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Wirtschaft
11.09.2024

Weil für Gespräche in VW-Krise: "Miteinander Klartext reden"

In der Krise bei VW setzt Niedersachsens Regierungschef auf die Zusammenarbeit von Management und Arbeitnehmern. Rückendeckung für seinen Sparkurs bekommt der Vorstand unterdessen von einem Ex-Chef.

Emden/Wolfsburg.

Im Streit um die Sparpläne bei Volkswagen hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) das VW-Management und die Arbeitnehmerseite aufgefordert, zügig zu Gesprächen zusammenzukommen. Nach einer Phase der öffentlichen Debatte müssten beide Seiten nun an einem Tisch gemeinsam über Lösungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit bei dem Konzern sprechen, sagte Weil nach einem Gespräch mit dem VW-Betriebsrat am Werk im ostfriesischen Emden.

"Das ist die klare Erwartung, die das Land Niedersachsen jetzt hat, an das Management, auch an die Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft: Sehr schnell jetzt zu beginnen, miteinander Klartext zu reden", sagte Weil.

Der Ministerpräsident, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, bekräftigte erneut, keine Werksschließungen bei VW zu erwarten. "Wir haben die klare Erwartung, dass am Ende dieser Gespräche Lösungen gefunden worden sind, die die Diskussion um Standorte entbehrlichen", sagte der SPD-Politiker. 

VW und IG Metall hatten tags zuvor angekündigt, die im Herbst anstehende Tarifrunde vorzuziehen und darin auch über die neuen Sparpläne verhandeln zu wollen. Die Gespräche könnten laut Gewerkschaft noch in diesem Monat beginnen.

Weil sprach zuvor fast eine Stunde im Emder VW-Werk mit rund 40 Vertreterinnen und Vertretern des Betriebsrats und der Gewerkschaft IG Metall über die aktuelle Situation. "Man spürt deutlich, dass die Ereignisse seit Beginn der letzten Woche große Betroffenheit bei Volkswagen, zum Beispiel hier am Standort, ausgelöst haben", sagte Weil. VW habe in seiner Geschichte viele schwierige Situationen durchlebt. "Bis jetzt ist es noch jedes Mal gelungen, zu gemeinsamen Ergebnissen zwischen Vorstand und Arbeitnehmerschaft zu gelangen und ich wüsste nicht, warum das dieses Mal nicht gelingen soll." Niedersachsen wolle die Gespräche unterstützen. Das Land hält 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern. 

Ex-VW-Chef Diess lobt Blumes Sparkurs

Unterdessen gab der frühere VW-Chef Herbert Diess seinem Nachfolger Oliver Blume Rückendeckung für den neuen Sparkurs in Wolfsburg. Die von VW angekündigten harten Einschnitte seien unvermeidlich, sagte er in zwei Interviews mit dem Magazin "Stern" und der "Wirtschaftswoche". Europas größter Autobauer müsse jetzt seine Hausaufgaben machen, die Produktivität verbessern und die Effizienz steigern. "Das sind Themen, die man lange vor sich hergeschoben hat", sagte Diess im "Stern".

Ex-VW-Chef Herbert Diess unterstützt den strikten Sparkurs seines Nachfolgers Oliver Blume. (Archivbild)
Ex-VW-Chef Herbert Diess unterstützt den strikten Sparkurs seines Nachfolgers Oliver Blume. (Archivbild) Bild: Carsten Koall/dpa

Volkswagen hatte angekündigt, den Sparkurs bei der Kernmarke VW deutlich zu verschärfen. Betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen werden nicht länger ausgeschlossen. Die seit 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung wurde aufgekündigt. 

"Es ist für VW eine neue Situation, auch ein Tabubruch", räumte Diess in der "Wirtschaftswoche" ein. Diess stand bis August 2022 an der Konzernspitze. "Es wird nun eine Rosskur für Volkswagen, aber eine, die dem Unternehmen guttun wird." Denn die Produktivität der meisten deutschen VW-Werke reiche nicht, um die hohen Lohnkosten auszugleichen. 

Durch das Aufkündigen der Job-Garantie gestern sei Vertrauen gebrochen worden, sagte dagegen der stellvertretende Emder Betriebsratsvorsitzende, Herbert de Vries, nach dem Gespräch mit Weil. Er sagte, der Emder Betriebsrat stütze Weils Kurs. "Wir müssen zusammen an einen Tisch kommen." Die Belegschaft setze aber auch auf die Unterstützung des Ministerpräsidenten. Es müsse nun darum gehen, die Situation zu beruhigen und der Belegschaft Ängste zu nehmen. "Wir werden definitiv um jeden Arbeitsplatz kämpfen."

Weil sagte, die Vorstellung, VW werde künftig tariffrei sei, sei unrealistisch. Mitbestimmung und Zusammenarbeit zählten zu wichtigen Grundregeln, die auch den Erfolg des Autobauers ausgemacht hätten. "Deswegen gehe ich davon aus, dass Teil einer Gesamtlösung dann eben auch Tarifverträge sein werden. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen", sagte er. 

VW wichtigster Arbeitgeber in Ostfriesland

Bei Volkswagen in Emden arbeiten rund 8.000 Beschäftigte. Der VW-Standort ist der wichtigste industrielle Arbeitgeber in der Region. Für den Konzern ist das Werk in Ostfriesland, wo inzwischen seit 60 Jahren Autos gebaut werden, ein wichtiger Standort für den Hochlauf der Elektromobilität. 

In den vergangenen Jahren baute VW die Fabrik im laufenden Betrieb zu einem reinen Werk für die E-Auto-Fertigung um – als erstes Werk in Niedersachsen und zweiten Standort in Deutschland nach Zwickau. Für neue Produktionskapazitäten investierte der Konzern seit 2020 nach eigenen Angaben in Emden mehr als eine Milliarde Euro.

Der Betriebsrat im Emder VW-Werk setzt im Streit um die Sparpläne auf die Unterstützung des niedersächsischen Regierungschefs.
Der Betriebsrat im Emder VW-Werk setzt im Streit um die Sparpläne auf die Unterstützung des niedersächsischen Regierungschefs. Bild: Sina Schuldt/dpa

Im vergangenen Sommer begann VW in Emden mit der Serienfertigung der Elektrolimousine ID.7. Der kleinere SUV ID.4 wird bereits seit Mai 2022 in Emden gebaut. Nicht zuletzt das Streichen der Kaufprämie für E-Autos in Deutschland Ende 2023 hatte die Nachfrage einbrechen lassen. Auch die Emder Autofabrik war deshalb zuletzt nicht ausgelastet.

"Wenn die Elektromobilität besser ins Laufen kommt, wir die richtigen Modelle haben, dann müssen wir nachher auch den Markt befriedigen können", sagte de Vries. "Da hilft uns eine Werksschließung nicht." Neben Emden und dem Stammwerk in Wolfsburg gibt es VW-Fabriken auch in Hannover, Salzgitter, Kassel, Zwickau, Chemnitz, Dresden, Osnabrück und Braunschweig. Allein in Niedersachsen sind mehr als 100.000 Menschen bei VW beschäftigt. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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