Das Museum Gunzenhauser verleiht regelmäßig Kunstwerke an Ausstellungen in ganz Europa. Am weitesten geht es für Bilder der Malerin Gabriele Münter. Warum gerade sie?
Ein Bild mit bayerischen Feldern im Sonnenuntergang geht von Chemnitz aus europaweit auf Reisen. Das Gemälde "Landschaft mit Hütte im Abendrot" von Gabriele Münter hat seit der Eröffnung des Museum Gunzenhauser im Jahr 2007 ganze 23.400 Kilometer zurückgelegt. Das reisefreudige Kunstwerk besuchte zuletzt das "Museum der Phantasie" in Bernried, in München das Lenbachhaus und davor die Kunsthalle "Fondation Beyeler" in Riehen in der Schweiz. Selbst die 9500 Kilometer bis zum "County Museum of Art" in Los Angeles waren dem Gemälde nicht zu weit.
Die 1877 geborenen Künstlerin Gabriele Münter ist generell sehr gefragt bei internationalen Museen. Auch das am zweitmeisten gereiste Bild (9600 Kilometer) des Gunzenhauser ("Rote Wolke") stammt von ihr. Das Gemälde war im vergangenen Jahr im Leopold Museum in Wien, davor im Musée Cantini in Marseille und im Fundación Mapfre in Madrid ausgestellt.


Gabriele Münter war selbst viel unterwegs
Die Künstlerin selbst war, genau wie ihre Bilder heute, ebenfalls viel in der Welt unterwegs. Mit ihrer Schwester reiste sie durch Amerika auf den Spuren ihrer Vorfahren. Mit dem russischen Expressionisten Wassily Kandinsky, der ihr die Ehe versprochen hatte, besuchte sie Italien, die Niederlande und Nordafrika. Vor allem diese Reisen und ihre vielen Foto-Arbeiten hätten das künstlerische Werk von Gabriele Münter beeinflusst, sagt Beate Düber, die als Kunstexpertin Besucher durch Chemnitzer Museen führt. Münter (1877-1962) sei als eine der wenigen bekannten Künstlerinnen der Klassischen Moderne für die Kunstgeschichte sehr wichtig. Vom Impressionismus kommend entwickelte sie später einen Stil aus kräftigen Farben und vereinfachten Formen.
Kunst war lange männlich und weiß
Warum sind ihre Werke heute in vielen Museen so gefragt? "In den letzten Jahren gab es ein Umdenken in vielen Museen, die zumeist männlich und weiß geprägte Kunstgeschichte neu zu schreiben und verstärkt weibliche Positionen zu zeigen", sagt Anja Richter, Kuratorin im Gunzenhauser. Gabriele Münter gehörte zu den ersten Frauen, die nach einem langen Kampf als Berufskünstlerin akzeptiert wurde.
Gabriele Münter stand lange Zeit im Schatten ihres Partners. 1926 schrieb sie in ihr Tagebuch: "Ich war in vieler Augen doch nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky. Dass eine Frau ein ursprüngliches, echtes Talent haben, ein schöpferischer Mensch sein kann, das wird gern vergessen."
Die Beziehung zu dem russischen Künstler hatte noch eine weitere tragische Seite, erklärt Beate Düber. Obwohl Kandinsky noch mit Anna Semjakina verheiratet war, lebte er bereits mit Gabriele Münter in einer Wohnung in München, ein Novum in der damaligen Zeit. Aus der versprochenen Ehe wurde auch nach der Trennung von seiner ersten Frau nichts. Kandinsky heiratete nach der Scheidung nicht Gabriele Münter, sondern eine andere. "Trotzdem war es Gabriele Münter, die viele Werke Kandinskys vor den Nationalsozialisten gerettet hatte."


Unter den meist gereisten Werken des Gunzenhauser sind auch Bilder von Männern. Auf dem dritten Platz (7100 Kilometer) kommt Alexej von Jawlenskys Werk "Abstrakter Kopf: Erleuchtung" mit Stationen in Tallin und Madrid. Auf Platz 4 Otto Dix, der mit der "Rothaarigen Frau" ein geheimnisvolles Damenporträt zeichnete (5160 Kilometer). Die "Mona Lisa von Chemnitz" hat bereits in Humlebaek in Dänemark, in Paris und in Düsseldorf für Aufsehen gesorgt.
Ausstellung "Curator‘s favourites" startet im Herbst
Kuratorin Anja Richter plant zum Auftakt des Kulturhauptstadtjahres eine Ausstellung mit dem Titel "Best of: Curator‘s favourites" über die Ikonen der Klassischen Moderne, bei der die meist gereisten Werke im Mittelpunkt stehen. Die Ausstellung wird vom 29. September 2024 bis zum 30. März 2025 im Gunzenhauser zu sehen sein.
Im Anschluss daran folgt der zweite Teil der Ausstellungsreihe mit dem Titel "Visitor‘s choice". In diesem Projekt entscheidet nicht eine professionelle kuratorische Stimme, sondern Jugendliche sowie weitere Gruppen aus der Stadtgesellschaft über die Inhalte. Wer Interesse hat, meldet sich unter [email protected]. (cma)