständige 'Hello mister' nerven - wir können es ihnen nicht übel nehmen. Wir sind wirklich exotische Fische an Bord und auch in den folgenden Tagen werden wir Sprachdefizite im Indonesisch und Kulturunterschiede immer wieder spühren.

Höhen und Tiefen gehen fortan Hand in Hand: richtiges Reiseglück und das lang ersehnte Ausspannen am Strand lassen jedoch auf sich warten.

Als unsere Fähre nach 20 Stunden auf der Insel Buton in Bau-Bau ankommt, müssen wir in einem extrem teuren Hotel einchecken, da es das einzige mit Klimaanlage ist. Auch hier spricht man kaum ein Wort englisch. Die Zimmer liegen bei fast 30 Euro, sind mit allerlei Krabbeltieren bevölkert und dreckig. Am nächsten Morgen geht es René besser und dafür mir wieder schlecht. Es ist zum Verzweifeln.

Schliesslich machen wir einen einfachen Holzbungalow ausfindig. Wir geniessen die fantastische Aussicht auf die vorgelagerten Inseln und türkisblaues Meer. Der Wind kühlt die gefühle Temperatur auf 30 Grad herrunter. Am 1. Dezember 2009. Langsam geht's uns besser und wir harren der hoffentlich positiven Dinge, die da kommen ... zum Beispiel dem Gecko, der da gerade über René spazieren geht ...

http://www.2bikepackers.com/

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