Am 16.08.2023 hat das Kabinett der Bundesregierung beschlossen, die Gesetzesinitiative von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur teilweisen Freigabe von THC beziehungsweise der Blüten der weiblichen Hanfpflanze sowie deren möglichen Verarbeitungsprodukten ins Parlament zu bringen. Im Bundestag wird daher bald mit der ersten Lesung zum Reformvorhaben gerechnet. Im parlamentarischen Prozess bleibt anschließend noch Zeit und Gelegenheit, um Änderungswünsche und Kritik zu äußern, doch solange will weder die Opposition noch die Industrie warten.

In den vergangenen Tagen meldeten sich Vertreter unterschiedlicher Parteien, Vereine und auch Vertreter von Industrie und Handel zu Wort, um ihre Einschätzung des Reformvorhabens abzugeben und wie so oft überwiegen die kritischen Stimmen. Konservative Politiker beispielsweise befürchten einen Dammbruch, der auch vor Kindern und Jugendlichen nicht Haltmachen werde und bekräftigen die vielerorts geäußerte Kritik einer übermäßigen Bürokratisierung des Vorhabens.

Eine übermäßige Regulierung und eine schwer zu kontrollierende wie auch schwer durchzusetzende Bürokratie befürchten jedoch nicht nur die Konservativen, sondern auch Vertreter von Hanfverbänden sowie Teile der Sicherheitsbehörden. Eine merkwürdige Leerstelle hingegen hat sich rund um die kommerziellen Interessen an der Cannabislegalisierung gebildet, denn diese kommen, zumindest in Schritt 1 der Freigabe, überhaupt nicht vor. Wir sprachen zum Thema mit Dannie Hansen, dem CEO und Co-Gründer von Nordic Oil, einem der größten CBD-Händler in Deutschland:

Interviewer: Laut einer Umfrage vom 17.08. d.J. befürworteten etwa die Hälfte der Bundesbürger die Cannabisreform der Bundesregierung oder würden noch weiter gehen. Wo verorten Sie sich in dieser Debatte?

Dannie Hansen: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich ebenfalls zu dieser knappen Mehrheit gehöre, die die Entkriminalisierung des THC und damit auch den eingeschlagenen Weg der Ampelregierung begrüßt. Wenn man sich überlegt, dass das Cannabisverbot vor allem auf der Förderung der Baumwollindustrie sowie der Pharmaindustrie, die damals voll auf Opiate setzte, beruht, kann man wohl sagen: Dieser Schritt ist mehr als überfällig.

Aber es ist auch nur ein erster Schritt. Wie Sie bereits erwähnten, kommen die Interessen der ganzen kleinen und mittleren Unternehmen in Phase 1 überhaupt nicht zum Zug. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn wir uns erstens sicher sein könnten, dass Stufe 2 definitiv kommt und zweitens einen freien Markt für THC-Produkte beinhaltet. Leider können sich potenzielle Investoren und Cannabis-Unternehmen in beiden Punkten nicht sicher sein, was derzeit zu einer gewissen Unzufriedenheit in der Branche führt, da jetzt auch der richtige Zeitpunkt wäre, in entsprechende betriebliche Maßnahmen zu investieren.

Interviewer: Sie glauben also nicht, dass Phase 2 den Interessen der Branche in ausreichendem Maß entgegenkommen wird?

Dannie Hansen: Ehrlich gesagt, Ich weiß es nicht. Für Unternehmen wie das unsere ist dieses Abwarten und im Ungewissen gelassen werden auch gar nicht so schlimm. Wir haben mit Nordic Oil eine bekannte Marke aufgebaut und sind schon einige Zeit erfolgreich im CBD-Handel. Zudem planen wir auch nicht, als Grower beziehungsweise Züchter in den Markt einzusteigen. Wir haben daher weder in Hallen und Equipment investiert, noch halten wir entsprechendes Investitionskapital vor.

Wenn alles weiterginge wie bisher, müssten wir weder Investitionen abschreiben, noch wäre unser Geschäftsmodell gefährdet. Aber ich kann Ihnen aus persönlicher Erfahrung sagen, dass dies nicht bei allen Unternehmen so ist. Seitdem in den USA die Legalisierung weitestgehend beschlossen wurde, stehen auch in Deutschland zahlreiche Wagniskapitalgeber, Start-Up-Gründer und Cannabisunternehmer bereit, mehr oder weniger sofort mit der Produktion von Marihuana im großen Stil zu beginnen. Doch diese Bereitschaft längere Zeit abzuwarten hat auch ihren Preis.

Interviewer: Diese Äußerungen decken sich teilweise mit denjenigen aus der Konsumentenszene, die einer Kommerzialisierung meist eher kritisch gegenüberstehen. Aber auch sie befürchten das Scheitern der Legalisierung, weil die Bedingungen für den Anbau und die Weitergabe einfach zu schlecht seien und man sich fragt, wer unter diesen Voraussetzungen die Produktion übernehmen soll. Sind sie da auf einer Linie mit den Verbraucherinitiativen?

Dannie Hansen: Die Branche und ihre Kunden haben natürlich nicht immer die gleichen Ideen oder Prioritäten, aber wir stehen im regen Austausch, treffen uns regelmäßig auf größeren Veranstaltungen und Conventions und hören einander zu. Gerade aus dieser Szene hören wir derzeit eine Kritik, die sich schon fast mit den konservativen Bedenkenträgern trifft - allerdings aus einer ganz anderen Stoßrichtung.

Die Konsumenten und Aktivisten befürchten derzeit ebenfalls, dass der Schwarzmarkt nicht ausreichend zurückgedrängt werden würde, einfach weil nicht genügend selbst- oder genossenschaftlich angebautes Gras zur Verfügung stehen könnte, um die Nachfrage vollständig zu bedienen. Man fragt sich dort auch, wer, neben den üblichen Verdächtigen, überhaupt bereit sein wird, einen Cannabis-Club zu betreiben, wenn die Bürokratie so ausufernd und eine Gewinnorientierung gleichzeitig ausgeschlossen ist. Ich kann diese Bedenken sehr gut verstehen und denke, dass auch die Bundesregierung beziehungsweise die Regierungsfraktionen hier noch einmal deutlich nachbessern sollten.

Interviewer: Vielen Dank für diese Einschätzungen, Dannie Hansen, CEO von Nordic Oil.