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Von einem Mord in Mittweida und fast perfekten Verbrechen: True-Crime-Lesung bei der "Freien Presse":

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Gerichtsreporterin Gabi Thieme berichtete in der Redaktion in Mittweida von einem Verbrechen, das sich 1977 ganz in der Nähe ereignet hatte. Hier gibt's den Fall zum nachlesen.

Mittweida.

Echte Verbrechen, jahrelange Ermittlungen und eine Journalistin, die nicht locker lässt und die Fälle bis ins kleinste Detail rekonstruiert - Gabi Thieme war am Donnerstag in der Redaktion "Wir in Mittweida" der "Freien Presse" zu Gast und hat ihre beiden Bücher "Mord im Regionalexpress" und "Das fast perfekte Verbrechen" vorgestellt. Das Interesse der Mittweidaer war groß: Die gut 100 Plätze für die beiden Lesungen waren schnell ausgebucht.

In der Redaktion herrschte gespannte Stille, während Gabi Thieme zur Lesung Einblicke gibt, wie sie von den Kriminalfällen erfahren hat und vom ersten Fall berichtete: Dem Mordfall in Altmittweida 1977. "Im Gegensatz zu allen anderen Geschichten bin ich in dem Fall nicht mehr der Frage nachgegangen, wo der Täter heute lebt", verrät sie dem Publikum.

Eindrücke von der Lesung

Die rund 100 Plätze für die zwei Lesungen waren schnell ausgebucht. Hier der Mittweidaer Mordfall noch einmal zum Nachlesen.

Der Mordfall von Mittweida: Eine 19-jährige stirbt durch Messerstiche

Petra Lange wollte einfach nur eine schöne Zeit haben. Vor zehn Tagen war die 19-jährige zur Faschingsprinzessin gewählt worden. Am 21. Februar 1977 endete ihr Leben auf offener Straße durch Messerstiche. Den Fall übernahm die Mordkommission aus Karl-Marx-Stadt. Dabei standen die Ermittler unter Druck. Die Leiche der jungen Frau war in der Nähe der SED-Bezirksparteischule Mittweida gefunden worden. War etwa ein Parteischüler der Täter? Doch schon am anderen Tag gehen die Ermittlungen in eine andere Richtung. Der Abschnittsbevollmächtige hat den "Lumich" des Ortes im Verdacht. Doch ein am Tatort gesicherte Handabdruck passt nicht zu dem jungen Mann.

Irgendwann richtete sich der Verdacht gegen einen Kraftfahrer, der mit Petra Lange bekannt gewesen sein soll. Er arbeitete bei einem privaten Unternehmen und fuhr einen Viehtransport. Doch trotz intensiver Ermittlungen konnte auch ihm die Tat nicht nachgewiesen werden. Die Ermittlungen waren in eine Sackgasse geraten.

Die Stasi greift ein

Am 2. Dezember 1982 griff die Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit offiziell in die Ermittlungen ein. Informelle Mitarbeiter hatte sie schon zuvor ohne Erfolg auf den vermeintlichen Täter angesetzt. Schon am nächsten Tag lag ein Maßnahmenplan auf dem Tisch des Leiters der Bezirksverwaltung Siegfried Gehlert. Er hatte den Vorgang zur Chefsache gemacht, weil der Vater des Opfers in der Parteischule arbeitete und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Täter an der Parteischule studierte. Der Plan sah vor, "den Verdächtigen zu Reaktionen zu veranlassen und somit Hinweise zu erarbeiten, die die Verdachtsgründe, dass der Verdächtige der Täter ist, zu erhärten". Außerdem war unter einem Vorwand geplant, an neue Finger- und wenn möglich Handabdrücke zu gelangen sowie den Lkw des Mannes konspirativ zu durchsuchen. Nach zehn Tagen hatte die Stasi jedoch nichts erfahren, was nicht auch schon der Kripo bekannt war. Daher wurde der nächste Schritt vorbereitet.

Der Verdächtige wird observiert

Ab dem 11. Dezember 1982 wurde der Kraftfahrer beobachtet. Minutiös wurde aufgeschrieben, wann er mit seinem Lastwagen wohin fuhr, wann in seiner Wohnung Licht brannte, wann er das Haus verließ oder nicht verließ, welche Gaststätten er aufsuchte und mit wem er sich traf. Alle Kontakte wurden von den Stasi-Ermittlern überprüft. Große Hoffnungen setzten sie in die IM "Olga". Sie hatte es geschafft, Hamann für sich zu interessieren. Dabei glaubten die Ermittler, ihrem Ziel nahe gekommen zu sein. In einer Tonbandaufzeichnung vom 30. Mai 1983 heißt es: "Gegen 2.30 Uhr standen wir gegenüber der Bar an einem Schaufenster. Er war sehr aufgeregt und zitterte am ganzen Körper. Er wollte unbedingt mit mir Geschlechtsverkehr durchführen. Als ich es ablehnte, mit ihm hinter die Kosmos-Bar zu gehen, drohte er mir, dass es mir genauso gehen würde wie dem Mädchen aus Mittweida, das schon lange kalt sei".

Das war Beweis genug für die Ermittler. Nur hatten sie ein Problem: Auf konspirative Weise beschaffte Beweise waren auch bei DDR-Strafgerichten nicht zugelassen. Der Handabdruck sollte den gerichtsverwertbaren Beweis liefern. Aber es kam anders. Am 20. Juni traf der kriminaltechnische Auswertungsbericht ein. Darin hieß es: "Die Vergleichsabdrücke des Verdächtigen wurden mit der offenen Spur verglichen. Im Ergebnis der Untersuchung wurde festgestellt, dass er als Spurenverursacher ausscheidet". Mit dieser Erkenntnis wurden die Ermittlungen eingestellt.

Es blieb eine Akte von 255 Blatt zurück, als die Akte am 27. November 1984 geschlossen wurde.

Ermittlungserfolge erst 1988

Erst im November 1988 kam die Stasi mit ihren Methoden doch noch zum Ziel. In einer Zeit, als immer mehr Ausreiseanträge gestellt wurden, war man damit beschäftigt, so viele Telefonate wie möglich abzuhören. Eine Frau wusste nicht, dass der Geheimdienst mithörte, als sie einer Freundin ein Geheimnis anvertraute. Dann ging alles ziemlich schnell und der wahre Täter konnte überführt werden.  Am 18. Juli 1989 wurde er zu einer Haftstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. (mit fpe/sane)

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