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Weltkrebstag: "Meine Familie hat das Brustkrebs-Gen"

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Etwa jede zehnte Krebskrankheit ist erblich bedingt. Ein Gentest gibt Aufschluss - wie bei Katrin Uhlworm aus Dresden. Doch zu wenige haben Anspruch darauf, kritisieren Onkologen anlässlich des Weltkrebstages.

Sie war gerade 30 Jahre alt, als Katrin Uhlworm von ihrer Gynäkologin die schockierende Diagnose Brustkrebs erhielt. Die Dresdnerin ahnte Schlimmes, weil auch ihre Großmutter und deren Schwestern schon in jungen Jahren an Krebs gestorben sind. "Ob es Brust- oder Eierstockkrebs war, weiß ich nicht mehr so genau." Zusammen mit ihrer Mutter entschied sie deshalb, einen Gentest vornehmen zu lassen, um zu klären, ob sie das sogenannte Brustkrebs-Gen BRCA in sich tragen. "Die Wahrscheinlichkeit für die Vererbung liegt bei 50 Prozent", sagt Professorin Evelin Schröck, Direktorin des Instituts für Klinische Genetik am Uniklinikum Dresden. Das Ergebnis war dennoch ein Schlag für die Familie: Katrin Uhlworm, ihre Mutter und ihr Bruder hatten das veränderte Brustkrebsgen.

Das Genprodukt von BRCA ist im Körper eigentlich zum Schutz der Zellen vor Krebs da. Es löst zum Beispiel Reparaturmechanismen aus. Doch ein verändertes - mutiertes - Gen BRCA 1 oder 2 führt zum Gegenteil. Es erhöht das Brustkrebsrisiko um 60 bis 70 Prozent. Etwa 6300 der rund 70.000 Brustkrebs-Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland haben diese Ursache.

"Da meine Mutter bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an Krebs erkrankt war, fasste sie den Entschluss, sich vorsorglich die Brustdrüsen entfernen zu lassen. Nach meiner Diagnose hatte sie einfach Angst", sagt die Dresdnerin. Auch weil bei ihr die Krankheit schon so früh ausgebrochen ist - in einem Alter, wo man eine Familie gründen und sich nicht mit einer lebensgefährlichen Krankheit auseinandersetzen will. Doch der Krebs war glücklicherweise noch nicht so weit fortgeschritten. "Ich hatte zwei Herde in beiden Brüsten, die aber gut abgegrenzt waren und auch sehr gut auf die Chemotherapie ansprachen", sagt die heute 39-Jährige. Danach wurde sie operiert und bestrahlt. Sogar ihr Kinderwunsch ging noch in Erfüllung. "Meine Tochter und mein Sohn sind jetzt sieben und drei Jahre alt."

Nach der Geburt ihrer Kinder ließ sie sich vorsorglich Eierstöcke und Eileiter entfernen. "Diese Organe sind bei Trägerinnen pathogener Varianten des Risikogens ebenfalls stark krebsgefährdet. Die Früherkennungsmöglichkeiten sind hier jedoch leider noch begrenzt", sagt Professorin Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Uniklinikum Dresden.

Die engmaschige, zielgerichtete Überwachung der Patienten und die operative Entfernung der krebsgefährdeten Organe sind nicht die einzigen Möglichkeiten, das Erkrankungsrisiko zu senken. "Mit medikamentösen Behandlungen, zum Beispiel Antikörper- und Immuntherapien, haben wir in den letzten Jahren einen Quantensprung geschafft", sagt Pauline Wimberger. So ließe sich die Fehlfunktion des BRCA 1 so weit in Schach halten oder ausschalten, dass eine Krebserkrankung hinausgeschoben werden könne. Im Zusammenwirken mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Dresden könnten Patienten schneller in Studien integriert werden.

Auch gegen den besonders aggressiven Brustkrebs, die sogenannten triple-negativen Tumore, könne man erfolgreich medikamentös vorgehen. "Die Fünf-Jahre-Überlebensrate beim Brustkrebs liegt damit bei über 80 Prozent", so Professorin Wimberger. Sie rät deshalb den Patienten, sich an zertifizierte Krebszentren zu wenden. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass die Überlebensrate der Patienten dort wesentlich höher sei.

Um das Krebsrisiko in der Familie zu erkennen, brauche es die genetische Diagnostik, so Professorin Schröck. "Es wäre wünschenswert, wenn der Rahmen für Gentests künftig deutlich erweitert würde", sagt sie. Mit den aktuellen Kriterien könne nur die Hälfte der Personen mit erblicher Krebsveranlagung erfasst werden. "Hier sehen wir einen politischen Handlungsbedarf", sagt die Genetikerin anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar. "Eine größere Anzahl solcher Analysen ist natürlich auch immer eine Geldfrage. Im Vergleich mit den Kosten für eine Krebstherapie kann die frühere Erkennung aber durchaus effizient und wirtschaftlich sein", sagt Schröck.

Wer ein genetisches Krebsrisiko in seiner Familie vermutet, könne sich auch selbst an eine genetische Ambulanz wenden. "Zunächst erfragen wir von den Ratsuchenden alles über Krebserkrankungen in der Familie", sagt die Genetikerin. Untersucht wird dabei eine Blutprobe, wenn möglich auch eine von bereits erkrankten Familienmitgliedern. "Wird dort eine krebsrelevante Veränderung der DNA gefunden, können wir anschließend bei anderen Familienmitgliedern, selbst wenn sie noch nicht erkrankt sind, gezielt danach suchen", sagt sie. Bei der Risikobewertung helfe auch ein Stammbaum.

Die Kostenübernahme für ärztlich empfohlene Gentests bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs sowie bei erblichem Darmkrebs bewertet die Genetikerin als eher unproblematisch, denn hier seien die Kriterien am eindeutigsten festgelegt. Bei anderen Krebsarten müsse im Einzelfall darüber entschieden werden.

Das könnte auch für den Bruder von Katrin Uhlworm wichtig werden. Denn BRCA-Mutationen erhöhen nicht nur das Risiko von Brust- und Eierstockkrebs. Auch Krebserkrankungen an anderen Organen können leichter ausbrechen, wie die Genetikerin sagt.

Doch hier müssten Früherkennungsmöglichkeiten und vorbeugende Behandlungen noch weiter entwickelt werden. Hierfür setzen sich auch Patienteninitiativen, wie das BRCA-Netzwerk ein, in dem sich Katrin Uhlworm engagiert. Sie will aber auch Ansprechpartnerin für Patienten sein, bei denen diese genetischen Veränderungen entdeckt wurden. "Anfangs ist man von der Vielzahl an Informationen einfach überfordert", sagt sie aus eigenem Erleben. Eine Begleitung und Beratung auf Augenhöhe könne da sehr hilfreich sein.

Katrin Uhlworm hat die Krebsbehandlung hinter sich. Sie wird aber regelmäßig alle halbe Jahre umfassend untersucht. "Da bin ich immer sehr aufgeregt, denn die Angst, dass wieder etwas gefunden wird, ist immer da." Doch das halte nur einen Tag an, dann sei die Angst vergessen. Mit ihren Kindern möchte sie später einmal offen über das Krebsrisiko reden. "Es ist gut, dass die vorhersagende Gendiagnostik erst ab 18 Jahren möglich ist. Die Kinder müssen das alles ja auch begreifen können", sagt sie.

Im Alltag mit ihren Kindern verdrängt Katrin Uhlworm solche Gedanken. Dann genießt sie es, dass es die beiden gibt.

Kriterien für Gentests 

Der Verdacht auf eine familiär bedingte Brust- oder Eierstockkrebserkrankung ist bei folgenden Konstellationen gegeben:

1. Mindestens zwei an Brustkrebs erkrankte Frauen, davon eine unter 51 Jahre. Die Altersgrenze entfällt bei Familien mit drei oder mehr Erkrankten.

2. Mindestens eine Erkrankte mit beidseitigem Brustkrebs, davon die erste Erkrankung vor dem 51. Lebensjahr.

3. Mindestens eine junge Brustkrebserkrankte unter 36 Jahren.

4. Mindestens eine an Brustkrebs erkrankte Frau und eine an Eierstockkrebs Erkrankte, oder eine an Brust- und an Eierstockkrebs erkrankte Frau.

5. Mindestens zwei an Eierstockkrebs erkrankte Frauen, unabhängig vom Alter.

6. Ein männlicher Erkrankter an Brustkrebs.

7. Eine Frau mit Eierstockkrebs vor dem 80. Lebensjahr.

8. Eine Frau mit triple-negativem Brustkrebs vor dem 60. Lebensjahr.

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