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Mit Bart und Bauchgefühl

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Am Ende fehlte nur eine Butterbrezel: Sascha Aurich sieht blasse Belgier, aggressive Algerier und bekommt um Mitternacht ein superspannendes Spitzenspiel serviert.

Die WM-Zeit ist ein Härtetest für Mensch und Maschine. Mein I-Pad stürzt von der Kaffeemühle, auf der ich es abgestellt habe, um auch beim Schneiden der Bio-Gurken fürs Abendbrot beste Sicht auf das Gegurke zwischen Belgien und Russland zu haben. Ich vermute, dass Siri einfach keinen Bock mehr hat auf diesen unwürdigen Kick. Dabei ist noch nicht mal eine Halbzeit gespielt. Gut, ich habe schon schlechtere Partien gesehen. In der Saison 2005/06 zum Beispiel, 1. FC Pforzheim gegen den 1. FC 08 Birkenfeld, Verbandsliga Nordbaden. Birkenfeld stieg damals dann auch ab. Aber egal. Das I-Pad ist noch ganz, das Elend nimmt seinen Lauf. Belgien macht mir inzwischen ein bisschen Angst. Wer so schlecht spielt und trotzdem gewinnt, kann es weit bringen bei einer WM. Zumal die Mannschaft inzwischen bei meinem Tankwart, den bolzenden Jungs im Hinterhof und dem Hausmeister im Kindergarten als Geheimfavorit gilt. Aber bitte nicht weitersagen!

Kaum habe ich Abendbrot gegessen und das schreckliche Spiel verdaut, kommt Katrin Müller-Hohenstein. Mein Fehler. Ich habe vor der zweiten Partie des Abends zu früh eingeschaltet, beim ZDF läuft noch die tägliche Seifenoper live aus dem deutschen WM-Quartier. Kurz keimt Hoffnung: Müller-Hohenstein sitzt nicht im Swimmingpool und hebt außerdem gerade zu einer Entschuldigung an. Selbst Oliver Bierhoff guckt schon gespannt. Es geht dann aber doch nur darum, dass im ZDF fälschlicherweise verbreitet worden war, der DFB habe einen Helikopter eigens für die Spielerfrauen. Sehr ärgerlich so ein Fehler. Auch für die Zuschauer. Womöglich ist das alles Mist gewesen, was die da seit anderthalb Wochen senden.

Ein bisschen Wiedergutmachung betreiben dann Südkorea und Algerien. Die Asiaten spielen dankenswerterweise über weite Strecken ohne Abwehr. Algerien macht vier Dinger, hätte noch einen Elfmeter bekommen müssen und kann gut damit leben, dass Südkorea auch zwei Mal trifft. Furchteinflößend an den Algeriern ist aber nur ihr Jubel - keiner brüllt schöner in die Kameras am Spielfeldrand als Stürmer Slimani. Ich kontere mit der röhrenden Kaffeemühle. Zu meinem Espresso serviert das ZDF fette, eiweißreiche Maden aus dem brasilianischen Dschungel. Ich muss kurz abschalten.
 
Was dem einen die Made, ist dem anderen die Butterbrezel. Im Internet schwärmen sie ja von denen aus der Bäckerei Klinsmann in Stuttgart-Botnang. Man sollte sie nicht unterschätzen, die Schwaben, weder kulinarisch noch fußballerisch. Der gelernte Bäcker Jürgen Klinsmann hat sich früher im Strafraum immer bewegt wie eine neugeborene Giraffe. Trotzdem ist er Weltmeister geworden und hat in jedem zweiten Spiel seine Kiste gemacht. Und außerdem den deutschen Fußball neu erfunden. Ich sage nur: Sommermärchen. Es war heiß damals in Deutschland, fast so heiß wie gestern Abend in Manaus. Die US-Boys rennen trotzdem unermüdlich aufs portugiesische Tor an und ab der fünften Minute einem unglücklichen Rückstand hinterher. Im Tor haben sie den coolen Tim Howard, der nicht nur das Duell um den gepflegteren Vollbart gegen den portugiesischen Mittelfeldmann Raul Meireles für sich entscheidet. Christiano Ronaldo spielt auch mit, hat über weite Strecken aber vor allem die Haare schön. Tragische Figur des Abends ist um ein Haar ein Mann ohne Frisur: Glatzkopf und Kunstschütze Michael Bradley trifft freistehend aus fünf Metern nur einen portugiesischen Abwehrspieler, der noch auf der Linie steht. Jermaine Jones macht es beim Ausgleich besser. Nicht schön aber selten ist der Führungstreffer von Clint Dempsey. Der Mann mit der gebrochenen Nase bugsiert den Ball mit dem Bauch über die Linie. Wer solche Sachen macht, der kann auch Deutschland schlagen. Dass Varela in der 95. Minute noch den Ausgleich für die Portugiesen köpft, steigert die Spannung vor den beiden Endspielen ums Achtelfinale ins Unermessliche. Deutschland und den USA reicht ein Unentschieden. Aber wer jetzt an die Schande von Gijón denkt, hat diese Klinsi-Boys noch nicht gesehen. Die wollen gewinnen. Beim Barte des Tim Howard!

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