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Ich freue mich trotzdem

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Soll ich mich freuen oder mich ärgern? Als ich so gegen 1 Uhr jetzt in der Redaktion am Computer sitze, nachdem die aktuelle "Freie Presse"-Ausgabe in den Druck gegangen ist, fällt mir immer noch keine rechte Antwort ein. Ich habe Hunderte von Fußballspielen schon gesehen, doch das gegen Algerien am Montagabend war sicher eines der verrücktesten. Ein 2:1-Sieg am Ende. Schön und gut. Aber kann man so Weltmeister werden?

Ach, sei es drum. Auf der Straße jubeln gerade die Menschen, Fans fahren mit ihren Autos hupend durch die Chemnitzer Innenstadt. Ich schließe mich ihnen einfach an und stimme in den Freudengesang mit ein. Ich wische meine Sorgen um den Zustand der deutschen Fußball-Millionäre weg und blicke nach vorn. Die deutsche Mannschaft steht wieder einmal in einem WM-Viertelfinale. Das ist doch was. Was würden meine Kollegen in Spanien, Italien oder England drum geben, in meiner Situation zu sein. In den nächsten knapp zwei Wochen weiter über WM-Fußball zu berichten und mit der eigenen Mannschaft mitzufiebern, sich zu freuen oder zu ärgern, die würden sonst was dafür geben.

Ganz im Vertrauen. Ich bin schon immer ein Fan von Peer Mertesacker gewesen. So ein knorriger Verteidiger vom FC Arsenal, der das Gesicht einer Mannschaft prägt, gehört in jedes Team. Auch wenn er nicht mehr ganz der Schnellste ist, mich hat er auch gegen Algerien überzeugt. Und das auch nach dem Spiel. Als ein ZDF-Reporter mit ihm den schwachen Auftritt der Deutschen aufarbeiten wollte, fauchte er ihn nur an: "Das ist mir völlig wurscht. Wir sind unter den letzten Acht. Das zählt." Recht hat er. Wir sollten uns freuen, nicht nach dem Sieg zerfleischen. Vielleicht wenigstens ein kleines bisschen freuen. Die Bedenkenträger kommen von ganz allein.

Übrigens: Beim Spiel zuvor zwischen Frankreich gegen Nigeria hatte ich bereits ein etwas flaues Gefühl im Magen. Die Westafrikaner waren nicht schlecht. Ihnen fehlte vielleicht nur am Ende die Kraft für eine Sensation. Was würde nun den Deutschen gegen Algerien passieren?

Seien wir doch einmal ehrlich: Sogenannte Außenseiter gibt es nicht mehr. Oder hätten Sie vor der WM daran gedacht, dass Spanien, Italien und England vorzeitig nach Hause fahren, Algerien, Nigeria und Costa Rica die Vorrunde überstehen? Ich nicht. Die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Die besten Mannschaften der Welt sind weiter zusammengerückt. Überheblichkeit ist fehl am Platze. Große und Kleine gibt es im Fußball nicht mehr. Das lehrt uns die WM in Brasilien. Spätestens seit den Achtelfinals zwischen Nigeria und Frankreich und Deutschland gegen Algerien. Beide Partien hätten auch anders ausgehen können.

Früher war das noch anders. Nehmen wir zum Beispiel die WM 2006 in Deutschland. Damals saß ich als Berichterstatter für die "Freie Presse" beim WM-Auftakt in der Münchner Arena. Das Eröffnungsspiel hieß Deutschland gegen Costa Rica. Costa Rica? Richtig. Das ist jene Mannschaft, die nach dem Sieg im Elfmeterschießen gegen Griechenland 2014 im WM-Viertelfinale steht. 2006 gewann die Mannschaft von Jürgen Klinsmann mit 4:2.

Danach war die Rede von einem lockeren Aufgalopp, von der richtigen Einstimmung ins WM-Turnier, das später als "Sommermärchen" in die Geschichte einging. Heute wäre so ein Urteil unmöglich, weil heute Costa Rica die Besten der Welt schlagen kann.

Locker ging es in München tatsächlich zu. Allerdings nur vor dem Spiel, als Herbert Grönemeyer und bayerische Trachtengruppen die Eröffnung gestalten und ich die Gelegenheit hatte, das damalige Supermodel Claudia Schiffer zu interviewen. Costa Rica hielt lange tapfer mit und leistete mehr Gegenwehr als erwartet. Doch das alles ging später alles in der Euphorie nach dem Siegeszug der DFB-Elf, der bis ins Halbfinale führte, völlig unter.

Nun also geht es gegen Frankreich. Ich freue mich darauf. Das hat gleich mehrere Gründe: Schlechter als gegen Algerien kann die Löw-Elf nicht spielen. Nigeria wäre als Gegner unangenehmer. Frankreich ist besser. Man kennt sich, man schätzt sich. Da weiß man wenigstens, was man am Gegner hat.

Und noch etwas: Das Spiel am Freitag beginnt bereits 18 Uhr. Könnte es mit einem Sieg nicht einen schöneren Start ins Wochenende geben?

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