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Karsten Kriesel über Gott und den Rock

Zugegeben: Ich bin Atheist. Bis in die Großelterngeneration sind mir in meiner Familie nie Jenseitsvorstellungen begegnet. Die Welt, das war hier und jetzt, der Tod hieß dunkel und aus - also mach etwas aus deinem Leben. Erst nach der Wende habe ich gelernt, dass ich damit nicht zur Mehrheit in Deutschland gehöre. Es gibt verschiedenste Menschen, die aus verschiedensten Gründen verschiedensten Götterglauben nachgehen und daraus Kraft, Trost und anderen Nutzen ziehen. Wer bin ich, das wem abzusprechen?

Gleichzeitig kann ich nicht übersehen, was über die Jahrtausende und anhaltend Menschen anderen Menschen antun, weil sie ihren Glauben für den besseren halten. Wobei man bei quasireligiösen Überzeugungen dann getrost auch Kapitalismus und andere Ideologien dazuzählen kann. Was mich anhaltend aufhorchen lässt, sind religiöse Verweise in Rocksongs. Ja, ich weiß, die transzendente Kraft der Musik und ihr Ursprung im Versuch der Götter-Kommunikation ... aber ist nicht speziell Rock'n'Roll Ausdruck hedonistischer Diesseitsfreude?

Das ist natürlich naiv und kurz gedacht: Schon die legendäre Oi!-Band Jesus Skins stellt fest: "77 heißt Grüß Gott". Solche Ironie mag ich! Auch die Satansfolklore vieler Gothic- oder Metalbands kann ich mit theatralem Gemüt gut gelaunt genießen. Schwierig wird es für mich, wenn ich das Gefühl bekomme, die meinen das irgendwie ernst. Nicht aus moralischen Erwägungen, sondern weil mir die Vorstellung von Himmel und Hölle abgeht. Wenn musikalisch irgendwer "oben" nach Erklärungen sucht, auf Ewigkeit hofft oder das Shangri-La sucht, bin ich schnell emotional draußen.

Besonders beliebt ist ja die Reminiszenz an verblichene Wegbegleiter, da keimt schnell die Hoffnung, sich "irgendwann", "irgendwo" wiederzusehen oder wenigstens der tröstende Glaube, der gegangene Mensch schaue unserer In-Ehren-Haltung irgendwie zu. "Habt ihr da oben irgendwas vor?" fragen die Broilers dramatisch - und ich drücke die Skip-Taste.

Lässt auch Nick Cave in den schönsten Songs ständig ein "Oh Lord" fallen, könnte ich gut und gern ohne. Immerhin, und da wird es schon wieder spannend, speist sich bei ihm und anderen dieser Reflex aus der zweifelnden Frage, was Glaube bedeutet. Sich eben einer göttlichen Existenz nicht sicher zu sein, aber danach zu suchen. Mit vollem Risiko, nie etwas zu finden. Wie Gott und Adam an der Decke der Sixtinischen Kapelle: Die Finger sind zueinander gestreckt, doch sie berühren sich nicht. (kries)

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